Fußballdoping

WM 1966: DFB geht gegen Forscher vor

Sie schlussfolgerten, dass die Spieler „streng genommen“ gedopt gewesen seien. Eine Einschätzung, mit der der DFB offenbar nicht leben kann. Der Verband gab im Rahmen seiner „Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußballs“ umgehend ein Gutachten in Auftrag, zu dessen Kosten er auf Nachfrage keine Angaben machte. Der Jurist und Sportrechtsprofessor Martin Nolte beantwortete in dem Gutachten die Frage, ob Spieler gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen haben, mit einem klaren Nein. Er bestreitet zwar nicht, dass die Tests so ausgefallen sind wie von Andrejevic beschrieben. Entscheidend sei jedoch, dass den Spielern die im Jahre 1966 für einen Regelverstoß notwendige Absicht zur künstlichen Leistungssteigerung nicht nachzuweisen sei.Eggers: Gutachten des DFB unhaltbarMit Hilfe des Gutachtens übte der DFB im Folgenden Druck auf die Forscher aus. In Briefen an die Humboldt Universität und das Bundesinstitut für Sportwissenschaft als Auftraggeber der Dopingstudie verlangte der DFB, dass künftig nicht mehr von Dopingverstößen bei der WM 1966 gesprochen werden dürfe. Die Forscher selbst erfuhren von dem Gutachten erst Monate später.

von Daniel Drepper

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Alles dreht sich um einen Brief vom 29. November 1966, den Wissenschaftler der HU Berlin im Archiv des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV) entdeckt haben. Mihailo Andrejevic, damals Vorsitzender des Medizinischen Komitees der FIFA, berichtet DLV-Präsident Max Danz von seinen Erfahrungen mit den in England erstmals bei einer Fußball-WM angesetzten Dopingkontrollen. Alles sei gut gelaufen, schreibt Andrejevic. „Wir hatten nur zum Schluss bei der deutschen Mannschaft bei drei Spielern sehr feine Zeichen von der Einnahme gewissen Ephedrinmittels gegen Schnupfen, entdeckt.“ Und Ephedrin stand als Aufputschmittel auf der Liste der verbotenen Medikamente.

Darüber hatten zahlreiche Medien vor einem Jahr öffentlich berichtet. Sie schlussfolgerten, dass die Spieler „streng genommen“ gedopt gewesen seien. Eine Einschätzung, mit der der DFB offenbar nicht leben kann. Der Verband gab im Rahmen seiner „Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußballs“ umgehend ein Gutachten in Auftrag, zu dessen Kosten er auf Nachfrage keine Angaben machte. Der Jurist und Sportrechtsprofessor Martin Nolte beantwortete in dem Gutachten die Frage, ob Spieler gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen haben, mit einem klaren Nein. Er bestreitet zwar nicht, dass die Tests so ausgefallen sind wie von Andrejevic beschrieben. Entscheidend sei jedoch, dass den Spielern die im Jahre 1966 für einen Regelverstoß notwendige Absicht zur künstlichen Leistungssteigerung nicht nachzuweisen sei.

Eggers: Gutachten des DFB unhaltbar
Mit Hilfe des Gutachtens übte der DFB im Folgenden Druck auf die Forscher aus. In Briefen an die Humboldt Universität und das Bundesinstitut für Sportwissenschaft als Auftraggeber der Dopingstudie verlangte der DFB, dass künftig nicht mehr von Dopingverstößen bei der WM 1966 gesprochen werden dürfe. Die Forscher selbst erfuhren von dem Gutachten erst Monate später.

Der Sporthistoriker Erik Eggers, im Rahmen der Dopingstudie maßgeblich an der Causa „Ephedrin bei der Fußball-WM 1966“ beteiligt, hat das DFB-Gutachten nach Durchsicht vor wenigen Wochen als unhaltbar zurückgewiesen. Im Falle der drei deutschen Spieler handele es sich sehr wohl um „positive Dopingproben“. Eggers führt in einem Gegengutachten aus, dass es keine Rolle spiele, dass den Spielern kein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Zwar gebe es in der Tat erst seit 2004 die Regel, dass Sportler auch dann gesperrt werden können, wenn sie behaupten, von nichts gewusst zu haben. Aber selbst der Fußball liefere ein Gegenbeispiel: So wurde Diego Maradona während der WM 1994 wegen Ephedrin-Dopings gesperrt, obwohl er beteuerte, lediglich seinen Schnupfen bekämpft zu haben.

Wichtig für die Beurteilung der Ereignisse von 1966 sei, dass Amphetamine, also Aufputschmittel, damals im Sport sehr verbreitet waren. Es habe gute Gründe für die Einführung von Dopingkontrollen gegeben.

Sporthistoriker Eggers forscht seit Jahren zum Doping im Fußball der 50er und 60er Jahre. Er schreibt auf Anfrage, das Gutachten des DFB sei aus Sicht eines Historikers nahezu wertlos. „Wenn der Gutachter Martin Nolte als damaliger kommissarischer Geschäftsführer der NADA, die Beiratsmitglied ist, unseren Zwischenbericht zur Kenntnis bekommt und danach einen vermutlich gut dotierten Auftrag für ein Gutachten annimmt, dann setzt er damit nicht weniger als sein Renommee als unabhängiger Wissenschaftler aufs Spiel.“ Nolte hätte sich laut Eggers im Beirat äußern sollen, wenn er etwas zum Thema beizutragen gehabt hätte. „Das hatte er damals aber offenbar nicht.“

Keine Forschung im DFB-Archiv
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m DFB-Archiv haben die Berliner Forscher im Übrigen nicht geforscht. Der DFB habe für die Akteneinsicht verlangt, dass die Erkenntnisse vor der Veröffentlichung noch einmal vom DFB abgesegnet werden müssten. Das hatten die Wissenschaftler abgelehnt, weil sie es als Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft interpretierten. „So ist seriöse Forschung nicht möglich“, sagt Eggers. Der DFB bestätigt, dass die Forscher gebeten wurden, „eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, die besagt, dass das gesichtete Material nur zu Forschungszwecken verwendet werden darf“. Dies sei zwingend notwendig gewesen, da ja zuvor bereits die Geschichte mit der WM 1966 an die Öffentlichkeit gelangt sei.