Tierdiebe

Die Tierdiebe

In Deutschland hat sich ein engmaschiges Netz von Wilderern und Hehlern gebildet, das jährlich zehntausende Tiere illegal fängt und verkauft. Das Besondere: Es handelt sich nicht um exotische Arten wie Boas oder Papageien. Die Tierdiebe haben es auf heimische Arten abgesehen. Vom Finken bis zum Salamander – so gut wie jedes wild gefangene Tier findet einen Abnehmer. Ein Geschäft so lukrativ wie der Handel mit Elfenbein.

von David Schraven , Markus Frenzel , Bastian Schlange

Wilderer plündern die deutsche Natur. Bedrohte Arten werden zu einem Geschäftsmodell. Eine Recherche von CORRECTIV und Fakt© CORRECT!V

Wir von CORRECTIV finden dieses Thema wichtig. Weil es einen fast unbekannten Zusammenhang entlarvt. Nicht nur in fernen Ländern plündern skrupellose Geschäftemacher die Natur, auch hier mitten in Deutschland werden wildlebende, seltene, geschützte Arten gejagt und verramscht für den schnellen Profit. Und unsere Gesellschaft verliert die Vielfalt unserer Umwelt.

Zusammen mit dem ARD-Magazin FAKT haben wir eine Dokumentation zum Thema produziert. Eine Reportage, die einen exklusiven Einblick in eine bislang verborgene Szene liefert.

Filmtipp: Die Tierdiebe

Eine Dokumentation von CORRECTIV und FAKT

Mo, 03.08.15 | 22:00 Uhr | Das Erste

Fr, 07.08.15 | 03:40 Uhr | Das Erste

Wir enthüllen überraschendes: Selbst noch wenig bedrohte Arten wie Buchfinken, Pirole oder Eidechsen werden Opfer der Geschäftemacher. Es geht nur um leichtes Geld: 120 Euro für einen Kiebitz, 250 Euro für eine Sumpfschildkröte. Die Wilderer holen sich die Tiere aus der Umwelt, wie Flaschen aus dem Schnapsregal. Für streng geschützte Arten wie Schreiadler oder Bartgeier fallen gleich mehrere Tausend Euro an – ein illegaler Millionen-Markt.

Getrieben von ihrer Gier, bringen die Tierdiebe so immer mehr Arten an den Rand der Ausrottung. Aber: Die Behörden ermitteln so gut wie nie. Kommt es zu einem Verfahren, erhalten die Angeklagten – wenn überhaupt – meist relativ kurze Bewährungsstrafen.

Die Arbeit am Thema fing vor einigen Jahren an. Damals hat David Schraven einen besonders spektakulären Fall von Wilderei im Ruhrgebiet recherchiert. Ein Mann wurde verurteilt, weil er Schildkröten aus ganz Europa verramscht hatte. Das Ganze wurde als Einzelfall abgetan. Allerdings waren wir uns sicher, dass hier nur die Spitze des Eisberges sichtbar war. Es gab ein Geschäft mit Wildtieren – Deutschlandweit. Also fingen wir an zu suchen.

Die konkreten Recherchen zum Film haben vor gut einem Jahr begonnen, gedreht haben wir vor allem in den vergangenen acht Wochen. Zuerst mussten wir ein Gefühl für die Szene bekommen, sehen, wo sich Türen öffnen ließen und Legenden für unsere Undercover-Recherchen entwickeln. Diese gestalteten sich zum Teil sehr komplex. Allein beim CORRECTIV haben wir fast ein ganzes Jahr mit zwei Journalisten Zugänge und Strukturen zu den Netzwerken recherchiert. Von MDR-Seite hat ein Redakteur von FAKT ein dreiviertel Jahr mitrecherchiert. Unsere Ergebnisse werden wir am 3. August online veröffentlichen. Dann, wenn auch der Film gesendet wird.

Vor allem mussten wir unsere Recherchen durch Bilder belegen, was eine extreme Herausforderung war. Allein von den versteckten Kameras haben wir insgesamt 30 Stunden Material gedreht. Alles ziemlich aufwändig.

