Draußen Held,
drinnen Gewalt

Das Schweigen der Spielerfrauen

Von Gabriela Keller, Maike Backhaus und Jean Peters

Draußen Held,
drinnen Gewalt

Das Schweigen der Spielerfrauen

Von Gabriela Keller, Maike Backhaus und Jean Peters

Schmutzkampagnen, Schläge, Tritte, Psychoterror – mehrere Ex-Partnerinnen von Profifußballern sprechen gegenüber CORRECTIV und Süddeutscher Zeitung erstmals von struktureller Gewalt. In einigen Fällen wurden sie mit Verschwiegenheitsverpflichtungen zum Schweigen gebracht.

Schmutzkampagnen, Schläge, Tritte, Psychoterror – mehrere Ex-Partnerinnen von Profifußballern sprechen gegenüber CORRECTIV und Süddeutscher Zeitung erstmals von struktureller Gewalt. In einigen Fällen wurden sie mit Verschwiegenheitsverpflichtungen zum Schweigen gebracht.

Das Ende beginnt für Katarzyna Lenhardt mit einem Vertrag, der sie zum Schweigen bringen soll. Als sie das Papier unterschreibt, setzt sich um sie herum eine Maschinerie in Gang. Sie wird geahnt haben, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Was genau sich um sie zusammenzieht, kann sie zu der Zeit noch nicht wissen. Es ist bereits spät in der Nacht, ein Montag, der 25. Januar 2021. Lenhardt hat da noch 15 Tage zu leben.

Geht man von dem aus, was Lenhardt selbst kurz danach angeblich zu ihrer Mutter gesagt hat, soll ihr Ex-Freund, das Fußball-Idol Jérôme Boateng, sie aufgesucht und gedrängt haben, eine sogenannte Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterzeichnen.

Mit dem Vertrag verpflichtet sie sich offenbar noch in der Nacht zu „absolutem Stillschweigen“ über alles, was während der Beziehung zwischen ihr und Boateng geschah. Alle SMS, E-Mails, Dateien, Fotos muss sie „unverzüglich“ und „unwiederbringlich“ von sämtlichen Speichern löschen.

CORRECTIV und Süddeutsche Zeitung (SZ) haben Boateng über seinen Strafverteidiger einen ausführlichen Fragenkatalog geschickt und ihn mit allen Vorwürfen konfrontiert. Der Anwalt schickt dazu eine kurze Stellungnahme, ohne auf einzelne Punkte einzugehen: „eventuelle mediale Spekulationen” kommentiere man derzeit nicht. Auch auf die Frage, wie die Verschwiegenheitsverpflichtung zustande kam, geht er nicht ein. Ob Boateng in jener Nacht also wirklich Lenhardt aufgesucht hat, um die Unterzeichnung der Verschwiegenheitsvereinbarung zu fordern, bleibt ungewiss.

Mit juristischen Verträgen wie diesem werden Spielerfrauen zum Schweigen gebracht. Selbst wenn sie Gewalt oder Psychoterror erfahren, trauen sie sich nicht zu reden, aus Angst vor hohen Vertragsstrafen. CORRECTIV und SZ decken mit dieser Recherche ein System im Profifußball auf, in dem Gewalt weggeschwiegen wird und das Fachleute in Teilen für rechtswidrig halten.

Kasia Lenhardt: Ein Opfer von Machtmissbrauch

Katarzyna Lenhardt, genannt Kasia, wurde 2012 als Kandidatin bei Germany’s Next Topmodel bekannt. Sie bekommt einen Sohn, fängt ein Studium an, arbeitet als Model und Influencerin. 2018 lernt sie den Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng kennen. Für sie führt die Beziehung in eine Spirale aus Hass, Erpressung, Gewalt und Intrigen. Am Ende wird sie tot in der gemeinsamen Wohnung gefunden, offenbar Suizid. 

Wie stark sie in den Tagen zuvor in Bedrängnis geriet, geht aus einem Gespräch hervor, das sie zu der Zeit mit einem Bekannten führte: „Die wollten mich fertig machen und haben recherchiert und etwas gefunden“, sagt sie, „dann hat er seine Verschwiegenheitserklärung bekommen und wusste, ich kann eh nichts sagen.“

Jérôme Boateng steht bald wieder vor Gericht. Im Fall Kasia Lenhardt ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft noch wegen Körperverletzung gegen ihn; er hat den Vorwurf über seine Anwälte bisher bestreiten lassen und darauf verwiesen, dass Lenhardt selbst nie belastende Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht hat.

Boateng wurde vor gut einem Jahr in einem anderen Fall schuldig gesprochen: Das Amtsgericht München verurteilte ihn wegen Körperverletzung an seiner Ex-Freundin Sherin S. zur Zahlung von 1,8 Millionen Euro. Ihm wurde vorgeworfen, sie geschlagen, geboxt und ihr in den Kopf gebissen zu haben. In dem Urteil ging das Gericht zumindest von einem Faustschlag ins Gesicht aus. Boateng streitet die Vorwürfe ab und ficht das Urteil an. In wenigen Tagen beginnt der Berufungsprozess vor dem Münchner Landgericht.

Sherin S. sprach nicht mit CORRECTIV und SZ, auch ihre Anwältin wollte keine Stellungnahme abgeben. Boatengs Strafvertreidiger indes teilt auf Anfrage mit, in dem erstinstanzlichen Verfahren seien „wichtige, Herrn Boateng entlastende Umstände nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt“ worden: „Wir sind optimistisch, dass es in wesentlichen Fragen zu neuen Erkenntnissen kommen wird“, darüber hinaus werde er vor der Hauptverhandlung „keine weiteren Stellungnahmen zu Details abgeben“.

Seiner Karriere schadeten die Prozesse offenbar nicht. Kurz vor dem Gerichtstermin wechselte er von Bayern München und unterschrieb einen Vertrag bei Olympique Lyon.

Profifußballer: Umgeben von einem Schutzpanzer aus Macht und Geld

Der Tod von Kasia Lenhardt hat viele alarmiert und ein gewaltiges Machtgefälle offengelegt. Wie diese Recherche von CORRECTIV und SZ zeigt, deutet der Fall symptomatisch auf ein System hin, in dem Frauen trotz Gewalterfahrungen mundtot gemacht werden. Auch bei anderen Spielerfrauen sorgte der Fall für Bestürzung, weil er auf sie wie eine Warnung wirkte: „Mir hat das klar gemacht, was mir passieren kann, wenn ich zu doll störe“, sagt die Ex-Lebenspartnerin eines Spielers. 

CORRECTIV und SZ haben monatelang recherchiert und sind Fällen von insgesamt neun Ex-Frauen und -Freundinnen von Profi-Fußballern nachgegangen, die von körperlicher, psychischer und ökonomischer Gewalt sprechen. Die Vorwürfe betreffen sechs ehemalige Nationalspieler, einen Bundesligaspieler, zwei sind oder waren im Kader einer Mannschaft in einer der höchsten Spielklassen in Europa. Viele der Frauen sagen, dass die Männer von einem Schutzpanzer aus Macht, Geld und totaler Kontrolle umgeben sind, der die Frauen daran hindert, sich zu wehren oder die Taten publik zu machen. 

Die Männer bestreiten die Vorwürfe. Textnachrichten, Gerichtsunterlagen, Fotos, Videos und andere Dokumente erhärten aber die Angaben der Frauen. Soweit möglich, haben CORRECTIV und SZ auch mit Zeuginnen und Zeugen gesprochen. Doch alle Frauen sprechen nur unter der Bedingung, dass sie anonym bleiben. Auch die Namen der Fußballspieler bleiben daher ungenannt. Sonst wären Rückschlüsse auf die Identität der Frauen möglich. Die Angst sitzt tief. „Mein Ex kann mein Leben zerstören“, sagt eine. Zwei erhalten Todesdrohungen. 

Sie nehmen den Frauen das Recht, ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Gewalt durch Profifußballer: ein Missstand vor aller Augen

Fast keine der Frauen, mit denen CORRECTIV und SZ sprachen, hat sich bislang öffentlich geäußert. Es zeugt von viel Mut, dass sie nun, wenn auch anonym, ihre Geschichten erzählen. Sie wurden nicht nur von ihren Partnern misshandelt, manipuliert oder bloßgestellt, von deren Entourage, Beratern, Managern, Medien und Anwälten unter Druck gesetzt. Auch gesellschaftlich wurden sie abgewertet und im Stich gelassen. 

Kasia Lenhardt hat es nicht überlebt. Deshalb können wir ihren Namen nennen. Alle Aussagen der Familie stammen aus einem Dokument, das CORRECTIV und SZ vorliegt. Ihre Angehörigen äußern sich nicht mehr in der Öffentlichkeit. Kasia Lenhardts Geschichte und der zähe Kampf ihrer Familie um die Anerkennung ihrer Rechte ist bezeichnend für das Ausmaß der Missstände, die sich unter den Augen aller zwischen Scheinwerfern, Schlagzeilen und Fußball abspielen. 

Eine zentrale Rolle spielen Verschwiegenheitsverpflichtungen. In mehreren der Fälle haben die Frauen solche Schweigeklauseln unterzeichnet. Sie nehmen ihnen das Recht, ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Ein Profifußballer vor dem Familiengericht: mit eigenen Gesetzen?

Teresa Schwarz – ihr Name ist geändert – hat beschlossen, nicht mehr zu schweigen. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen sie doch stumm bleibt. Wieder einmal geschieht es an einem Tag im Juni, in einem Gespräch mit dem Verfahrensbeistand ihrer Kinder. Vieles steht auf dem Spiel für sie, aber auch für ihre Kinder, ein Termin vor dem Familiengericht steht kurz bevor. Schwarz möchte, dass ihr Ex-Freund ihre Kinder nur noch begleitet vom Jugendamt sehen darf. Aber als es um die Details geht, gerät sie ins Stocken. 

Ob ihr Expartner sie mit der Faust geschlagen habe oder nur mit der flachen Hand?

Einerseits ist dieser Fall, der Jugendamt und Familiengericht beschäftigt, Standard. Es geht um Umgangsregeln, um gebrochene Absprachen, um Vorwürfe von Gewalt und das, was man Kindeswohl nennt. Andererseits aber scheinen in dem Fall ganz eigene Gesetze zu gelten: Ihr Partner ist Profi-Fußballer und spielte bei einem großen Bundesligaverein. 

Also Hand oder Faust? Für Schwarz hängt von dem Verfahren vieles ab, aber ihre Antwort kann sie in Schwierigkeiten bringen, die sie nicht abschätzen kann. 

So schildert sie selbst die Szene einige Tage nach dem Gespräch mit dem Beistand. Am Ende, sagt sie, blockierte ihr Kopf: „Da konnte ich nicht antworten.“ 

Ihr Ex-Freund wurde von CORRECTIV und SZ um Stellungnahme gebeten. Seine Anwältin teilt pauschal mit, dass die Darstellungen in wesentlichen Teilen nicht zuträfen und jeglicher Grundlagen entbehrten. Konkrete Fragen lässt sie unbeantwortet.

Auch Teresa Schwarz hat eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterzeichnet, das Dokument liegt CORRECTIV und SZ vor. Die Klausel umfasst acht Zeilen, ein Absatz in ihrem Trennungsvertrag: „Personenbezogene Daten“, die beiden aus ihrer „früheren Lebenspartnerschaft“ bekannt „sind und werden“ müssen sie „vertraulich behandeln und jegliche Bekanntmachung unterlassen.“

Anzeigen wegen Körperverletzung und Vergewaltigung

Sie öffnet einige Tage nach der Verhandlung vor dem Familiengericht die Tür, ihr Haus ist weiß getüncht, innen hell und luftig. Teresa Schwarz, Mitte 30, lebt mit ihren Kindern am Rand einer großen Stadt. Die Trennung von dem Fußballer liegt mehrere Jahre zurück. Angst hat sie bis heute. „Ich lebe immer noch mit der Gewalt von ihm“, sagt sie. „Er probiert, mir mein Leben zur Hölle zu machen. Der wird nicht aufhören.“  

Sie sagt, sie will keine Rache. Ihr gehe es darum, endlich Ruhe zu finden, nur hat sie verstanden, dass es für sie ohne einen Kampf keine Ruhe geben wird. Aber sie steht nicht nur ihrem Ex-Freund gegenüber, sondern einem ganzen Netzwerk aus Beratern und Anwälten, mächtigen Menschen, vor allem Männern, mit sehr viel Geld – und besten Kontakten zu den Boulevardmedien. 

Bis heute wagt Schwarz es nicht, darüber zu reden, was in ihrer Beziehung geschah. Die Verschwiegenheitsklausel wirkt. CORRECTIV und SZ liegen aber Fotos, Dokumente, Nachrichten und Zeugenaussagen vor, die darauf schließen lassen, dass der Fußballer sie über Jahre hinweg wiederholt geschlagen und misshandelt hat. Ob dieser Eindruck zutrifft, lässt sich nicht sicher sagen: Die Anwältin des Spielers weist alle Anschuldigungen zurück.

1.000 Euro Strafe für einen Profifußballer

Auch gibt es Hinweise, dass Menschen im beruflichen Umfeld ihres Ex-Partners wohl schon vor vielen Jahren über die Gewalt Bescheid wussten: Ein SMS-Wechsel zwischen ihr und einem früheren, inzwischen verstorbenen Berater des Spielers, belegt, dass dieser informiert war: Sie schickt ihm Fotos, die große Hämatome und Prellungen an ihren Armen zeigen. „Ich fahre jetzt ins Krankenhaus“, schreibt sie. Der Berater wirkt nicht alarmiert, sondern antwortet ausweichend: „Das geht nicht mit euch beiden“, schreibt er: „Und ich will gar nicht werten, wer ’der Böse und der Gute‘ ist.”

Hämatome können verschiedene Ursachen haben. Die Anwältin und der Spieler äußern sich zu der Frage nach den Prellungen nicht.

Der SMS-Austausch mit dem Berater ist einige Jahre alt. Es gibt auch neuere Belege: Eine Person im Umfeld von Teresa Schwarz erstattete Anzeige gegen den Spieler; sie selbst stellte ebenfalls Strafantrag, nachdem er sie vor anderthalb Jahren das letzte Mal körperlich angegriffen hatte. Da habe er versucht, ihr das Handy wegzunehmen, sie auf den Boden geworfen und sich auf sie gekniet. Sie sagt, sie dachte danach, ihre Rippen seien gebrochen. 

