CORRECTIV.Ruhr

Das Revier der Hunde

Das Ruhrgebiet verliert Einwohner. Dafür wächst ist in den vergangenen Jahren die Population der Hunde. Die Kommunen profitieren. Sie kriegen mittlerweile mehr Geld aus der Hundesteuer – als aus der RWE-Dividende.

von David Schraven , Stefan Laurin

© Ein Kläffer von Jörg Kantel unter Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Diese Geschichte beginnt in einem Stadtpark. Hier kacken die Hunde hin. Früher waren es vereinzelte Haufen. Jetzt kann man manche Strecken kaum noch entlanglaufen, so sehr stinkt der Hundekot. In einigen Wäldchen sind heute mehr Hunde zu finden, als Spaziergänger. Kinder sieht man in betroffenen Parks kaum noch in den Büschen spielen, dafür Wauwaus unangeleint Kaninchen jagen. Nicht nur weil es immer weniger Kinder im Ruhrgebiet gibt und die verbleibenden lieber an der Playstation sitzen, sondern auch, weil Kinder in den Büschen Angst vor den heran tobenden, bellenden und hoch springenden Hunden haben. Hunde sind allgegenwärtig.   

In manchen Freibädern gibt es bereits Hundebadetage. An diesen Tagen dürfen keine Kinder mehr ins Bad – egal wie schön das Wetter ist. Dann sind die Hunde dran. Uns erinnert das Ganze an das alte Sprichwort: Das letzte Kind hat immer ein Fell.

Wir haben uns nun gefragt, ob das nur subjektive Wahrnehmungen sind, oder ob sich dieser Eindruck auch anhand von Zahlen beweisen läßt.

Und tatsächlich: In allen Städten, die wir befragt haben, ist ihre Zahl der Hunde in den vergangenen Jahren stark gestiegen:     

In Dortmund, Duisburg und Essen kamen 5000 Hunde dazu. Im wesentlich kleineren Bottrop immer noch fast 2000.

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Die Quote Hund zu Mensch ist in allen Städten nahezu gleich. Auf zwanzig Einwohner im Ruhrgebiet kommt durchschnittlich ein Hund. Vor ein paar Jahren war es im Schnitt noch ein Hund auf rund 25 Leute.  

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Da die Größe der Wohnungen nicht entsprechend mitgewachsen ist, kann man davon ausgehen, dass etliche Hunde in kleinen Wohnungen hausen und in den immer gleichen Grünanlagen Auslauf bekommen, um dort zu abzukoten. Glücklicherweise machen mittlerweile schon viele Leute den Dreck ihrer Tiere weg – leider noch nicht alle.

Mit der Zahl der Hunde stiegen auch die Steuereinnahmen der Kommunen. Mittlerweile sind die Hunde und ihre Besitzer zu einer echten Einnahmequelle für die Stadt geworden. Sie spülen mehr Geld in die Stadtkassen als die Beteiligungen an RWE. Der Stromgigant hatte zuletzt seine Dividende für welche die Ruhrstädte und alle anderen Aktionäre gestrichen.

Dortmund rechnet mittlerweile mit 4,2 Millionen Euro Einnahmen aus der Hundesteuer. Das arme Gelsenkirchen mit 1,4 Millionen Euro.

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Interessant wird es, wenn man die Steuereinnahmen auf die Einwohner umrechnet. Da gibt es große Unterschiede. Am meisten Geld macht Mülheim mit legal gemeldeten Hunden. Auf jeden Einwohner umgerechnet, bekommt die Stadt 8,19 Euro Hundesteuer. Da lohnt sich die Felltiersucht für die Gemeinde. Abgeschlagen dagegen ist Gelsenkirchen. Die Stadt bekommt gerade mal 5,38 Euro Hundesteuer je Einwohner. Da könnte am Steuerrad gedreht werden.

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Erstaunlicherweise werden die Probleme der Menschen mit den Hunden im Ruhrgebiet nicht größer. Sondern eher kleiner. Beim Joggen hat man subjektiv nicht das Gefühl häufiger angesprungen zu werden. Eher seltener. Der Grund liegt wohl darin, dass heute nicht mehr jeder, der gerne möchte, mit einem großen Hund durch die Gegend laufen darf.

Wer in Nordrhein Westfalen einen Hund mit einer eine Widerristhöhe von über 40 Zentimetern oder ein Gewicht von über 20 Kilogramm besitzen möchte, muss einen Sachkundenachweis vorlegen. Die Widerristhöhe wird im Nacken gemessen. Einen Sachkundenachweis bekommt nur, wer belegen kann, dass er sich mit Hunden auskennt. Der Hund muss mit einem fälschungssicheren Mikrochip gekennzeichnet und haftpflichtversichert werden. In der Sachkundeprüfung muss der Besitzer zeigen, dass er weiß, dass sein Hund Raubtiergene hat, und an wen er sich wenden sollte, wenn er Probleme mit seinem Riesen bekommt. Weil er nicht gehorcht etwa.

Tatsächlich sieht man in den Grünanlagen häufig Menschen-Gruppen in Rudeln in Gehorsahmskursen mit ihren Tieren zusammenstehen. Dort sollen sie lernen nicht wegzurennen oder wenigstens auf Kommando wiederzukommen.

Tatsächlich bringen diese Maßnahmen etwas: Die Zahl der gemeldeten Bissunfälle ist in fast allen Städten rückläufig. In Bottrop wurden im vergangenen Jahr nur 12 angezeigt. Im jahr 2006 waren es noch 58. In Bochum ging die Zahl von 57 im jahr 2006 auf 30 im vergangenen Jahr zurück. Fast nur in Essen und Dortmund stieg die Zahl der Beißereien an. In Dortmund von 23 auf 34 im Jahr. In Essen von 36 auf 68. Insgesamt ist die Zahl der gemeldeten Hundebisse sehr gering.

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Auch hier wird es erst richtig interessant, wenn man die Bisse auf Einwohner umrechnet. So wird statistisch gesehen einer von 5.400 Menschen in Duisburg gebissen, aber nur einer von 38.000 in Herne. Durchschnittlich gesehen muss etwa jeder 12.000ste Mensch im Revier damit rechnen gebissen zu werden.

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Fazit:

Was bleibt ist der Kotgestank und die Bellerei. Doch wenn Menschen sich Hunde in ihren Etagenwohnungen wünschen, werden wir damit wohl klarkommen müssen.