Türkei

Pressefreiheit: Erdoğan mag sie nicht – weder in der Türkei noch in Deutschland

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ die Werbetour für das anstehende Verfassungs-Referendum in der Türkei in Oberhausen starten. In seinem Namen warb dort der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım für die Einführung eines Präsidialsystems. Journalisten einiger kritischer Medien waren nicht zugelassen. Möglichst wenig sollte die „Ja“-Rufer stören. In der Türkei setzten Erdoğans Leute unterdessen schon in den vergangenen Tagen den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel fest.

von Stefan Laurin

© Stefan Laurin / correctiv.org

Beim Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım in Oberhausen zeigte die türkische Regierungspartei AKP erneut, dass sie nichts von Pressefreiheit hält. Vertretern mehrer Medien, darunter zwei Reportern von CORRECTIV, wurde der Zugang zur König-Pilsener Arena verweigert, in der Yıldırım für die Einführung eines Präsidialsystems mit diktatorischen Zügen warb.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Partei AKP machen seit Monaten klar, dass die freie Presse verabscheuen. Über 140 kritische Journalisten sitzen in der  Türkei in Haft. Mehr als in jedem anderen Land der Welt. Tausende Reporter sind darüber hinaus arbeitslos, weil Erdoğans Staat ihre Verlage und Sender schloss. Immer öfter bekommen auch ausländische Journalisten in der Türkei den Druck des Erdogan-Regimes zu spüren. Jüngstes Beispiel ist der Türkei-Korrespondent der Welt, Deniz Yücel, der nach einem Gespräch mit der Polizei in Istanbul festgehalten wird. Ihm wird „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen.

Beunruhigend ist nun, dass Erdoğans AKP und deren Handlanger wie die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) auch in Deutschland offen gegen Journalisten vorgehen.

Reporter ausgeschlossen

Auf der Veranstaltung des türkischen Ministerpräsident Binali Yıldırım in Oberhausen etwa wurde zwei Reportern von CORRECTIV der Eintritt verweigert, die für die Plattform #ÖZGÜRÜZ arbeiteten. Zudem durfte ein Journalist der taz die Halle nicht betreten. Reportern der Wochenzeitung Jungle World wurde schon im Vorfeld die Akkreditierung verweigert. Eine Reporterin des Redaktionsnetzwerks Deutschland beklagte, dass ihrem Übersetzer der Zutritt zur Halle verwehrt wurde. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland ist die zentrale Redaktion der Madsack Mediengruppe in Hannover. Sie bedient mehr 30 Redaktionen, darunter Leipziger Volkszeitung und Hannoversche Allgemeine.

Die kritischen Berichterstatter sollten offenbar nicht sehen, wie Yıldırım in Deutschland Deutsch-Türken auf die Einführung einer türkischen Präsidialdiktatur einschwor. In der Oberhausener Sport- und Veranstaltungshalle skandierte die aufgeputschten Masse immer wieder „Ja“, als Yıldırım die Deutsch-Türken aufforderte, Erdoğans Forderungen nach einem Präsidialsystem zu bejubeln.

Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) ist entsetzt über das Verhalten der AKP und ihrer Partnerorganisationen in der Türkei und in Deutschland. „Journalismus ist kein Verbrechen“, sagte Überalll dem CORRECTIV-Partnermedium ÖZGÜRÜZ und forderte auf einer Demonstration gegen Yildirim in Oberhausen die Freilassung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel. „Investigativer Journalismus mag manchmal anstrengend sein, aber Pressefreiheit ist ein wichtiges Gut“, sagte Überall.

Katrin Gottschalk aus der Chefredaktion der taz sagte bei Spiegel Online, die Zurückweisung des taz-Reporters verströme „den Geruch einer politischen Maßregelung“. Eine solche Behinderung journalistischer Arbeit sei „nicht akzeptabel, weder in der Türkei noch in Deutschland“. Die türkische AKP müsse lernen, dass Journalisten ihre Aufgaben, Fakten zu berichten und Meinungen zu hinterfragen, nicht zwangsläufig zum Gefallen des Berichtsgegenstandes erfülle.