In einer schriftlichen Aussage gegenüber der Polizei beschreibt sie den mutmaßlichen Übergriff so: „Die Situation ging dann noch weiter, denn er versuchte dann auf mir kniend mit seinem Ellenbogen auf meine Brust drückend mir weiterhin das Handy zu entreißen.“ Sie habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als ihn in den Arm zu beißen. „Er ließ dann von mir ab auch deshalb, weil die Kinder das mitbekamen, wie ich da am Boden lag, und er auf mir hockte, und die Kinder fingen an zu schreien.“ 

Fotos von den Prellungen liegen CORRECTIV und SZ vor. Die Anwältin des Spielers teilt mit, dass eine Strafanzeige vom Hörensagen das Verfahren eingeleitet habe, pauschal weist sie die Vorwürfe in wesentlichen Teilen zurück.

Die Polizei nahm in der Folge bei dem Fußballer eine Gefährderansprache vor; die Bestätigung hat er Schwarz selbst geschickt, dazu die Nachricht: „Willst du mich verarschen?“ Sonst passierte nicht viel. Nach Schwarz’ schriftlicher Aussage meldete sich niemand bei ihr zurück. Gut sieben Monate später schickte die Staatsanwaltschaft ein Schreiben: Das Verfahren wurde eingestellt. Der Beschuldigte müsse 1000 Euro zahlen.

Ein juristischer Knebel für Opfer von Profifußballern?

Opfer von familiärer Gewalt haben es generell schwer, sich vor Gericht gegen die mutmaßlichen Täter durchzusetzen. Oft steht, wie hier auch, Aussage gegen Aussage. Expertinnen kritisieren, dass Frauen noch heute oft die Schuld zugeschoben würde. Betroffene würden oft nicht ernst genommen oder stigmatisiert. Ist der Ex-Partner Profifußballer, erschwert der Status der Männer sowie ihre mediale und finanzielle Macht die Situation weiter. 

Teresa Schwarz machen seit der Trennung vor allem angebliche Drohungen ihres Ex-Partners zu schaffen: Er drohte, sie umzubringen, Drogen bei ihr zu platzieren und sie ins Gefängnis zu bringen. Meist hinterlasse er keine Belege. Eine Sprachnachricht liegt CORRECTIV und SZ aber vor, in der er ausstößt: „Warte ab, was passieren wird. Warte ab. Ich mach’ dich kaputt.” Auch zu diesen Vorwürfen nehmen der Spieler und seine Anwältin neben dem Dementi nicht konkret Stellung.

Schwarz wirkt blass und müde. „Das macht mich ein bisschen paranoid“, sagt sie. „Es ist ein dauerhafter Zustand, wie kurz vor dem Ertrinken zu sein.“ 

Als sie den Vertrag mit Verschwiegenheitsklausel unterzeichnete, ging sie davon aus, dass sich ihre Zukunft als getrennte Eltern so sauber regeln lässt. Dass sie sich damit praktisch selbst knebelt, und das auf alle Zeit, kam ihr nicht in den Sinn.

Hinweise geben

Du bist selbst betroffene Partnerin oder Ex-Partnerin eines Profi-Fußballspielers oder weißt aus anderer Perspektive mehr über das System Profifußball? Dann melde dich gerne bei uns, auch anonym. Alle Nachrichten werden vertraulich behandelt.

gabriela.keller@correctiv.org
Threema 5ME4S6JW
correctiv-upload.org

maike.backhaus@gmx.de

Verschwiegenheitsklauseln sind in den USA umstritten

Für Prominente sind solche Klauseln ein gängiger Weg, ihr Privatleben zu schützen. In den USA sind die sogenannten NDAs, Non Disclosure Agreements, inzwischen heftig umstritten. Sie können dazu eingesetzt werden, Opfer von Gewalt und Missbrauch praktisch mundtot zu machen. Der Vorstand der Firma von Filmproduzent Harvey Weinstein nannte die Klauseln einmal eine „Geheimwaffe“, um Anschuldigungen zu ersticken.

Der Jurist Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin warnt vor der möglichen Wirkung solcher Verträge. In den vorliegenden Fällen sei zu prüfen, „ob hier nicht ein ökonomisch übermächtiger Vertragspartner seine Position in verwerflicher Weise ausnutzt“. Dann wären die NDAs sittenwidrig und damit rechtswidrig. „Aber diese perfiden Verträge dienen ja gerade dazu, die Frauen einzuschüchtern, den Weg zum Gericht nicht zu suchen und ihre Grundrechte nicht auszuüben.“ 

Die Fälle von Teresa Schwarz und Kasia Lenhardt stehen für viele: Die Männer sichern sich ab, die Frauen bleiben schutzlos. In den Wochen nach Lenhardts Tod ist viel geschrieben worden über die Beziehung, in der Gemeinheiten und Untreue offenbar dazu gehörten, Lenhardt verstrickte sich in erbitterte Streitereien mit anderen Frauen im Leben von Boateng. Der Fokus auf diese Rivalitäten aber kann den Blick auf das Ungleichgewicht der Kräfte verstellen.

Lenhardt unterzeichnete ihre Verschwiegenheitsvereinbarung in der Nacht des 25. Januar 2021. Wie es dazu kam, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären. Jérôme Boateng äußert sich dazu nicht. Frühere Berichte zitierten Boatengs Ex- Anwalt mit der Aussage, es sei Kasia Lenhardts ausdrücklicher Wunsch gewesen, einen NDA zu unterzeichnen.

Bilder eines zerrissenen Ohrläppchens, blaue Flecken und der Vorwurf der Vergewaltigung.

Eine mit Gewalt erzwungene Unterschrift?

In dem Dokument, das CORRECTIV und SZ vorliegt, schildert Adrianna Lenhardt die Ereignisse jener Nacht ganz anders. Die Mutter hat gleich danach mit ihrer Tochter gesprochen und alle Ereignisse aus ihrer Sicht ausführlich schriftlich festgehalten: „Sie gestand, unter Angst die Verschwiegenheitserklärung unterschrieben zu haben“, heißt es in dem Schriftstück. „Ich fragte sie sehr deutlich, ob die früheren Verletzungen ebenfalls von Boateng stammten und sie bestätigte, öfters geschlagen worden zu sein.“ 

Lenhardts Anwalt Markus Hennig bestätigt die Authentizität der Aussage. Hat Boateng Lenhardt den dubiosen Vertrag mit Gewalt aufgezwungen? Das ist der Eindruck, den die Aussage der Mutter vermittelt. Ob es stimmt, ist unklar: Boateng lässt die Fragen von CORRECTIV und SZ offen; bislang hat er Vorwürfe von Gewalt stets zurückgewiesen. 

Nach Darstellung der Mutter soll es in dieser Nacht zum heftigen Streit zwischen Jérôme Boateng und Kasia Lehnhardt gekommen sein; so hat ihre Tochter es ihr geschildert. Zunächst habe sie sich demnach geweigert zu unterschreiben. Wenig später steht ihre Unterschrift unter dem Vertrag, und Adrianna Lenhardt macht ein Bild vom zerrissenen Ohrläppchen ihrer Tochter. Das Foto liegt CORRECTIV und SZ vor. Laut der schriftlichen Aussage der Mutter soll Boateng ihr die Verletzung zugefügt haben, als er ihrer Tochter ins Gesicht schlug und mit seinem Ring in ihrem Ohrring hängen blieb. Boateng und sein Anwalt äußern sich dazu nicht. 

Jerome Boateng weist Vorwürfe zurück

Vorwürfe von Gewalt gegen Frauen, verübt von Profifußballern, gehen immer wieder durch die Presse. Gegen den VfB-Stuttgart-Spieler Atakan Karazor wird auf Ibiza wegen des Vorwurfs einer sexuellen Nötigung ermittelt. Sein Verein teilt dazu mit, Karazor bestreite jede strafbare Handlung. Für den VfB gelte daher die Unschuldsvermutung. In Chester, England, steht Benjamin Mendy, französischer Weltmeister von 2018, zuletzt Außenverteidiger von Manchester City, seit August wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung vor Gericht. Auch er weist das zurück.

