Auskunftsrechte

Bundestag: Die Geheimniskrämer haben verloren

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes war eindeutig: Die wissenschaftlichen Gutachten des Bundestages müssen veröffentlicht werden. Jeder Bürger darf sie einsehen. Aber die Beamten versuchen weiter mit allen Mitteln, Transparenz zu verhindern

von David Schraven

© Ivo Mayr

Die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sind wichtig. Die Abgeordneten nutzen sie als Grundlage für ihre Entscheidungen. Oft sind es hervorragende Studien, wissenschaftlich begründet, zu relevanten Themen. Die Wissenschaftler in Diensten des Bundestags kommen etwa zu dem Schluss, dass die Vorratsdatenspeicherung, die PKW-Maut oder Obergrenzen für Flüchtlinge illegal sein könnten. Jeder, der sich für diese Themen interessiert, sollte diese Studien lesen können. Ideal wäre eine Online-Bibliothek mit allen etwa 4000 Gutachten.

Der Bundestag hat sich lange bemüht, die Gutachten geheim zu halten. Er ließ sich auf Herausgabe der Papiere verklagen. Und verlor vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Unter anderem versuchte die Bundestagsverwaltung, das Urheberrecht vorzuschieben. Das scheiterte krachend (BVerwG 7 C 2.14). Seither kann jeder Mensch jedes Gutachten zur Einsicht beim Bundestag anfordern und dann im Internet veröffentlichen.

Eigentlich könnte der Bundestag nun alle Gutachten digitalisieren und im Internet im Rahmen einer Online-Bibliothek zugänglich machen. Bei Bürger-Anfragen würde ein Link auf das Gutachten genügen. Das lehnt der Bundestag ab. Deshalb springt seit dieser Woche unser Kooperationspartner fragdenstaat.de ein. Über diese Seite werden die Gutachten zur Einsichtnahme beantragt und dann anschließend veröffentlicht. Ein großartiges Projekt.

Doch schon wieder versucht der Bundestag, Transparenz zu unterlaufen: Die Herausgabe jedes einzelnen Dokumentes wird so lange wie möglich hinausgezögert. Die Taktik scheint zu sein: Wenn nur langsam genug über die Flure geschlappt und jede Vorschrift möglichst ungünstig ausgelegt wird, wird schon keiner die Papiere haben wollen. Dienst nach Vorschrift und Filzpantoffeln.

Die Bundestagsverwaltung weigert sich nicht nur, alle Gutachten proaktiv in einer übersichtlichen und aktuellen Online-Bibliothek zu veröffentlichen, sie verweigert zudem die elektronische Bearbeitung der Anfragen und schließlich den elektronischen Versand der Gutachten. Sprich: auf Email-Anfragen werden Briefe verschickt: Ihre Anfrage ist eingegangen, sie wird bearbeitet. Später sollen, nach wochenlanger Bearbeitungsfrist, die Gutachten per Post verschickt werden. So tauchen sie langsamer im Internet auf, der Aufwand ist größer, wir Bürger können später von dem Wissen profitieren, für das wir mit unseren Steuergeldern bezahlt haben.

Zum Glück haben unsere Kollegen von fragdenstaat.de auch darauf reagiert. Über ein cleveres System kann dort jeder dabei mithelfen, die mittlerweile 4000 Gutachten anzufordern, die der Bundestag zwischen 2005 und 2015 erstellt hat. Und wenn die Bundestagsverwaltung dann irgendwann einmal die Gutachten per Post an die vielen Anfrager verschickt hat, können diese die Gutachten einscannen und an fragdenstaat.de versenden, wo die Kollegen schließlich die Bibliothek bauen, die eigentlich beim Bundestag entstehen sollte.

Die Gutachten werden also in jedem Fall veröffentlicht, das muss die Bundestagsverwaltung verstehen und einsehen. Entweder hilft sie nun mit, es zügig und gut zu machen, indem sie eine leicht zugängliche und durchsuchbare Online-Bibliothek einrichtet. Oder sie unterläuft die Transparenz für ein paar Wochen auf dem Dienstweg, blamiert sich, blockiert die eigene Arbeit und verschwendet noch Geld, das uns allen – den Steuerzahlern – gehört.

Eine kleine Über-den-Daumen-Rechung: Der erste Brief, die Antwort auf die Email, muss geschrieben, ausgedruckt, unterschrieben, eingetütet und verschickt werden. Macht pro Brief (inklusive Porto) etwa zwei Euro Kosten, konservativ geschätzt. Nach der Erstanfrage müssen etwa 4000 Briefe versandt werden. Macht 8.000 Euro.

Plus die Nachbearbeitung der Briefe: archivieren, abheften, vielleicht noch einen Brief schreiben, Telefonate und Nachfragen beantworten, das kostet mindestens noch mal zwei Euro pro Anfrage. Also weitere 8.000 Euro.

Dann müssen die Gutachten herausgesucht, kopiert und eingetütet werden. Das kostet je Gutachten mindestens eine Stunde Zeit, konservativ geschätzt. Beamtenstunden bei Informationsfreiheitsanfragen werden häufig mit 40 Euro berechnet. Macht also mindestens weitere 160.000 Euro.

Schließlich kommen die Gutachten in einen Briefumschlag mit einem Anschreiben und Porto. Das macht – konservativ gerechnet – noch einmal zwei Euro je Brief. Weitere 8000 Euro.

Das Unterlaufen der gesetzlichen Pflicht zur Transparenz kostet uns alle also mindestens 184.000 Euro. Eher mehr.

Zum Vergleich: Das Einstellen aller Gutachten in eine gut sortierte und aktuelle Online-Bibliothek würde vielleicht 5.000 Euro kosten. Wenn es die Beamten nicht selbst machen, vielleicht 10.000 Euro.

Es gibt also nicht nur inhaltliche Gründe, die für eine vollständige Veröffentlichung der Gutachten in einer Online-Bibliothek sprechen. Es ist auch viel billiger, macht weniger Stress und kommt gut an. Transparenz ist prima.

Noch kann der Bundestag die Niederlage in einen Sieg der Transparenz verwandeln.

Macht mit. Werbt dafür auf Twitter.

Der Hashtag: #FragDenBundestag