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Die Zukunft findet in Bottrop statt

In Bottrop gibt es das größte FabLab des Ruhrgebiets. Wer mag, kann hier mit 3-Druckern, Lasercuttern und selbst programmierten Computerchips die Technik von morgen entwickeln. Ein Computer gesteuertes Gewächshaus? Musikinstrumente aus dem Drucker? Alles gar kein Problem.

von Stefan Laurin

© Laurin/Correctiv.Ruhr

Janis hat mehrere Chipsätze zusammengesteckt und an seinen Computer angeschlossen. Konzentriert arbeitet der 15-jährige Schüler aus Bottrop daran, sie zu programmieren. In ein paar Wochen will er mit seinem Projekt abgeschlossen haben, denn dann beginnt die Wachstumsperiode: „Ich arbeite an einem System, um mein Gewächshaus zu steuern. Wenn ich fertig bin, liefern mir Sensoren Daten über die Luft- und Bodentemperatur und die Luftfeuchtigkeit. Wenn es zu warm ist, kann ich dann vom Computer aus ein Fenster öffnen lassen.“ Denn auch hydraulische Fensteröffner werden an Janis System angeschlossen sein.

Janis kommt jeden Mittwoch ins FabLab an der Hochschule Ruhr West in Bottrop, um an seiner Gewächshaussteuerung zu arbeiten. Und er ist nicht alleine: 20 bis 30 Menschen – junge, alte, Studenten – treffen sich hier einmal in der Woche, um eigene Ideen mit modernster Technik Wirklichkeit werden zu lassen. Hier gibt es das größte FabLab des Ruhrgebiets. Kleinere gibt es auch in Lünen und Essen.

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Der 15-jährige Janis arbeitet an seiner Gewächshaussteuerung.

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Was ist ein FabLab?

Unter dem Namen Fablab, die Abkürzung für fabrication laboratory,  haben sich weltweit  über 1000 kleine „Fabrikationslabore“ zusammengeschlossen. Modern ausgerüstete High-Tech-Werkstätten mit 3-D-Druckern, Lasercuttern, mit denen Kunststoff oder Holz zugeschnitten werden kann und Stationen, an denen Mikrochips selbst hergestellt werden können. Entstanden ist die Idee der FabLabs am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der besten technischen Hochschulen der Welt Anfang des letzten Jahrzehnts.

Michael Schäfer, Professor an der Hochschule Ruhr West, startete das Bottroper FabLad 2011. Erst nur für Studenten der Hochschule zugänglich, öffnete es sich Ende 2015 für alle Interessierten. „Die Idee des FabLabs ist“, sagt Marcel Kellner, der das Bottroper FabLab organisiert, „dass die neuen Produktionstechniken wie der 3-D-Drucker für die Gesellschaft zugänglich gemacht werden sollen.“

Den 3-D-Druckern gehört die Zukunft

Seit Jahren sind sich Experten darin einig, dass 3-Drucker die Wirtschaft so verändern werden, wie es zuletzt der Personal Computer tat. Vieles wird man in Zukunft vor Ort selbst herstellen können: Werkzeuge, Ersatzteile, Spielsachen oder Kunstgegenstände können gedruckt oder von Maschinen wie Lasercuttern und computergesteuerten Fräsen ausgeschnitten oder geformt werden.

„Bei uns im Labor ist jeder von sieben bis 70 willkommen“, sagt Kellner und vergleicht das FabLab mit den Computertreffs aus der Frühzeit der PC-Ära: „Damals haben sich auch die Menschen getroffen, die sich für Computer interessierten und miteinander an diesen spannenden neuen Geräten gebastelt. Dasselbe passiert heute bei uns und in den anderen FabLabs.“   

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Im FabLab ist jeder willkommen – egal wie alt. Nur Ideen muss er mitbringen.