Und Boateng muss sich nun vor dem Münchner Landgericht erneut gegen den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung verantworten. Er hat die Taten immer bestritten; auch jetzt schreibt sein Anwalt, man gehe „optimistisch“ in die Hauptverhandlung. Nach Recherchen von CORRECTIV und SZ könnte der angeklagte Übergriff nur einer von vielen gewesen sein, das hat Sherin S. selbst vor Gericht ausgesagt. Mit CORRECTIV und SZ sprach sie nicht, aber so haben es mehrere Freundinnen und Bekannte von S. ausgesagt. Boateng und sein Anwalt äußern sich nicht und weisen „Spekulationen”“ zurück.

Mehrere Menschen aus dem Umfeld von S. beschreiben eine Beziehung, die geprägt war von Konflikten, Kontrolle und Machtdemonstrationen. S. soll in ihrem Umfeld mehrmals von Gewaltausbrüchen Boatengs erzählt haben, auch sei sie öfter mit blauen Flecken an Armen und Oberkörper gesehen worden. Fotos von den Verletzungen liegen vor. 

Ibiza, Chester, München, das alles sind Einzelfälle, aber es zeichnen sich Muster ab und auffällige Parallelen. „Manchmal stehe ich jetzt noch vor dem Spiegel und denke: Oh Gott. Weil ich weiß, dass ich kein Einzelfall bin“, sagt die Ex-Verlobte eines Fußballers.

Spielerfrauen: Bis der Traum platzt

Viele der betroffenen Frauen eint, dass sie ihre Partner sehr jung kennenlernen. Sie denken, in ihrem Traumleben angekommen zu sein – bis sich Probleme auftun, Gewalt ausbricht, Streits eskalieren, Affären vertuscht werden, Drohungen ausgestoßen, mit Geld Druck aufgebaut wird und Medienkampagnen losgehen.

Damit ist nicht gesagt, dass Beziehungen im Profi-Fußball generell von Machtmissbrauch gekennzeichnet sind – es mag viele gleichberechtigte und gesunde Partnerschaften geben. Heikel wird aber, wenn etwas geschieht, das für den Fußballer zum Imageproblem werden könnte. Wie die Recherche aufzeigt, greifen in solchen Fällen Mechanismen, gegen die die betroffenen Frauen praktisch keine Chance haben, sich zu behaupten.

Auffällig ist im Fall Kasia Lenhardt, dass die Verschwiegenheitsvereinbarung nur für sie gilt. Sie verpflichtet sich darin nicht nur, mit niemandem über die Beziehung zu dem Fußballer zu sprechen. Sie soll auch alle Unterlagen, Dateien und Belege zerstören, mit denen sie ihre Geschichte untermauern könnte: Informationen, „die nicht nur mündlich vorliegen, sondern als wie auch immer zu qualifizierende Daten vorhanden sind“ muss sie vernichten, „wenn JB sie darum bittet und die Löschung gegenüber JB“ nachzuweisen. 

Auch hierzu nehmen Boateng und sein Anwalt keine Stellung. 

Gewalt gegen Frauen: Experten kritisieren Verschwiegenheitsverpflichtungen

Die Praktik der Verschwiegenheitsverpflichtungen kommt aus der Wirtschaft und dient dort dazu, Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Dort seien solche Klauseln durchaus sinnvoll, sagt der Berliner Medienanwalt Christian-Oliver Moser, eine Übertragung aufs Privatleben funktioniere in der Regel aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie einseitig sind. 

NDAs, die nur eine Partei zum Schweigen verpflichten, hält er meist für unzulässig. Generell seien die Verträge zumindest fragwürdig und könnten sittenwidrig sein. „In Deutschland gibt es dazu aber keine klare gesetzliche Regelung, so dass es immer auf den Einzelfall ankommt“, sagt er. Und auch, wenn die NDAs juristisch nicht wirksam sind, seien sie „auf psychologischer Ebene sehr effektiv, denn im Zweifelsfall müsste ja erst einmal ein Gericht entscheiden, ob, das, was unterschreiben wurde, gar nicht gilt.“

Man kann im Fall von Kasia Lenhardt sagen, dass ganz Deutschland der öffentlichen Vernichtung einer jungen Frau zugesehen hat und dass dieser Prozess mit ihrer Unterschrift auf der Verschwiegenheitsverpflichtung beginnt.

Wenige Tage nach der Unterzeichnung des NDAs gibt Boateng ein Interview in der Bild-Zeitung –  die Vereinbarung bindet ihn ja nicht, und er agiert. Am 2. Februar 2021 erscheint das Interview mit dem Titel: „Boateng rechnet mit seiner Ex ab – Es geht um Alkohol, Druck und Erpressung.“ 

Erhebliche Zweifel an Boatengs Aussagen

Der Spiegel hat bereits im Sommer vergangenen Jahres über Boatengs fragwürdige Aussagen und den Shitstorm, der Lenhardt danach traf, berichtet; auch CORRECTIV und SZ haben Belege ausgewertet, die erhebliche Zweifel an den Behauptungen wecken. Das Interview steht seither in der Kritik, und die Bild-Zeitung kassierte dafür im Juni 2021 eine Rüge vom Presserat. Als Reaktion auf die Recherche distanziert sich Bild-Chefredakteur Johannes Boie jetzt von der Veröffentlichung: „Wir würden heute dieses Interview nicht mehr veröffentlichen“, sagt Boie gegenüber CORRECTIV und SZ.

Das Interview ist ein Rundumschlag gegen Lenhardt. Boateng behauptet, Lenhardt habe massive Alkoholprobleme und sie habe ihn erpresst; sie soll ihm gedroht haben, seine Karriere zu zerstören: „Kasia sagte, sie würde dies tun, indem sie mich beschuldigt, sie geschlagen zu haben. Sie wusste genau, dass die Mutter meiner Kinder mich der gleichen Sache beschuldigt und wir deswegen ein Gerichtsverfahren haben.“

Mit dem Interview beginnt für Lenhardt eine Medienkampagne von frappierender Brutalität. Im Internet wird Lenhardt mit Hass überschüttet. Sie hat Angst, das Sorgerecht für ihren Sohn zu verlieren. „Da wurde eine Form der öffentlichen Hinrichtung vorgenommen“, sagt Medienanwalt Markus Hennig, den Kasia Lenhardt einschaltete und der sie auch posthum vertritt . „Die Dinge, die in dem Interview von Boateng über sie gesagt wurden, sind belegbare Unwahrheiten. Das Interview ist rechtswidrig.“

Profifußballer gegen ihre Frauen: Manipulation der öffentlichen Meinung und Kontrolle

Auch die Berliner Strafrechtlerin Nicole Bédé, die die Familie Lenhardt kennt, zweifelt an der Rechtskräftigkeit solcher NDAs. Effektiv seien sie trotzdem, aber eher auf psychologischer Ebene. „Das Ganze hat ja System“, sagt sie. Denn wer eine solche Klausel unterzeichne, gehe in der Regel davon aus, sich auch daran halten zu müssen. „Ich glaube, man unterschätzt oft, was für einen extremen Druck ein Vertrag, den du nicht genau einschätzen kannst, auf Menschen hat.“ 

Sicher könnten Betroffene sich juristisch beraten lassen. Aber Vertragsprüfungen seien aufwändig, das Honorar werde ja immer am Streitwert festgemacht. „Und der kann unter Umständen sehr hoch sein bei diesen NDAs mit Fußballern“, sagt sie: „Wenn du 25 Jahre alt bist und nicht reich, dann musst du dir überlegen: Riskiere ich das?“

Auch in einem weiteren Fall, den CORRECTIV und SZ recherchiert haben, erhielt eine ehemalige Spielerfrau ein NDA in dem Moment, als ihre Beziehung endete. In der Geschichte von Julia Meier – auch ihr Name ist geändert – geht es nicht um körperliche Gewalt, sondern um Manipulation der öffentlichen Meinung und Kontrolle. Sie zeigt auf, mit welchen Schachzügen die Berater und Manager im Hintergrund das Image der Spieler schützen und die Frauen diskret kalt stellen – mit Hilfe von Verträgen, Anwälten und offenbar gezielten gestreuten Gerüchten. 

