Artikel

Pharma-Zahlungen an Ärzte im Ruhrgebiet

Erstmals haben wir gestern die Namen von 20.000 Ärzten veröffentlicht, die im vergangenen Jahr Geld und geldwerte Vorteile von verschiedenen Pharmakonzernen bekommen haben. Unter den Top-Verdienern sind auch mehrere Ärzte aus dem Ruhrgebiet.

von Markus Grill

© Ivo Mayr

Bundesweit auf Platz eines der Liste steht Hans-Christoph Diener von der Klinik für Neurologie in Essen. Diener hat allein im vergangenen Jahr mehr als 200.000 Euro von verschiedenen Pharmafimen für Vorträge, Beratungshonorar, Spesen und Fortbildungen erhalten. Auf Platz zwei bundesweit steht immerhin noch ein Arzt aus Nordrhein-Westfalen: Jürgen Rockstroh aus Bonn, der 148.000 Euro bekommen hat. Bereits auf Platz der Top-Empfänger bundesweit steht wieder ein Arzt aus dem Ruhrgebiet: Dr. Michael Albrecht Nauck aus Bochum, der im vergangenen Jahr 128.000 Euro von Pharmafirmen bekommen hat.

Auf Platz sechs findet sich schließlich Stefan Esser vom Klinikum Essen mit 86.000 Euro, auf Platz acht folgt Thomas Behnke aus Neuwied, der sich im vergangenen Jahr über 67.000 Euro Zuwendungen freuen konnte. Danach folgen Ärzte aus Tübingen, Hamburg, München, Heidelberg und Berlin, bis dann auf Platz 23 wieder ein Arzt aus dem Ruhrgebiet auftaucht: Dr. Rudolf Schulte-Beerbühl, ein Dermatologe aus Dortmund, der im vergangenen Jahr 46.000 Euro erhielt. Erneut ein Arzt aus dem Klinikum Essen findet sich auf Platz 40 der bundesweiten Liste: Dr. Wilfried E. Eberhard, der 39.000 Euro bekam.

Dass diese Ärzte an der Spitze stehen, heißt nicht, dass sie deutschlandweit auch die meisten Zuwendungen bekommen haben. Sie sind nur die Ranglistenführer jener Ärzte, die sich freiwillig an der Initiative beteiligen.

Die größten Summen bleiben geheim

Insgesamt haben im vergangenen Jahr 71.000 Ärzte Zuwendungen der Pharmaindustrie für Vorträge, als Beratungshonorar, für Fortbildungen oder Spesen erhalten. Insgesamt gaben die Firmen für diese Dinge 119 Millionen Euro. Diese Gelder veröffentlichen die Firmen nur im Detail, wenn der betroffene Arzt zugestimmt hat.

Sehr viel mehr, genau 366 Millionen Euro, geben die Firmen als Honorar für Anwendungsbeobachtungen und Studien aus. Über diese Gelder will die Industrie aber nichts verraten: weder an wie viele Ärzte das Geld ging, noch welche Mediziner davon genau profitieren. Dabei sind gerade Anwendungsbeobachtungen besonders umstritten. Bei ihnen erhält ein Arzt meist mehrere hundert Euro pro Patient, wenn er ihm ein bestimmtes Medikament verordnet und anschliessend notiert, wie gut er das Präparat verträgt. Wissenschaftler wie Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), halten diese Studien für wertlos, weil sie keine Aussagen über Nutzen oder Schädlichkeit von Medikamenten zulassen.

Prof. Dr. Klaus Lieb, ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), nennt es enttäuschend, dass nur 29 Prozent der Ärzte einer Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt haben. „Transparenz sieht anders aus“, sagt Lieb. „Wir Ärzte haben bezüglich Interessenskonflikten einen blinden Fleck“, kritisiert der Mediziner. „Wir lassen uns von der Pharmaindustrie einladen und glauben dennoch, wir seien unabhängig.“


Mehr zum Thema:

Die Datenbank, in der jeder selbst nachschauen kann, ob sein Arzt Geld bekommen hat: