CORRECTIV.Ruhr

NRW-Wirtschaftsförderung mit Problemen

Die Wirtschaftsförderung des Landes NRW sorgte immer schon für Probleme. Nun hat der Landesrechnungshof NRW die Jahre 2008 bis 2013 untersucht und wieder Kritik vorgebracht. Der Sinn und Zweck der Millionenzahlungen sei nicht immer klar. Und etliche Standorte im Ausland seien nahezu wirkungslos.

von David Schraven

NRW.Invest. Mit Tischtennisschläger: Garrelt Duin (SPD), Wirtschaftsminister NRW (Zweiter von rechts)© NRW.Invest / Jan Tepaas

Der Landesrechungshof NRW hat erhebliche Missstände bei der Außenwirtschaftsförderung des Landes „NRW.International“ und der landeseigenen Wirtschaftsförderung „NRW.Invest“ festgestellt. Wie aus einer Anfrage des Recherchezentrums CORRECTIV.Ruhr hervorgeht, ist nach Auffassung des Landesrechnungshofes (LRH) „nicht gewährleistet“, dass die Überweisungen aus dem Landeshaushalt an die NRW.International ihren Zweck umfassend erfüllen. „Insofern liegt ein Verstoß gegen das in der Landeshaushaltsordnung verankerte Subsidiaritätsprinzip vor“. Bei der landeseigenen Wirtschaftsförderung NRW.Invest wurden neben einem Beratervertrag auch die Auslandsaktivitäten und die Vergabe eines Werbevertrages kritisiert. Der Rechnungshof hatte die Finanzen der Wirtschaftsförderung von 2008 bis 2013 untersucht.

Die NRW.International gehört zu gleichen Teilen der Vereinigung der NRW-Industrie- und Handelskammern, dem Westdeutschen Handwerkskammertag und der NRW.Bank. Das Unternehmen soll seit November 2006 die Außenwirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen koordinieren. Dafür bekommt die Firma jedes Jahr etwa 2,3 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt.

Zielerreichung kaum nachprüfbar

Laut LRH besteht der Verdacht, dass NRW.International Mittel aus dieser Millionenschweren institutionellen Förderung in andere Bereiche umgelenkt hat, die nicht gefördert werden dürften. „Es ist weder nachgewiesen noch nachprüfbar“, ob die Ausgaben alle korrekt abgewickelt wurden. Eigentlich sollen mit den Millionen Außenwirtschaftskampagnen und Unternehmereisen gefördert werden. Sowie eine Plattform zur Außenwirtschaftsförderung. Alles mit einem einzigen Ziel: Aufträge und Arbeitsplätze nach NRW zu holen. Tatsächlich aber wird das Geld in den Kernhaushalt der NRW.International eingespeist. Und was dort mit dem Geld passiert, ist nach Ansicht des LRH nicht nachvollziehbar.  Statt einer institutionellen Förderung wäre daher laut Rechnungsprüfer eine Projektbezogene Förderung sinnvoller, um Missbrauch zu vermeiden und eine transparente Buchführung zu gewährleisten.

Quersubventionen?

Der LRH kritisierte in seiner Prüfung auch die Zusammenarbeit der NRW.International mit anderen Unternehmen der NRW-Außenwirtschaft. So habe eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.Invest in Japan, die NRW Japan KK, für die NRW.International gearbeitet – ohne diese Arbeiten abzurechnen. „Es besteht die Gefahr einer unerlaubten Beihilfe“ der Handels- und Handwerkskammern, sagt der LRH.  Die NRW Japan KK kostet das Land im Jahr etwa 700.000 Euro. Das verantwortliche Wirtschaftsministerium  weist die Kritik der Prüfer zurück: Die Arbeit NRW Japan KK habe allenfalls in geringem Umfang für die Gesellschaft der Handels- und Handwerkskammern gearbeitet. Außerdem habe es ähnliche Deals seit Jahren nicht mehr gegeben.

Weiter kritisierte der LRH, dass die NRW.International bei den Messen EXPOSIBRAM und Ecwatech zudem nicht nur Klein- und Mittelunternehmen gefördert, wie es erlaubt und gewünscht ist, sondern auch Großkonzerne mitfinanzierte. Etwa im Jahr 2012 den Auftritt von Lanxess Deutschland und Salzgitter Mannesmann in Moskau. Oder im Jahr ein Gastspiel von ThyssenKrupp in Brasilien. Ausgaben des Landes für die Messeauftritte seien den Konzernen nicht vollständig in Rechnung gestellt worden, kritiseren die Prüfer. Die beiden Gastspiele in Moskau und Brasilien kosteten insgesamt rund 300.000 Euro, wovon etwa 120.000 Euro den Firmen in Rechnung gestellt wurden.

Wirkungslose Repräsentanzen

Neben Japan gerieten auch andere Niederlassungen der NRW-Außenwirtschaft in den Fokus der Rechnungsprüfer. Die Repräsentanzen der landeseigenen Wirtschaftsförderung NRW.Invest in Indien, den USA und Südkorea seien beispielsweise über Jahre unterhalten worden, ohne dass es wesentliche Erfolge gab. Arbeitsplätze in NRW seien nicht entstanden. Das vernichtende Urteil der Rechnungsprüfer: „Bei der Finanzierung einzelner Auslandsvertretungen wurden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht beachtet“. Anders ausgedrückt: außer Spesen nichts gewesen. Das NRW-Wirtschaftsministerium entgegnet: zumindest aus den USA hätten sich die Investitionen in NRW erhöht. Die Staaten seien der zweitgrößte Investor im Land.

Beratervertrag für Pensionär

Auch bei den Auftragsvergaben erkannten die Prüfer Mängel. Einem führenden Mitarbeiter der landeseigenen Wirtschaftsförderung NRW.Invest, der im Jahr 2013 in den Ruhestand ging, wurde ein Beratervertrag über zwei Jahre im Wert von insgesamt 40.000 Euro gegeben, für den die Prüfer keinen Grund und keinen Bedarf erkennen konnten. Das Wirtschaftsministerium weist die Kritik der Prüfer zurück. Man habe auf das Fachwissen des ausgeschiedenen Mitarbeiters nicht verzichten wollen. Das Ministerium verschweigt den Namen des Luxuspensionärs auch auf wiederholte Nachfrage. Ähnliche Fälle habe es bei der NRW.Invest aber nicht gegeben.

In einem weiteren Fall kritisierten die Prüfer einen Beratervertrag zur strategischen Kommunikation mit der Firma PR Berater in Köln im Wert von rund 800.000 Euro. Für diesen Auftrag habe es keine ordentliche Dokumentation der Bedarfsanalyse gegeben. Anders gesagt: Es wurde nicht festgehalten, wozu man den Auftrag überhaupt braucht. Die PR Berater in Köln haben die „bedarfsgerechte“ Kommunikation der NRW.INVEST übernommen. Auch hier wendet sich das Wirtschaftsministerium gegen die Prüfer. Es habe eine Bedarfsermittlung gegeben und der Auftrag sei regelgerecht vergeben worden. Nur die Dokumentation der Bedarfsermittlung sei nicht perfekt gewesen.

Arge Geschichte

Die festgestellten Mängel haben eine besondere politische Bedeutung: Immer wieder gerieten in der Vergangenheit die Wirtschaftsförderungsgesellschaften des Landes in Skandale. Die frühere Gesellschaft für Wirtschaftsförderung NRW mbH (GfW) wurden im Jahr 2003 sogar Gegenstand eines Untersuchungsausschusses des Landtages NRW. Dort hatte ein Vertrauter des damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (damals noch SPD) Werbe- und Kommunikationsaufträge im Wert von über 6 Millionen Euro erhalten – ohne ordentlich dokumentierte Ausschreibung. Der Clement-Freund sollte das Image von NRW aufpolieren.

Die NRW.Invest wird heute vom NRW-Wirtschaftsministerium unter Garrelt Duin (SPD) gesteuert und von einem Aufsichtsrat unter dem Vorsitz eines Wirtschaftsstaatssekretär kontrolliert. Mit im Aufsichtsrat sitzen Vertreter der Landtagsfraktionen und der NRW.International. Die breite Aufsicht soll eigentlich sicherstellen, dass kein Schindluder im Auslandsgeschäft getrieben wird.

Geschäftsführerin der NRW.Invest ist seit 2001 Petra Wassner. Die NRW.International wird seit 2007 von Almut Schmitz geleitet.

Weder Wassner noch Schmitz antworten auf eine Anfrage. Sie verwiesen auf das Wirtschaftsministerium. Dort nahm Torsten Burmester, Leiter der Zentralabteilung, wie oben zitiert Stellung.