Julia Meier war selbst erfolgreiches Model. Dann wurde es, wie die Magazine schreiben, plötzlich „still um sie“. Sie war noch ein Teenager, als sie ihren Freund kennenlernte. Ihr Freund war damals Profi-Fußballer und Spieler der Nationalmannschaft.

Spieler sind ein Investment, dass nicht gefährdet werden soll.

Vom Beziehungs-Aus in der Zeitung gelesen

Ihr Fall eröffnet einen Blick hinter die Fassade einer Beziehung, die lange Jahre harmonisch und fast idealtypisch wirkte: Sie selbst beschreibt ihre Beziehung im Rückblick als „kindlich und naiv“, Streit habe es nie gegeben: „Wir sind nach drei Monaten zusammengezogen, waren schnell verlobt.“ Inzwischen hat sie den Eindruck, dass im Hintergrund Kräfte wirkten, die sie nicht einschätzen konnte. Das Umfeld der Spieler unterstütze feste Beziehungen, Heirat und Kinder generell „um Ruhe reinzubringen“, in das Privatleben der Spieler: „Die Fußball-Profis sind eine sehr wertvolle Ware für Vereine, Manager und Berater“, anders gesagt: ein Investment, das nicht gefährdet werden solle. 

Der Umbruch kam ganz plötzlich, just zu der Zeit, als seine Karriere ihren Höhepunkt erreichte: Er sei nur noch feiern gewesen, in Privatjets um die Welt geflogen, sie erreichte ihn kaum noch: „Das war komplett untypisch für ihn“, sagt sie. Seine Berater und Manager, die zugleich auch ihr Management und vermeintliche Freunde waren, beschwichtigen sie: Das sei nur eine Phase, sie seien ein Traumpaar, im nächsten Jahr sei alles vergessen. 

Dass ihre Beziehung zu Ende ist, erfährt sie fünf Wochen später aus den Medien: Der Fußballer war offenbar mit einer anderen Frau gesichtet worden. Noch am selben Tag soll er, so erinnert sie sich, ihrer besten Freundin eine Textnachricht geschrieben haben: „Was kann ich tun, damit sie ihren Mund hält?“

Die Berater des Spielers übernehmen die Kommunikation

Auf ihre Nachrichten und Anrufe habe er nicht mehr reagiert. Die Berater übernahmen die Kommunikation und rieten ihr, einen Verschwiegenheitsvertrag zu unterschreiben. Sie willigte ein. Sie habe das Gefühl gehabt, keine Wahl zu haben. Persönlich habe sie der Vertrag tief verletzt:  „Ich musste immerzu denken, wenn du mich kennen würdest, dann wüsstest du, dass ich die Letzte wäre, die einen Rosenkrieg anzetteln würde.“

Der Vertrag ist detailliert und macht konkrete Vorgaben: Im Falle eines Verstoßes drohen eine Strafzahlung in Höhe von 50.000 Euro und Schadensersatz-Forderungen. Auf Anweisungen ihres Anwaltes hin nimmt die Vereinbarung immerhin den engen Freundeskreis aus und Auskünfte vor Gericht. „Gegenüber Medienvertretern“ darf nur eines ausgesagt werden: „Dass sie liiert waren, nunmehr getrennt sind und eine schöne Zeit hatten.“ 

Heute sagt sie, hat sie den Eindruck, dass es darum ging, sie möglichst lange „ruhig zu halten“, um das Image ihres Ex-Partners nicht zu gefährden, der offiziell ja noch mit ihr liiert war. Gleichzeitig feierten die Medien bereits die neue Liebe des Fußball-Stars. 

Zugleich machten Gerüchte die Runde. Julia Meier und einem anderen Profi-Fußballer, einem Mannschafts-Kollegen ihres Ex-Partners, wurde im Jahr vor der Trennung eine Affäre nachgesagt, noch heute werde sie darauf angesprochen, sagt Meier. Dabei waren die Gerüchte offenbar aus der Luft gegriffen; zwischen beiden sei nie etwas gelaufen.

Spielerfrau: Das Gefühl, alles verloren zu haben

In einem Dokument, das CORRECTIV und SZ vorliegt, heißt es, der Teamkollege habe den Eindruck, dass die Geschichte lanciert wurde, um von seinen Affären abzulenken: „Aber ok, dass er über Leichen geht, habe ich inzwischen gelernt. Und die ganze Welt denkt, er ist der Saubermann“, sagt er in dem vorliegenden Dokument. „Egal wo ich hinkomme, beim Kicken sagen alle: Und wie war die Meier?“ Gemeint ist offenbar sexuell. Alle würden denken, dass die Gerüchte zuträfen: „Alle Fußballer denken es.“

Julia Meier sagt, sie habe sich damals keine großen Gedanken darüber gemacht. Ohnehin sei es ihr unmöglich gewesen, dagegen anzukommen, deshalb habe sie es ignoriert. 

Allerdings holten sie die Gerüchte ein, als er sich einige Monate später offen mit seiner Zweitbeziehung zeigte, obwohl er noch mit ihr zusammen war. Da war die Öffentlichkeit ganz auf seiner Seite: „Es war so, als würden sich alle für ihn freuen, nachdem er ja angeblich von mir betrogen worden war, hatte er jetzt endlich die große Liebe gefunden“, sagt Meier: „Dass er in Wirklichkeit mich betrogen und abserviert hat, hat niemand so gesehen. Ich war plötzlich nicht nur die Gehörnte, sondern die, die selbst beschissen hat.“

Sie habe das Gefühl gehabt, die Kontrolle über ihr Leben, ihre Identität und ihr Image zu verlieren. Sie habe sich geschämt und fand nur einen Weg: Den Rückzug aus der Öffentlichkeit. Sie sagt, es kam ihr vor, als sei ihr alles genommen worden. Zwei Jahre brauchte sie, um wieder Fuß zu fassen. „Inzwischen verstehe ich das alles besser“, sagt sie. „Es ging bei dem Ganzen nie um mich oder ihn persönlich, er war halt die Cashcow.“

„Du bist eben nicht über 20 Millionen Euro wert.“

Teresa Schwarz erlebte Gewalt und hat bis heute das Gefühl, ums Überleben zu kämpfen. Die mutmaßlichen Drohungen ihres Ex-Freundes und die juristischen Streitigkeiten mit ihm gehen ihr an die Substanz. Auch ihr wurde deutlich gemacht, wer von ihnen beiden zählt – und wer nicht.  Ein Berater ihres Ex-Freundes habe einmal zu ihr gesagt: „Du bist eben nicht über 20 Millionen Euro wert.“ 

Sie hat die Fassade lange aufrecht erhalten, ein Hochglanzbild, wie gemacht für Home Stories in der Gala oder der Bunten, er, der erfolgreiche Bundesliga-Spieler und sie, die schöne Frau an seiner Seite, ein Glamour-Paar, beliebt, aber bodenständig.

Die Fotos, die CORRECTIV und SZ vorliegen, passen nicht zu diesem Bild. Sie zeigen ihren Oberkörper, übersät von Prellungen und großen blauen Flecken.  

Sie und ihr Ex-Partner kamen sehr jung zusammen, er war talentiert, aber noch nicht erfolgreich. Quellen aus ihrem Umfeld bestätigen, dass sie versuchte, an der Beziehung zu arbeiten. Aber es scheint, als seien die Probleme vor allem ihr zugeschoben worden. 

Schwarz selbst kann nicht über ihre Beziehung sprechen. Ihr Ex-Partner äußert sich selbst nicht, seine Anwältin weist Vorwürfe von Gewalt und Bedrohung zurück.

Man kann aber ehemalige Freunde und Bekannte von Schwarz anrufen. Auf Anfrage schreibt eine frühere Kollegin: „Ich kann bestätigen, dass Teresa damals mit blauen Flecken und Prellungen zur Arbeit gekommen ist.“ 

Häusliche Gewalt: Häufige und laute Streits

Als das Paar sich zeitweise trennte, habe sie eine Weile bei ihr gewohnt. Eines Abends hätten sie einige Sachen aus der gemeinsamen Wohnung geholt. „Als wir fahren wollten, ist er unserem Auto hinterher gerannt und hat auf die Scheibe eingeschlagen.“ In dem Moment habe sie verstanden. 

Auch Schwarz’ früherer Chef sagt, er habe die Prellungen gesehen. Eine Freundin, die vorübergehend bei dem Paar lebte, erinnert sich an häufige und sehr laute Streits. Einmal habe sie am Morgen ein großes Hämatom an ihr gesehen. „Ich habe sie gefragt: Boah, wo hast du denn diesen riesen blauen Fleck her? Da hat sie nicht geantwortet.“ 

Auch ihre aktuelle Therapeutin hält die Angaben für „absolut glaubwürdig“. 

Auch zu den Eindrücken der Menschen in ihrem Umfeld wurde der Fußballer gefragt. Auch auf diesen Aspekt geht die Anwältin nicht ein.

Spielerfrauen gelten als schönes Beiwerk oder als Witzfiguren

Die MeToo-Debatte hat Strukturen von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt in vielen Bereichen aufgedeckt. Die Spielerfrauen erreichte die Bewegung bislang nicht: Finanzielle Abhängigkeit und die mediale Macht der Männer scheint die Frauen in eine unterlegene Rolle zu zwingen. 

Im Hintergrund scheinen häufig Geschäftsleute und Manager die Strippen zu ziehen: „Es ist oft so, dass die Berater die Anwälte besorgen“, sagt ein Therapeut, der bei Fußball-Vereinen tätig ist. „Sie suchen die Anwälte so aus, dass die auch gewinnen.“ Er habe mehrfach erlebt, wie betroffene Frauen auf „bösartige“ Weise aus dem Weg gedrängt worden seien.

Die frühere Lebenspartnerin eines Bundesliga-Spielers sagt, sie habe bei den Beratern ihres damaligen Freundes mehrmals auf Fälle von Gewalt hingewiesen. Aber die Männer hätten die Tatsachen verdreht und sich hinter ihren Partner gestellt. Schließlich sei ihr gesagt worden, sie solle sich untersuchen lassen, vielleicht habe sie eine psychische Störung: „Am Anfang waren sie beschwichtigend“, sagt sie. „Aber je deutlicher die Situation wurde, umso aggressiver wurden sie.“

In der Boulevardpresse tauchen Spielerfrauen meist nur in zwei Schablonen auf, als schönes Beiwerk der Spieler im besten Falle und im schlimmsten als Witzfiguren, ruhmsüchtig, sexy, oberflächlich. In vielen Fällen strotzen die Berichte vor Misogynie, auf dem Sportsender DSF beispielsweise gab es eine Show mit dem Titel: „Gschpusis, Ischen, Spielerfrauen“. 

In einer ungleichen Welt bietet die Justiz oft keinen Schutz.

Gewaltopfer kämpfen auch mit der Boulevardpresse

Viele Regionalzeitungen in Fußball-Hochburgen und Boulevardmedien sind auf exklusive Informationen aus der Fußballwelt und Interviews mit prominenten Spielern angewiesen. Wie der Fall von Kasia Lehnhardt zeigt, geht die Nähe von Journalisten, Spielern, Beratern und Vereinen für die Frauen mitunter schlecht aus. 

Vor allem die Bild erscheint hierbei in einem zweifelhaften Licht: Wie es der Anwalt Markus Hennig darstellt, habe Lenhardt von dem Boateng-Interview erst nach dessen Veröffentlichung erfahren: „Kasia wurde überhaupt nicht zu dem Interview angefragt“, für eine Konfrontation gebe es seines Wissens nach keine Belege. Das wären gravierende Verstöße gegen das Medienrecht. 

Ein Sprecher der Bild-Gruppe widerspricht dem: Bild habe Lenhardt „mehrfach angeboten“, sich zu äußern und vorab mit den Aussagen Boatengs konfrontiert. Näher geht der Sprecher nicht auf die Fragen dazu ein; er bittet um Verständnis, dass Bild sich nicht zu „Interna unserer Recherchen und redaktionellen Entscheidungen“ äußere.

In den Tagen nach dem Interview folgten immer neue, herabwürdigende Berichte, die Bild-Zeitung veröffentlichte private Sprachnachrichten von Lenhardt, eine „ehemals beste Freundin” erscheint und „packt aus“, auch ihre Schönheitsoperationen werden minutiös aufgelistet. Kasia äußerte sich da nicht mehr öffentlich. CORRECTIV und SZ liegt ein Mitschnitt von ihr in einem privaten Gespräch aus der Zeit vor, da sagt sie zu einem Bekannten: „Warum wurde sich nicht einfach getrennt? Wäre doch ok gewesen. Er hätte doch sagen können, ich war nicht mehr glücklich, ich habe sie nicht mehr geliebt.“

Wie der Bild-Sprecher mitteilt, werde das Interview inzwischen in dem Haus „neu bewertet“. Als der Beitrag erschien, war Julian Reichelt noch Chefredakteur. Sein Nachfolger Boie stuft die Sache nun offenbar anders ein: Als dieser vor Monaten von dem Wunsch der Familie nach einer Löschung erfuhr, habe Bild das Interview von der Seite entfernt. Bloß war der Text bis September trotz einer Rüge vom Presserat weiter online – „unbeabsichtigt“, schreibt der Sprecher und führt „technische Gründe“ dafür an. 

Alle weiteren Beiträge über Lenhardt sind noch auf der Bild-Website. Die Familie kämpft vor Gericht weiter um die Persönlichkeitsrechte ihrer verstorbenen Tochter. Der Prozess wird diesen November beim Berliner Landgericht fortgesetzt.

„Fußballer können den größten Skandal bringen, es wird vergessen“

Direkte Drohungen und Gewalt sind nur eine Form der Einschüchterung. Hinzu kommen Fälle von Hacking, die Veröffentlichung privater Details und Überwachung. 