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Denn auch wenn die Preise für 3-Drucker gefallen sind, billig sind gute Geräte immer noch nicht. Über 1500 Euro kostet einer der Drucker die im FabLab stehen. Preiswert genug, um sie in einer größeren Gruppe zu nutzen; noch viel zu teuer, um sie auf dem Schreibtisch stehen zu haben und alle paar Wochen mal in Gang zu setzen. Geräte wie der  Lasercutter kosten sogar mehrere Tausend Euro. Da ist es vernünftig, eine solche Maschine mit mehreren Anwender gemeinsam zu nutzen.   

Spaß daran, Ideen Wirklichkeit werden zu lassen

„Unser Ziel ist es, das FabLab jeden Tag für alle zu öffnen, aber soweit sind wir noch nicht“, sagt Robert Reichert, der die Besucher betreut. Nach einer kurzen Einweisung kann mit der Arbeit begonnen werden. Die allerdings findet nicht nur im FabLab statt: „Alle unsere Geräte laufen mit Sketch, einer kostenlosen Software. Viele entwerfen ihre Projekte zu Hause am Computer, machen dann hier noch die Feinarbeiten und dann werden aus den Ideen hier im Labor fertige Produkte.“

Oft findet der erste Kontakt über die Schule statt, erzählt Reichert: „Zu uns kommen ganze Klassen mit ihren Lehrern, um sich das FabLab anzuschauen. Später tauchen dann oft die Schüler wieder im Lab auf, von denen wir das am wenigsten erwartet hätten und werden dann zu Stammgästen.“ Viele Jugendliche müssten erst einmal Hemmungen überwinden, wieder zu „basteln“, sagt Reicher: „Die meisten haben damit in der Grundschule aufgehört und ihr Gefühl für die unterschiedlichen Materialien verloren. Wir helfen ihnen, den Spaß wieder zu finden, den es macht, selbst etwas zu bauen, eine Idee Wirklichkeit werden zu lassen.“

Die Ukulele aus dem 3-D-Drucker

An einer solchen Idee arbeitet auch Frederik Sandner. Sandner studiert an der Hochschule Ruhr West Mensch-Maschine-Interaktion. Im FabLab hat er begonnen, Musikinstrumente herzustellen. Einige Teile seiner Ukulelen aus Holz werden im Lasercutter ausgeschnitten, andere im 3-Drucker aus einer Mischung aus Kunststoff und Holz gedruckt. „Eine meiner Ukulelen kostet in der Herstellung 20 bis 30 Euro. Für das Geld bekommt man im Laden nur ein Plastikmodell, das nicht annähernd so gut klingt.“

Doch dem Studenten geht es nicht darum, Instrumente billiger herzustellen: „Mein Ziel ist es, Instrumente individuell für Menschen mit Behinderungen zu bauen. Ich will Instrumente herstellen, die man zum Beispiel mit einer Hand bedienen kann und damit das klappt, müssen sie für jeden Musiker maßgeschneidert werden.“ Was auf traditionelle Art und Weise sehr teuer wäre, sagt Sandner, ließe sich mit dem Maschinenpark eines FabLabs schnell und preiswert herstellen.

Eine neue Generation von Gründern

Drei FabLabs gibt es zur Zeit in Nordrhein-Westfalen: Neben dem in Bottrop an der Hochschule Ruhr West in Bottrop, noch je eins an der Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort und der RWTH-Aachen. Das Land hat die Chancen erkannt, die in den FabLabs stecken und unterstützt sie im Rahmen  des „3D-Kompetenzzentrums Niederrhein“ mit 3,3 Millionen Euro. Das macht Sinn:  Hier könnte eine neue Generation an Technologiegründern heranwachsen und auch wenn daraus nichts werden sollte, ist es gut, Menschen für Technik zu begeistern und ihnen die Möglichkeit zu geben, eigene Ideen umzusetzen.

Denn fast jeder gute Ingenieur war lange bevor er zur Uni ging ein Bastler wie Disneys Daniel Düsentrieb, der versuchte die Welt, nicht nur zu verstehen, sondern nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Anmerkung: In einer früheren Version stand, dass Bottrop das einzige FabLab im Ruhrgebiet sei. Richtig ist, es ist das größte.