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Duisburg: Der seltsame Beleg mit der Nummer 25983

Hat ein gemeinnütziger kommunaler Betrieb in Duisburg die Hochzeit von Oberbürgermeister Sören Link (SPD) mitfinanziert? Ein Beleg wirft Fragen auf.

von Dietmar Seher , David Schraven

Chefin der wfbm, Roselyn Rogg, und Duisburgs OB Sören Link© Heike Kaldenhoff

Diese Geschichte erscheint auf den ersten Blick einfach. CORRECTIV liegt ein Beleg vor, nach dem die Hochzeitsfeier von Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (41, SPD) über eine Kostenstelle der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung (wfbm) abgerechnet worden sein soll. Sprich: Der Beleg über 9.345,80 Euro „ohne Steuer“ scheint zu beweisen, dass die kommunalen Behindertenwerkstatt die Hochzeitfeier von Duisburgs OB Link bezahlt hat. Aber stimmt das überhaupt? Wir sind dem Beleg nachgegangen. Und auf einige Ungereimtheiten gestoßen. Aber auch darauf, dass OB Link seine Hochzeit selbst bezahlt haben könnte. Nur: welchem Zweck diente dann dieser merkwürdige Beleg?

Sören Link hat sein Amt als Duisburger OB im Juli 2012 angetreten. Er versprach, die Stadt nach der Love Parade-Katastrophe und den Affären um den CDU OB Adolf Sauerland wieder zu versöhnen. Das lokale Klima sollte beruhigt, die wirklichen Probleme um Kriminalität und Integration angegangen werden. Ob Sören Link dieses Versprechen einlösen konnte, wird man in wenigen Wochen sehen. Am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, stellt sich der SPD-Mann der Wiederwahl als Oberbürgermeister.

In dieser Situation, mitten im Wahlkampf, taucht der interne Beleg der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung (wfbm) auf. Auf den ersten Blick weckt das Papier den Verdacht, dass die wfbm, eine gemeinnützige GmbH mit einer 50-prozentigen städtischen Beteiligung, einen Teil der Hochzeitsfeier Links im Sommer 2016 bezahlt und unversteuert über einen „internen Finanzweg“ verbucht hat.

Der Beleg mit der Rechnungsnummer 25983 stammt vom 15. August des vergangenen Jahres. Mit ihm wird der Bewirtungsaufwand des Restaurants „Der kleine Prinz“ – einer Betriebsstätte der wfbm – dokumentiert. „Der kleine Prinz“ hat ein Lokal in der Innenstadt nahe dem Rathaus. Er bietet auch Lieferungen außer Haus an.

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Die Rechnung mit der Nummer 25983 vom 15. August 2016

Der Beleg ist authentisch. Das bestätigt die wfbm. Auf dem Beleg werden 2.803,74 Euro für „diverse Getränke“ und 6.542, 06 Euro für „diverse Speisen“ abgerechnet. Addiert werden 9.345,80 Euro „ohne Steuer“ in Rechnung gestellt.

Der Gesamtbetrag wird in einer Kasse der Betriebsstätte der wfbm „„Der kleine Prinz“ bonniert. Und zwar um 14:32 Uhr.

Damit ist der Beleg als Einnahmebeleg in der Buchhaltung der wfbm registriert. Mit allen Konsequenzen. Jede Rechnung in einer ordentlichen Buchhaltung muss eindeutig und einmalig gekennzeichnet werden. Sonst werden die Bilanzen verfälscht. Es darf keine Doppelabrechnungen geben. So will es das Gesetz.

An den Beleg mit der Rechnungsnummer 25983 ist ein grüner Lieferschein geheftet, auf dem sowohl Adresse und Datum handschriftlich eingetragen wurden. Das Datum ist lesbar. Es lautet auf den 15. August. Dies legt nahe, dass tatsächlich Waren im Wert von 9.345,80 netto für eine Feier am 15. August ausgeliefert wurden, die dann über den Beleg mit der Rechnungsnummer 25983 abgerechnet wurden. Eine Mehrwertsteuer wurde nicht verbucht.

Die Geschäftsführerin der Werkstatt, Roselyn Rogg, zeichnete den Beleg handschriftlich mit ihrem Kürzel am 23. August 2016 ab. Dies bestätigt Rogg. Gleichzeitig ergänzte sie handschriftlich einen Buchungsvermerk: „Marketing-Massnahme Hochzeit OB Link“. Auch das bestätigt sie.

Diese Angaben auf dem Beleg („Finanzweg intern“) machen klar, dass für die Speisen und Getränke keine Rechnung zur externen Bezahlung ausgestellt wurde. Mit anderen Worten: Niemand musste dafür etwas zahlen. Die Rechnung wurde intern als Ausgabe verbucht. Sprich: es handelt sich um einen Eigenbeleg, wonach die Feier mit der Bezeichnung „Hochzeit OB Link“ intern als Marketing-Ausgabe in die Buchhaltung aufgenommen wurde. Und dann weiter über die Bilanz in die Steuererklärung Eingang fand.

