CORRECTIV.Ruhr

Der Masernausbruch in NRW fordert das erste Opfer

Die Gegenmaßnahmen gegen den Ausbruch greifen nicht, weil Impfangebote nicht angenommen werden. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die CORRECTIV.RUHR vorliegen. Aus Unterlagen, die eine Woche vor dem Tod der 37-jährigen Mutter, erstellt wurden.

von Marcus Bensmann

© Immunizations at Induction Center von Israel Defense Force unter Lizenz CC BY-NC 2.0

Die Masernwelle in NRW schreitet voran. In Essen gab es am Wochenende den deutschlandweit ersten Todesfall dieses Jahres. Eine Mutter von drei Kindern starb im Krankenhaus, sie war am Freitag eingeliefert worden. Im Gegensatz zu ihren Kindern war die 37-Jährige nur unvollständig geimpft. Interne Dokumente belegen, dass die Gegenmaßnahmen in NRW gegen den Masernausbruch nicht wirken.

Anfänglich blieb die Ruhrstadt Essen von dem Masernausbruch in NRW verschont, der in Duisburg seinen Ausgang genommen hatte. Erst im März sei „der erste Fall einer Erkrankung“ in Essen gemeldet worden, sagt ein Sprecherin des Gesundheitsamtes von Essen. Seither gebe es 31 Krankheitsfälle, sagt die Sprecherin, der „erste Fall war ein ungeimpftes Kind“.

Immer mehr Masernfälle werden seit Jahresbeginn in NRW den Behörden gemeldet.

Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen, LZG, hat am 23. Mai um 15 Uhr seit Jahresbeginn 408 Fälle registriert – besonders Duisburg ist betroffen, allein dort wurden 296 Fälle gemeldet. Es wird deutlich: Die Zahl der Fälle wächst schnell. Noch vor einem Monat  lag die Zahl der Erkrankungen in NRW bei 261, wie CORRECTIV.Ruhr berichtete.

Masern ist keine harmlose Kinderkrankheit. Sie „könne bei jeder 1000 bis 10.000. Erkrankung tödlich verlaufen“, sagt die Sprecherin des LZG in Bochum. Der beste Schutz ist frühzeitige Impfung. Und da liegt auch der Grund für den Ausbruch.

Fehlende Herdenimmunität

Ungeimpfte Zuwanderer vor allem aus Südosteuropa – aber auch ideologische Impfgegner und aus Unachtsamkeit Ungeimpfte – gefährden die sogenannte „Herdenimmunität“, die bei über 95 Prozent der Bevölkerung liegen muss.

CORRECTIV.Ruhr hat dazu ausführlich recherchiert.

Die Behörden versuchen mit Aufklärung und Impfangeboten gegenzusteuern. So gebe es in Duisburg für „nicht krankenversicherten Personen aus anderen europäischen Ländern verschiedene Impfangebote durch das Gesundheitsamt“, sagt die Sprecherin des LZGs, zudem werde die Bevölkerung aufgefordert, die eigenen Impfungen zu überprüfen. Denn die Krankheit kann auch zuschlagen, wenn der Impfschutz nicht vervollständigt wurde – es also beispielsweise nur bei einer Impfung blieb.

Doch die Gegenmaßnahmen der Behörden greifen nicht in ausreichendem Maße. Interne Unterlagen, die CORRECTIV.Ruhr vorliegen, zeigen an, dass wöchentlich zwischen 30 und 40 Neuerkrankungen in NRW gemeldet werden. Knapp ein Drittel der Erkrankten sei jünger als vier Jahre.

Hohe Dunkelziffer befürchtet

In Duisburg seien viele osteuropäische Zuwanderer betroffen, aber immer mehr auch andere Bevölkerungsgruppen. Der Ausbruch könne nicht kurzfristig beegrenzt werden, da Impfangebote trotz Dolmetschern nicht angenommen würden. Die Behörden rechnen mit einer hohen Dunkelziffer, da viele Betroffene nur ins Krankenhaus gingen, wenn sie sehr krank wären.

Auch die Lage in Essen wird kurz vor dem Tod der Frau in Essen in den Dokumenten erwähnt – die Situation wird als zugespitzt beschrieben. Die Krankheit sei in mehreren Familien osteuropäischer Zuwanderer ausgebrochen.

CORRECTIV.Ruhr bleibt dran und berichtet weiter über den Masernausbruch in NRW.