Alte Apotheke

Warum lieferte der Bottroper Apotheker Peter S. Krebsmedikamente nach Düsseldorf?

Ein Arzt aus Düsseldorf lässt sich von einem Apotheker aus Bottrop mit Krebsmedikamenten beliefern. Obwohl auch Apotheker aus der näheren Umgebung zur Verfügung stehen würden. Warum?

von Marcus Bensmann

Die Grand Arc Apotheke im Düsseldorfer Medical Center ist eine Tochterfiliale der Alten Apotheke in Bottrop.© Correctiv.Ruhr

Dem Apotheker Peter S. wird vorgeworfen, systematisch Krebsmedikamente gepanscht zu haben. Er sitzt in Untersuchungshaft. Seine Lieferungen gingen auch nach Düsseldorf an das Europäische Brustzentrum, das Mahdi Rezai leitet.

Mahdi Rezai ist ein international anerkannter Arzt für die Behandlung von Brustkrebs. Er hat seine Praxis im Medical Center in Düsseldorf. Warum ließ er sich aus Bottrop von dem Apotheker Peter S. beliefern, und nicht aus einer Apotheke in der näheren Umgebung? CORRECTIV hat Rezai zu den Gründen befragt, aber bis Redaktionsschluss keine Antwort erhalten.

Es gibt allerdings eine Vorgeschichte.

Die Düsseldorfer Albert Schweitzer Apotheke von Gregor Müller lieferte bis Anfang 2010 die Krebsmedikamente für Rezais Patientinnen. Aber dann machte Rezai Pläne: In Düsseldorf sollte ein Medical Center eröffnet werden. Rezai wollte dort auch seine Praxis, das Europäische Brustzentrum, unterbringen. Und die Apotheke von Müller, die das Brustzentrum mit den teuren Krebsmedikamenten belieferte, sollte ebenfalls dort einziehen.

Die Betreibergesellschaft und Rezai fragten den Apotheker Müller, ob er in dem Zentrum eine Filialapotheke errichten wolle. Müller war zunächst unentschlossen. Nach Angaben der Stadt teilte er am 24. August 2009 dem Amtsapotheker die „Absicht“ mit, „im Laufe des Jahres 2010 im Medical Center Düsseldorf eine Filialapotheke eröffnen zu wollen“. Und nur eine Woche später machte er einen Rückzieher. Er meldete dem Amtsapotheker, die Planungen dazu seien „eingestellt“. Das sagte er auch Rezai und dem Betreiber des Medical Centers.

Müller sagt heute gegenüber CORRECTIV, „das unternehmerische Risiko“ sei damals zu hoch gewesen. Denn das Medical Center liegt abseits der belebten Strassen – es gibt kaum Laufkundschaft. Das Gebäude steht in einem Gewerbegebiet im Düsseldorfer Norden.    

Rezai wechselte Apotheker

Wenige Monate später, im Januar 2010, bekam Müller aus der Praxis des Chirurgen Rezai eine Nachricht – quasi eine Abfuhr. Rezai würde im nächsten Jahr die Infusionen mit Krebsmedikamenten aus Bottrop beziehen. Müller war überrascht. Es hatte bis dahin keine Klagen wegen der „Qualität seiner Lieferungen“ gegeben.

Die Räume in dem Medical Center in Düsseldorf blieben jedoch nicht leer. Dort zog die Grand Arc Apotheke ein. Sie ist eine Filialapotheke der Alten Apotheke in Bottrop. Für Peters S. war es anscheinend nicht so wichtig, dass die Laufkundschaft fehlte.

Weil die Grand Arc Apotheke eine Tochterfirma ist, war der Bottroper Amtsapotheker für die Betriebserlaubnis zuständig. Er teilte dem Düsseldorfer Amtsapotheker am 24. Oktober 2011 mit, dass die Betriebserlaubnis für beide Apotheken erteilt sei.

Wir haben Rezai zu den Vorgängen des Apothekerwechsels und den Verhandlungen über die Miete mehrmals per Email und telefonisch befragt. Er hat auf die Anfragen nicht reagiert. Auch der Anwalt von Peter S. hat Fragen zu den Mietverhandlungen zur Grand Arc Apotheke nicht beantwortet.

Transport von Bottrop nach Düsseldorf

In der Grand Arc Apotheke seien die Krebsmedikamente nicht angemischt worden, sagt ein Sprecher der Betreibergesellschaft des Medical Centers, Bernhard Haubold, gegenüber CORRECTIV. Das war auch nicht nötig. Denn das geschah in Bottrop, die Infusionen mit den Krebsmedikamenten wurden mit den Autos der Alten Apotheke nach Düsseldorf gefahren.

Die Betreibergesellschaft des Medical Centers „habe keinen Einblick, geschweige denn Einfluss, welcher Mieter von welchen Lieferanten beliefert wird“, sagt Haubold. Da die Geschäftsführung des Medical Centers gewechselt habe, könne kaum etwas zu „Vermietungsverhandlungen in 2008 und 2009“ gesagt werden.

