Klimawandel

Gesunde Böden retten das Klima

Ute Scheub hat weltweit über Landwirte recherchiert, die auf ihren Feldern Humus aufbauen. Denn nährstoffreiche Erde kann genug Kohlendioxid speichern, um den Klimawandel zu bremsen. In ihrem Gastbeitrag fordert Scheub kleinteiligen, vielfältigen und giftfreien Nahrungsanbau.

von Ute Scheub

© Worm’s Eye View in a Garden von Timothy K Hamilton unter Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Die Beendigung der Klimakrise ist binnen weniger Jahrzehnte möglich. Die Lösung liegt uns buchstäblich zu Füßen: Die Natur hilft uns mit dem Wunder der Photosynthese, den Kohlenstoff aus dem atmosphärischen Kohlendioxid dorthin zu bringen, wo er herstammt – in den Boden. Neue Studien bestätigen: Nur ein Prozent mehr Humus auf den globalen Böden würde reichen, um den CO2-Gehalt auf ein weitgehend ungefährliches Maß zurückzuschrauben.

Kohlenstoff, Grundstoff allen Lebens, ist in der Luft zuviel und im Erdreich zu wenig – aufgrund von Entwaldung und agroindustriellen Praktiken, die ihn freisetzen und zu CO2 oxidieren lassen. Mindestens ein Viertel der globalen Böden sind bereits geschädigt. Kohlenstoff ist der Hauptbestandteil von Humus, von dem der Lebenszyklus aller Landpflanzen, -tiere und Menschen abhängt. Ohne Humus kein Essen und kein Leben. Schluss, Ende, aus.

Humusaufbau aber entzieht der CO2-übersättigten Atmosphäre Kohlenstoff. Die auf dem Klimagipfel von Paris vom französischen Agrarminister aus der Taufe gehobene Initiative www.4p1000.org rechnet unter Bezug auf den UN-Klimarat IPCC und seine Zahlen vor, dass man mit nur vier Promille mehr Humus pro Jahr die globalen Neu-Emissionen neutralisieren könnte. Humus macht den Boden zudem fruchtbar und artenreich, schützt ihn gegen Trockenperioden und Überflutungen, erneuert Grund- und Trinkwasser, sorgt für gesunde Pflanzen, Tiere, Menschen, regeneriert die kleinen Wasserkreisläufe und damit ganze Landschaften, drängt Versteppung und Verwüstung zurück, schafft Millionen sinnvoller Arbeitsstellen. Eine Win-Win-Win-Lösung.

Und wie geht das? Durch regenerative Agrikultur – ein ökosystemischer Ansatz, der aktiv die Regenerationskräfte der Natur unterstützt, Böden, Luft, Wasser, Artenvielfalt, Ernährungsouveränität, Gesundheit und Gerechtigkeit verbessert. Zu seinen Methoden gehören pfluglose Bodenbearbeitung, Permakultur, Terra Preta, holistisches Weidemanagement, Agroforstsysteme, indigene Waldgärten, Waldweiden und weitere. Wir können Humus aufbauen, indem wir Böden nicht mehr pflügen, sondern direkt einsäen und sie ständig mit Zwischenkulturen und Gründüngung bedecken; indem wir organische Abfälle mit Pflanzenkohle kompostieren, um Schwarzerde („Terra Preta“) zu erzeugen; indem wir Vieh unter Bäumen oder auf rotierenden Weideflächen halten („holistisches Weidemanagement“). Grasland macht ungefähr 40 Prozent der globalen Landflächen aus und hat deshalb ein besonders hohes Potenzial, CO2 festzusetzen. Auch Wüsten und verwüstete Landschaften sind regenerierbar, wie das Loess-Plateau in China zeigt oder das Demeter-Projekt Sekem in Ägypten, das buchstäblich auf Sand 4.000 Jobs geschaffen hat.

Viele weitere Agrarpioniere zeigen, wie es geht, und das globale Bündnis www.regenerationinternational.org macht sie sichtbar. Small is beautiful, small is fruitful! Eine rein biologische Ernährung der Weltbevölkerung ist möglich, und sie ist nötig, denn sie hilft bei der Heilung der Ökosysteme. Mehr noch: In einer Welt voller Gewalt, die immer neue Wellen von (Umwelt-)Flüchtlingen schafft, ist regenerative Agrikultur ein Schlüssel zum Frieden, weil sie vielen Millionen Menschen in ländlichen Regionen neue Perspektiven schafft.

Dafür aber muss die global verflochtene Agroindustrie mit Monsanto & Co zurückgedrängt werden. Wir brauchen einen Zusammenschluss von Kleinbauern-, Umwelt-, Klima- und Ernährungsbewegungen. Laut Ronnie Cummins, Mitbegründer von Regeneration International, bedarf es einer „massiven Graswurzelarmee von Erd-Regenerierenden: drei Milliarden Kleinbauern und Dorfbewohnerinnen, Rancher, Hirten, Waldbewohnerinnen, Stadtgärtner und indigene Gemeinden – assistiert von mehreren Milliarden bewussten Konsumenten und urbanen Aktivistinnen.“ Regeneration ist möglich – lokal, regional, national und global.

Ute Scheub arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie hat die taz und deren Umweltredaktion mitgegründet und insgesamt 18 Bücher veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihr „Die Humus-Revolution“ im oekom-Verlag.