Mehrere Quellen aus dem Umfeld von Lenhardt bestätigen, dass sie große Angst hatte. Kurz vor ihrem Tod telefoniert sie mit einem Bekannten, einem gemeinsamen Freund von ihr und Boateng. Er scheint sie davon abbringen zu wollen, an die Öffentlichkeit zu gehen – CORRECTIV und SZ ist der Inhalt dieses Gesprächs bekannt – es ist ein erschütternder Dialog, der zeigt, wie bedroht sie sich gefühlt haben muss.

Lenhardt sagt: „Ich habe jetzt hier ganz andere Kaliber, die mir viel mehr Sorgen machen. Mir versucht irgendjemand ein paar Kilo Koks unterzujubeln.“ Ihr Ruf sei ruiniert, „und Jérôme sagt die ganze Zeit, da ist noch mehr, und ich weiß nicht, was er meint.“

Ihr Gesprächspartner gibt sich verständnisvoll. Aber er lässt keinen Zweifel daran, dass sie besser klein beigibt, weil sie so oder so nur verlieren könne. Von Boateng dagegen werde die Sache schnell abperlen: „Der braucht in zwei Wochen ein Tor schießen, in zwei, drei Wochen woanders einen Vertrag unterschreiben, dann sind die Medien wieder anders gestimmt. Fußballer können den größten Skandal bringen, es wird vergessen.“

Für sie, Kasia Lenhardt, gelten offenbar ganz andere Gesetze: „Das soll jetzt nicht abwertend klingen, aber bei der Frau, bei der sagt man: Ist halt eine Spielerfrau.“

Spielerfrauen: Angst vor fingierten Drogenfunden und Hacking

Beunruhigend sind nicht nur diese Details, sondern auch, dass es Parallelen gibt: Zwei andere Frauen, mit denen CORRECTIV und SZ sprachen, geben an, ihr Ex-Partner drohe an, Drogen bei ihnen zu verstecken oder fingierte Skandalgeschichten über sie zu lancieren.

Mehrere Frauen befürchten außerdem, dass ihr Privatleben ausgespäht wird, die Rede ist von elektronischer Überwachung, bis hin zu Trackern, Wanzen, gehackten Tablets oder Spyware auf dem Telefon.

Für Lenhardt war das offenbar Realität, auch wenn es keinen Nachweis dafür gibt, wer die Täter waren. Boateng und sein Anwalt äußern sich zu Fragen hierzu nicht.

Schon vor der Trennung soll Lenhardt laut Aussagen aus dem Umfeld ihrer Familie das Gefühl gehabt haben, dass private Details von ihr ausspioniert und gegen sie verwendet würden. Private Sprachnachrichten von ihr landeten im Internet. Ein Screenshot von ihrem Snapchat-Konto zeigt ein sehr intimes, offenbar für private Zwecke gedachtes Nacktfoto von ihr, und dazu Nachrichten eines Unbekannten in krausem Deutsch, „du muss mit ein gefährliches Feind Respektvoll sein.“ Auch andere Nachrichten treffen bei ihr ein, in manchen versuchen anonyme Schreiber, sie mit angeblichen Drogenfunden zu erpressen. 

Auch von Sherin S. sind offenbar ohne ihr Wissen Gesprächsmitschnitte gemacht worden, die später im Internet landeten. Die Fälle weisen Ähnlichkeiten auf. Aber es gibt keine Beweise, dass Boateng damit etwas zu tun hatte. Die Täter sind unbekannt.

Profifußballer: Lauschangriff auf Gewaltopfer?

Sherin S. kam 2007 mit Boateng zusammen und bekam zwei Kinder von ihm, jahrelang lebten sie in einer On-Off-Beziehung. CORRECTIV und SZ liegen Mitschnitte von Gesprächen zwischen ihr und Boateng vor, in der sie sich abfällig über Kasia Lenhardt äußerte. Offenbar sind nur die beiden anwesend, später stellte sich heraus: Der Dialog wurde mitgeschnitten. Es ist unklar, wer dafür verantwortlich war. Fest steht: Die Audiofiles gelangten ins Internet, Stunden nachdem Boateng 2021 wegen Körperverletzung an S. verurteilt worden war. Ihre Aussagen wurden in Telegram-Gruppen gestreut, wo sich Unterstützerinnen von Lenhardt vernetzen – für die muss es so ausgesehen haben, als stachele Sherin S. Boateng an. Die Münchner Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen des Tatvorwurfs der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes auf. Diese sind noch nicht abgeschlossen. 

Ihrem Umfeld hat Sherin S. schon zuvor von ihrer Angst erzählt, dass sie überwacht würde. 2018 Jahren soll S. in ihrer Wohnung in Berlin eine Wanze in der Lampe über dem Bett gefunden haben, in der auch Boateng Zutritt hatte, so berichten Freundinnen später; ein Foto davon liegt vor. Anfang 2018 zeigte S. den Vorgang bei der Polizei an. Die Berliner Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen gegen Unbekannt auf und stellte sie einige Monate später wieder ein; teilt ein Sprecher mit: „Es konnte weder der von der Anzeigenden ausgesprochene Tatverdacht gegen ihren Lebensgefährten erhärtet werden, noch konnte anderweitig ein Tatverdächtiger identifiziert werden.“

Wie das Mikrophon in die Lampe gelangt ist, lässt sich nicht klären. CORRECTIV und SZ liegen aber Nachrichten vor, in denen Boateng gegenüber Sherin S. zumindest den Eindruck erweckt, dass er sie belauscht. Er behauptet, er habe sie und einen anderen Mann im Bett gehört. Sie bestreitet das, darauf antwortet Boateng: „Doch ich weiß alles. Jedes Detail“. Sie schreibt: „Jetzt lass mich einfach in Ruhe mit deinen Stories“. Boateng: „Ha ha ha ja blöd ne. Wenn man alles weiß. Zwinker-Smiley. Und gehört hat.“

Ehemalige Spielerfrau lebt heute unter ärmlichen Umständen

Manche Fußballer scheinen sich ihrer Machtposition bewusst zu sein und sie gezielt zu nutzen. „Da ist so eine Hybris“, sagt eine Anwältin, die eine ehemalige Spielerfrau in einem Verfahren wegen Körperverletzung vertritt: „Die fühlen sich unantastbar. Die lassen sich auch von den Ermittlungen einer Staatsanwaltschaft nicht beeindrucken.“

Die finanzielle Abhängigkeit der Frauen ist oft groß und erschwert die Versuche, sich juristisch gegen die Männer zu wehren. Solange es gut läuft, teilen sie den Reichtum an der Seite der Männer. Scheitert die Beziehung, fallen sie mitunter ins Bodenlose.

Bei Anna Berglund kommt vieles von dem zusammen, was auch die anderen Frauen berichten – Hassmails, Drohungen und Anzeichen, dass ihr Auto getrackt und ihre Computer gehackt wurden. Auch sie heißt eigentlich anders. Berglund, Anfang 40, lebt mit ihren Kindern in einem Trailer-Park in Kalifornien. An manchen Tagen, sagt sie, hat sie gerade 20 Dollar, um ihre Familie zu versorgen. „Ich habe alles über mich ergehen lassen, den Terror, die Verleumdungen“, sagt sie, „und ich habe mich nie geäußert, nirgendwo.“

Mit Kindern in Angst und Bange gelebt

Berglund hat nie einen NDA unterzeichnet – es gab andere Wege, sie unter Druck zu setzen. Ihr Ex-Mann war bei mehreren Bundesliga-Vereinen unter Vertrag, später spielte er im Ausland. Die Gewalt, sagt sie, habe sich vor allem gegen die Kinder gerichtet, er habe auf sie eingeprügelt, auch mit Schuhen. Sie selbst habe er mehrmals attackiert und gewürgt, sie sagt: „Wir haben im Grunde immer in Angst und Bange gelebt.“ 

Als sie ihn verließ, habe er sie aus dem Haus geworfen, ihr den Zugang zu den Konten und die Kreditkarten gesperrt. Bis heute soll er keinen Unterhalt gezahlt haben; im Moment helfe ihr ihre Familie finanziell aus, sonst sei sie mittellos.