Wir mussten uns zudem in die Netzwerke einarbeiten. Das war kompliziert. Die Gruppen arbeiten hochgradig konspirativ. Wir mussten uns Tarnidentitäten zulegen. Zeitweise haben wir pro Person mit fünf verschiedenen Identitäten jongliert. Die Wilderer-Szene setzt sich aus Menschen zusammen, die sich mit großer Energie und Zeit einer Leidenschaft widmen und damit zum Teil enorme Expertise besitzen. Ein solches Wissen ist schwer in sechs Monaten oder einem Jahr zu erlangen. Wir mussten Legenden entwickeln, die auch jemanden glaubhaft erscheinen lassen, der vielleicht nicht auf Anhieb das Gefieder eines Buchfinken von dem eines Dompfaffs unterscheiden kann. Vor allem mussten wir aber dem großen Misstrauen begegnen, das in diesen konspirativen Kreisen gegenüber Fremden herrscht. Viele Informationen werden nur über persönliche Kontakte ausgetauscht. Wir haben gut ein dreiviertel Jahr gebraucht, um selbst zu Akteuren zu werden, die in der Szene akzeptiert wurden.

Unsere Recherche war ein nie enden wollender Hürdenlauf: Hatte man das eine Hindernis überwunden, stand man schon wieder vor dem nächsten. Je komplexer eine Legende ist, desto mehr Angriffspunkte bietet sie – Schwächen, die man vorher nicht sieht. Zum Teil mussten wir innerhalb weniger Stunden reagieren und komplette Stränge neu ausarbeiten und Ausfallpläne organisieren. Oft hatten wir das Gefühl, aufgeflogen zu sein oder mit unserer Recherche in einer Sackgasse zu stecken. Das Erfolgsrezept war dann weiterzumachen, solange zu bohren, bis man endlich durchbricht. Wir haben nicht aufgegeben.

Wir haben im Laufe der Recherche das Gefühl entwickelt, dass die deutschen Behörden bei der Wilderer-Problematik schnell wegsehen. Diese Form der Umweltkriminalität wird oft als Kleinigkeit abgetan. Oft sind die Strafen zu lax, es fehlt an geschultem Personal bei Justiz und Polizei. Trotzdem haben wir bei unserer Recherche sehr gute Mitarbeiter bei den Behörden kennengelernt, leidenschaftliche Menschen, die nicht nur mit ihrer Arbeitszeit hinter dem Artenschutz stehen und die viel riskieren, um diesen gut organisierten Netzwerken zu begegnen.

Allerdings fällt es Kriminellen leicht, durch Löcher in der staatlichen Kontrolle zu schlüpfen. Wildfänge werden scheinbar legalisiert und unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Schwarzmärkten verkauft. Und auch das wollen wir mit unserer Recherche deutlich machen: Wir reden bei der heimischen Tierwelt von einem Erbe, das für uns und für kommende Generationen bewahrt werden muss.

Wir sind der Ansicht, dass die Maschen im Netz enger gezogen werden müssen. Das geht über Personal, Geld und Gesetze. Und zwar auf allen Ebenen. Bei der Entnahme in der Natur, aber vor allem beim Handel.

Denn die Sammler im Markt bestimmen die Dynamik. Sie treibt eine Leidenschaft an, die schwer nachzuvollziehen ist. Für sie ist es eine Befriedigung ein Tier zu besitzen, dass in der Natur nur noch sehr selten vorkommt, wie ein Sammler, der Briefmarken oder Comichefte hortet. Nur sind Tiere etwas anders, es sind Lebewesen, die frei in der Natur leben sollten.

Es ist wie eine Sucht: Wer ein gewildertes Tier besitzt, will mehr davon haben. Die Dealer wissen das – und schlagen aus der Sucht ihren Profit.

Wir glauben, wer mit Wildfängen skrupellos wilde Arten bedroht oder sogar auslöscht, ist nicht nur ein eiskalter Verbrecher, er ist auch ein knallharter Geschäftsmann.


Wir laden zu einem exklusiven Preview unserer ersten Dokumentation ein.

Am 30. Juli zeigen wir den Film vorab in unserem Berliner Büro, Singerstr 109, 10179 Berlin.

Beginn ist um 19:00 Uhr.

Im Anschluss werden wir mit Tierschützern und Experten aus dem Bereich Artenschutz über die Wilderei in Deutschland diskutieren. Moderiert wir die Veranstaltung von CORRECTIV-Chefredakteur Markus Grill.

Im Anschluss an die Diskussion gibt es kalte Getränke.

Wir bitten um eine kurze Anmeldung per E-Mail an: events@correctiv.org