Wurde also eine Hochzeits-Feier von Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link von der kommunalen wfbm finanziert?

Sören Link streitet das ab. Und er hat viele Argumente, die für ihn sprechen. Sören Link hat schon im Jahr 2015 standesamtlich geheiratet. Kirchlich heiratete er am 18. Juni 2016. Tatsächlich wurde die anschließende Feier von der wfbm-Betriebsstätte „Der kleine Prinz“ beliefert. Doch den entsprechenden Beleg für diese Bewirtung stellte „Der kleine Prinz“ unmittelbar nach der Hochzeit am 20. Juni 2016 aus – nicht erst Wochen später. So wie man es erwarten kann.

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Abrechnung der Hochzeit von Sören Link vom 20. Juni 2016

Laut Abrechnung wurden die 112 Gäste der Hochzeitsfeier für 11.214,95 netto bewirtet. Diese Abrechnung wurde mit der Rechnungsnummer „13708“ gekennzeichnet. Die Summe von 11.214,95 Euro wurde Sören Link am 23. Juni 2016 zusammen mit der Mehrwertsteuer unter seiner Privatadresse in Rechnung gestellt. Alles sehr ordentlich und so wie es korrekt ist.

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Die Rechnung für die Hochzeitfeier vom 23. Juni 2016

Sören Link sagt, er habe die Rechnung mit der Nummer 13708 anschließend von seinem Privatkonto beglichen. Es gibt keinen Anlass, an Links Aussagen zu zweifeln.

Weiter sagt Link, er habe am 15. August 2016 nicht erneut Hochzeit gefeiert. Seine Aussage klingt glaubhaft. Es gab keinen Anlass für eine dritte Hochzeitsfeier.

Wofür ist dann aber dieser rätselhafte Beleg mit der Rechnungsnummer 25983?

Die Geschäftsführerin der wfbm, Roselyne Rogg sagt, die Summe von 9.345,80 Euro sei intern der wfbm-Betriebsstelle „Der kleine Prinz“ gut geschrieben worden, um die Leute dort zu motivieren, weil sie bei der Bewirtung der Hochzeitsfeier von Sören Link gute Arbeit geleistet hätten. Es habe sich um einen „rein fiktiven, künstlichen Gewinn“ für die wfbm-Betriebsstelle gehandelt. Sie sagt, es sei am 15. August keine Ware bewegt oder ausgeliefert worden, der oben gezeigte grüne Lieferschein sei nur routinemäßig ausgeschrieben worden. Die Aufteilung auf Getränke und Speisen sei vollkommen willkürlich. Bei der Rechnung mit der Nummer 25983 vom 15. August habe es sich um einen „internen Kassenbon“ gehandelt, „um die tolle Leistung zu honorieren, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeliefert haben.“ Also um ein „Motivations- und Anreizsystem zu Gunsten der Betriebsstelle“. Um sonst nichts.

Doch warum wird der Beleg für diese angebliche Belohnung erst am 15. August ausgestellt? Warum wurde die Rechnung 25983 für die Buchhaltung über eine Kasse bonniert und auf eine tatsächliche Kostenstelle in der laufenden Buchhaltung der wfbm verbucht, wenn keine Waren ausgeliefert wurden und der Bon angeblich nur fiktiv und zur Motivation war? Kassen erstellen offizielle Dokumente. Man darf nicht einfach zum Spaß drauf herumdrücken und Rechnungsnummern erstellen. Man darf auch keine fiktiven Summen in die offizielle Buchhaltung auf irgendwelche Kostenstellen einführen. Das ist per Gesetz verboten. Die Chefin der wfbm, Roselyne Rogg sagt, es habe sich nicht um eine „Doppelbuchung, sondern um eine rein interne Verrechnung gehandelt“. Aber wenn das so war, warum stand dann dort der Vermerk „Hochzeit OB Link“? Die Chefin der wfbm, Roselyne Rogg sagt, als Dank für die Arbeit bei der OB-Feier.

Die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (wfbm) beschäftigt 190 hauptamtliche Mitarbeiter. Sie betreuen 1100 Menschen mit Behinderungen, die in vier Werkstätten, zwei Restaurants und einer Galerie („Ars vivendi“) arbeiten.

Die weitere Überprüfung des seltsamen Beleges mit der Rechnungsnummer 25983 können wir von CORRECTIV nicht leisten. Unsere Recherchemöglichkeiten stoßen hier an Grenzen. Dies kann nur ein Revisor bewerkstelligen, der vollständigen Zugriff auf das Buchungssystem der wfbm hat.