CORRECTIV und SZ liegen Gerichtsdokumente vor, die einige ihrer Vorwürfe zu bestätigen scheinen. Demnach bestreitet er die Taten und erhebt auch Vorwürfe gegen sie. Die Kinder bestätigen laut eines Protokolls, dass die Gewalt von ihrem Vater ausgegangen sei. Berglund sagt, der Fußballer habe seinen Einfluss bei den Medien als Druckmittel eingesetzt.  „Er stellte sicher, dass wir wissen, dass er mehr Macht hat als wir“, schreibt sie in einer E-Mail an ihre Anwältin. „Er schrieb mir E-Mails, in denen stand, dass er schon mit allen Medien gesprochen habe, und dass sie ihm glauben, nicht mir.“

„Man sieht, dass es nichts bringt, wenn man sich wehrt“

Den Frauen, mit denen CORRECTIV sprach, wurde erst mit der Zeit klar, wie tief ihre Abhängigkeit geht. „Warum wir das alle akzeptieren? Man sieht, es bringt im Endeffekt nichts, wenn man sich wehrt“, sagt die Ex-Verlobte eines Fußballers, der während ihrer Beziehung bei einem großen europäischen Verein spielte. Sie kenne mehrere Spielerfrauen, die schlecht behandelt werden. „Für die Frauen ist das so: Die Männer geben dir alles. Und die Frauen wissen: wenn ich jetzt gehe, stehe ich da. Habe kein Handy, kein Haus, kein Auto. Dieses Gefühl hindert einen daran zu gehen.“ 

Auch sie hat noch mit ihrer Geschichte zu kämpfen. Ihr Ex-Freund, sagt sie, sperrte sie im Badezimmer ein, oft über Stunden, und ohne Grund. „Er sagte: Da ist eine Toilette. Da ist Wasser“, das Handy habe er ihr weggenommen. Das ertrug sie einige Jahre. Als sie sich schließlich trennte, stand sie mit fast nichts da, ihr Besitz passte in sechs Umzugskartons.

Spielerfrauen stehen extrem in der Öffentlichkeit und bleiben doch seltsam unsichtbar. Solange die Beziehung gut läuft, stehen sie neben ihren Männern im Scheinwerferlicht. Aber was geschieht, wenn die Fußballmärchen böse ausgehen, kommt meist nicht in die Öffentlichkeit.

Gewalt gegen Frauen: gezielter Einsatz von Verschwiegenheitsverpflichtungen?

Zum Teil scheint dahinter Kalkül zu stecken. Auch die Verschwiegenheitsverpflichtungen werden offenbar gezielt eingesetzt: In allen vorliegenden Fällen wurden den Frauen die Verträge genau dann vorgelegt, wenn Probleme auftraten oder Beziehungen scheiterten.

In den USA regt sich inzwischen Widerstand gegen die Verschwiegenheitsklauseln. Eine frühere Assistentin des Filmproduzenten Weinsteins, Zelda Perkins, hat eine Kampagne mit dem Titel „Du kannst mein Schweigen nicht erkaufen“ gestartet. Sie will ein Verbot erreichen. 

„Was diese Verträge bewirken, ist, dass den Leuten ihr Trauma nicht mehr gehört“, sagte Perkins dem britischen Sender ITV. 

Teresa Schwarz fragt sich öfter, ob sie ihr Leben je frei wird weiterleben können. In einem Schriftsatz ihrer Anwälte an das Jugendamt steht, dass ihre Tochter bei einer Therapeutin vorgestellt wurde, „weil sie nach den gewalttätigen Ausschreitungen des Kindsvaters an Albträumen litt“. Weiter heißt es in dem Schreiben: Der Kindsvater verübe „durch sein Verhalten sämtliche Tatbestände der familiären Gewalt“”.    

Die Anwältin des Spielers bestreitet die Vorwürfe, ohne in die Details zu gehen.

Mit ihrer Bitte um begleiteten Umgang ist Schwarz gescheitert, das Familiengericht konnte – trotz aller Hinweise – keine hinreichende Kindeswohlgefährdung erkennen. Sie sagt, das Gericht habe sie nicht zu der Gewalt befragt, vielmehr sei es viel um die sportliche Karriere ihres Ex-Freunds gegangen. Ihr dagegen sei nahegelegt worden, sich mit der Situation zu arrangieren. 

Ein Gewaltopfer verliert Glauben an die Justiz

Schwarz hat ihren Kindern beigebracht, die Polizei zu rufen. Sie sagt, so hätte es nicht laufen sollen. An dem Punkt gerät sie ins Stocken, sie weint. Es heißt oft, geschlagene Frauen wehren sich nicht und holen sich keine Hilfe. Schwarz hat sich praktisch von Anfang an beraten lassen, ist mit ihrem Ex zu Mediatoren, Betreuern und Therapeuten gezogen, hat seinen Berater eingeschaltet; in einem Fall soll sogar eine Zeugin dabei gewesen sein, als er auf sie losging – ohne ihr zur Hilfe zu kommen.

Nichts half, nichts wirkte; vielmehr habe sein Umfeld versucht, die Vorfälle bewusst gegen sie zu verwenden. Und mit der Zeit sei alles schlimmer geworden. „Es ist nicht nur er – es ist das System“, sagt sie. „Das sind Menschen, die unfassbar viel Geld mit ihm verdienen. Und wenn es einen Störfaktor gibt, dann wird der Störfaktor das Problem.“

Inzwischen hat sie auch den Glauben an die Justiz verloren. Teresa Schwarz sagt, sie fühlt sich nie wirklich sicher. Seit sie sich juristisch wehrt, eskaliere die Situation: Sie hat Gedächtnisprotokolle von Gesprächen angefertigt. Demnach bedroht er sie massiv, weil sie Anwälte, Jugendamt und Gerichtsvollzieher eingeschaltet hat. Ob das zutrifft, ist unklar. Auch zu diesen Frage äußern der Spieler und seine Anwältin sich nicht.

Sie hat seine angeblichen Aussagen minutiös über mehrere Seiten aufgeschrieben, offenbar im Wortlaut: „Antworte, dreckige Nutte, was habe ich dir getan,“ und: „Du bist nichts. Du machst nichts. Außer mein Geld ausgeben. Undankbares Stück.“

Als das Gespräch endet, schließt er mit einer Serie beunruhigender Sätze. „Du wirst sehen, was du davon hast“, soll er gesagt haben: „Warte ab. Warte ab. Ich würde mir Sorgen machen. Du wirst sehen. Ich sage dir eins: Das wirst du bereuen.“

Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt

Anonymer Chat & Informationen: https://www.hilfetelefon.de/
Telefonische Beratung: 08000 116 016
Bei akuter Gewalt wenden Sie sich an die Polizei: 110

Text und Recherche: Gabriela Keller, Maike Backhaus und Jean Peters, Art Direction: Belén Ríos Falcón (Design), Mohamed Anwar (Illustration), Redaktion: Justus von Daniels, Kommunikation: Anne Ramstorf, Luise Lange-Letellier.