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Unterrichtsausfall – der Check: Alarm in Arnsberg

Bei der Bezirksregierung Arnsberg herrscht Alarmstimmung. Der Unterrichtsausfall-Check, mit dem die Ruhr Nachrichten und das gemeinnützige Recherchenetzwerk Correctiv die Zahl der ausfallenden Unterrichtsstunden an Dortmunder Schulen für den März ermitteln wollen, hat Nervosität in der Behörde ausgelöst.

von Ulrich Breulmann (Ruhr Nachrichten)

© Charlotte Hintzmann

Nur nach mehrmaligen Rückfragen und einem Hinweis auf die Auskunftspflicht der Behörde beantwortete Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung, am Freitag die Fragen unserer Redaktion zu einem Brief der Bezirksregierung. Dieses Schreiben an die Schulleiter in Dortmund, so bestätigte Söbbeler, hat die Regierungspräsidentin nach Bekanntwerden des Projekts initiiert. Unterschrieben ist es von der Leiterin der Schulabteilung der Bezirksregierung.

In diesem Brief, so Söbbeler, informiere die Bezirksregierung die Schulleitungen über das Projekt und stelle ihnen frei, sich zu beteiligen oder nicht. Zudem bitte sie die Schulleitungen, im März intern die Vertretungspläne genau zu dokumentieren. Eine irgendwie geartete Anregung, im März darauf zu achten, dass besonders wenig Unterricht ausfalle, enthalte der Brief nicht.

Bezirksregierung hält Brief zurück

Söbbeler war bisher nicht bereit, der Redaktion eine Kopie des Briefes zukommen zu lassen. Im Übrigen, so Söbbeler, sei es den Schulleitungen freigestellt, sich gegenüber den Medien zu dem Projekt zu äußern oder Anfragen an die Bezirksregierung weiterzuleiten. Damit widerspricht er mehreren Schulleitungen, die uns ausdrücklich das Gegenteil berichteten.

Vom 1. März bis zum 17. März fielen an Dortmunder Schulen 2751 Unterrichtsstunden aus. So viele wurden zumindest bis zur Halbzeit beim bundesweit einmaligen Unterrichts-Check gemeldet, den diese Zeitung und das Recherchenetzwerk CORRECTIV betreiben. Bei diesem Check können Lehrer, Schüler und Eltern über eine Online-Plattform Stunden melden, die nicht planmäßig unterrichtet wurden. 470 Helfer machen bisher mit. Bis 31. März wird weitergezählt. Die meisten Ausfälle wurden in Deutsch (366), Englisch (310) und Mathe (251) gemeldet. Bei den Schulformen führen die Gymnasien (1171) vor Gesamtschulen (521) und Realschulen (201).

So sagte Ute Tometten, Leiterin des Max-Planck-Gymnasiums, in dieser Woche unserer Zeitung auf die Frage zu einem konkreten Unterrichtsausfallthema: „Ich bin aber angewiesen, da nichts zu zu sagen.“ Eine ganz andere Offenheit mit dem Unterrichtsausfall-Check empfiehlt Rüdiger Käuser. Er ist Oberstudiendirektor, Leiter eines Gymnasiums in Siegen und seit 2009 Vorsitzender der Westfälisch-Lippischen Direktorenvereinigung. Die vertritt die Interessen der Leiter von rund 300 Gymnasien in Westfalen – und damit auch der Dortmunder Gymnasien.

Die Details sind wichtig

„Unterrichtsausfall ist ein Thema. Wir dürfen es nicht kleinreden, aber wir müssen auch genau hinschauen, warum eine Stunde nicht erteilt wird“, sagte Käuser gestern unserer Zeitung. Da gebe es die Vorgaben des Landes, die etwa Berufsinformationstage vorschrieben. „An diesen Tagen fällt normaler Unterricht natürlich aus.“ Dafür gebe es aber ein anderes, möglicherweise wertvolleres Lehrangebot. Gleiches gelte für Exkursionen oder Klassenfahrten.

Um Unterrichtsausfall qualitativ richtig zu bewerten, müsse man ins Detail gehen. Das aber könnten Lehrer und Schulleiter am besten selbst. Deshalb rate er Schulleitern und Lehrern, sich an dem Projekt zu beteiligen und zu einer qualifizierten Auswertung abseits populistischer Parolen beizutragen. Was die Darstellung der Landesregierung angeht – danach fallen rund 1,8 Prozent Unterricht aus, was viele Schulexperten für zu niedrig halten – zeigt sich Käuser pragmatisch: „Die 1,8 Prozent kann man mit der richtigen Definition problemlos hinkriegen, aber auch eine 1,5 oder 3 oder 5 – das ist doch eine reine Frage, wie ich Unterrichtsausfall definiere“, sagte Käuser.

Klar sei für ihn: Derzeit scheitere der Einsatz von mehr Lehrern nicht am Geld, sondern am Personal: „Es gibt einfach keine freien Lehrer.“

Kommentar: Überaus dünnhäutig reagiert die Bezirksregierung auf Anfragen zum Unterrichtsausfall. Dass es mehrmaliger Nachfragen und des Hinweises auf die rechtlichen Pflichten der Behörde bedarf, damit diese Fragen beantwortet, zeigt, dass dort die Nerven blank liegen. Wenn doch alles in Ordnung ist, gibt es dazu doch gar keinen Grund. Zu bestreiten, dass es eine Anweisung gebe, dass Schulleitungen bei Presseanfragen an die Bezirksregierung verweisen sollen, ist zumindest gewagt – wenn Schulleiter öffentlich das Gegenteil behaupten. Und wenn der Brief an die Schulleitungen nichts Schlimmes enthält, warum weigert sich die Behörde, uns eine Kopie zu geben? Den Brief muss sie nämlich ohnehin rausrücken – dazu ist sie nach dem Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet, allerdings hat sie dazu vier Wochen Zeit. Die Zeit haben wir, wir bleiben dran.

(Ulrich Breulmann)

(Der Text ist ursprünglich bei den Ruhr Nachrichten erschienen.)

Hintergrund zum Unterrichtsausfall – der Check:

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