Peter S. zeigte sich spendabel

Der Brustkrebs-Spezialist Rezai und seine Frau organisieren die Düsseldorfer Brustkrebs-Konferenz. Rezai ist auf der Konferenz Kongresspräsident, seine Frau Indriani Rezai war wiederum bis Januar 2017 Geschäftsführerin der Firma, die den Kongress organisiert: die EOAS. Auch diese Firma sitzt im Medical Center. Frau Rezai sei immer noch Teilhaberin von EOAS, sagt die heutige Geschäftsführin Kartin Goltz.

Im Programm für die 11. Brustkrebs-Konferenz aus dem Jahr 2016 wird die Grand Arc Apotheke von Peter S. als Platinsponsor der Konferenz aufgeführt. Auch im Programm der 10. Brustkrebs-Konferenz von 2014 wird die Grand Art Apotheke als Platinsponsor aufgeführt. Nach dem Programm von 2014 muss ein Platinsponsor über 15.000 Euro spenden.

CORRECTIV hat die Anwälte von Peters S. zu dem Sponsoring befragt, aber keine Antwort erhalten. 

Auch das Ehepaar Rezai hat CORRECTIV zu dem Sponsoring befragt. Wir haben sie mehrmals angerufen, aber bis Redaktionsschluss keine Antwort erhalten. Die heutige Geschäftsführerin von EOAS verweist auf Frau Rezai. CORRECTIV hat den Anwalt von Peter S. zu dem Sponsoring des Kongresses befragt, aber keine Antwort erhalten.

Zurück zum alten Apotheker

Peter S. zog also mit einer Filialapotheke in das Medical Center, wo Rezai das Europäische Brustzentrum leitete. Und er sponserte den Kongress, der von Rezai und seiner Frau organisiert wurde. Rezais früherer Apotheker hatte den Kongress nie finanziell unterstützt. Heute beliefert er Rezai trotzdem wieder, denn Peter S. ist verhaftet, sein Labor ist geschlossen. Die Mutter von Peter S. leitet nun die Grand Arc Apotheke.  

 

P.S. Korrektur: Der Mitarbeiter der Betreibergesellschaft des Medical Centers in Düsseldorf heißt Herr Haubold. 

Update: Nach der Geschichte hat sich Herr Dr. Rezai mit CORRECTIV zu einem Interview getroffen. Dabei hat er folgendes gesagt. 

Zum Apothekerwechsel:

„Ich habe nie Mietverhandlungen für das Medical Center geführt noch war ich daran direkt oder indirekt beteiligt“ sagt Rezai, das habe die Betreibergesellschaft des Medical Center gemacht. “Ich habe lediglich Herrn Dr. Müller von der Albert Schweitzer Apotheke im Vorfeld gefragt, ob er in das Medical Center mitziehen wolle“, sagt Rezai, denn ein solches Zentrum brauche eine Apotheke. Nach der Absage von Müller habe die Betreibergesellschaft des Medical Center „eigenständig“ eine neue Apotheke für das Zentrum gesucht und die Alte Apotheke gefunden, die dort mit der Grand Arc eine Tochterapotheke eingemietet hat, sagt Rezai. „Ich war an der Auswahl der Apotheke im Vorfeld nicht beteiligt“, sagt Rezai. Als er nach der Vermietung  erfahren habe,  dass die Mutterapotheke der
Grand Arc Apotheke Zytostatika herstellt, habe Rezai die Apotheke gewechselt, sagt Rezai. „Im Nachhinein bedauere ich zutiefst, dass ich den Apotheker gewechselt habe“, sagt Rezai, es sei ein „Albtraum“. Der damalige Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Dirk Claus hat eine andere Erinnerung. Das Prinzip des Grand Arc Konzeptes sei gewesen „von Ärzte für Ärzte“, sagt Claus, „damit sind in der Regel alle relevanten Besetzungen von Dienstleistungen im Grand Arc im Vorfeld besprochen worden.“ Claus würde „ein Abweichen von dem og. Prinzipien“ bei der Vermietung der Apotheke an Herrn S. „schon sehr wundern“.

Zum Sponsoring des Kongresses:

„Es ist üblich das Firmen internationale Medizinkonferenzen unterstützen“,
sagt Rezai, die Düsseldorfer Brustkrebskonferenz sei eine der weltweit wichtigsten Veranstaltungen auf dem Gebiet. Die Firma, die den Kongress organisiert hat, habe natürlich auch mit Firmen gesprochen, die an Kongressen Interesse haben oder sich aktiv selbst gemeldet haben.“ sagt Rezai, „das sei normal“. Er könne sich nicht erinnern, ob er direkt mit S. über die Düsseldorfer Konferenz gesprochen habe, sagt Rezai. Die Kongressorganisation wurde von einer externen Firma übernommen.