Debatte

Olympia im Ruhrgebiet: Eine gute Idee für die Region?

Olympia im Ruhrgebiet? Für Sportmanager Michael Mronz ist das keine Spinnerei. Gemeinsam mit der schwarz-gelben Landesregierung um Armin Laschet plant er die „Rhein Ruhr Olympic City“ für das Jahr 2032. Doch seine Vision hat Lücken.

von Julian Hilgers

Können die Olympischen Spiele fürs Ruhrgebiet wirklich Nachhaltigkeit bedeuten?© Anwar / Correctiv.Ruhr

Verwaiste Arenen, Obdachlosigkeit, Gewalt. Die Olympischen Spiele im vergangenen Jahr bedeuteten für viele Bewohner Rio de Janeiros einen sozialen Abstieg. Milliarden, die die Spiele verschlungen haben, fehlen heute an anderen Stellen im Land. Auch in London 2012 gab es negative Bilanzen. Die Wohnungen im Olympischen Dorf verkaufte der Staat mit einem Verlust von 350 Millionen, die Kosten waren an einigen Stellen mehr als doppelt so hoch wie geplant.  

Die Daten und Bilder aus Rio oder auch London wirken. Staaten und Gesellschaften beginnen weltweit, über die Folgen olympischer Gigantomanie nachzudenken. Schon 2014 hatte der Bundestag in einer Ausarbeitung seines Wissenschaftlichen Dienstes zu den deutschen Olympiabewerbungen gewarnt: In der Regel profitieren von den Spielen nicht das Land und die Bevölkerung, sondern bestimmte Branchen und Unternehmen. Die Kosten, zum Beispiel für die Infrastruktur, werden aus der öffentlichen Hand bezahlt. Die Einnahmen, beispielsweise durch Ticketverkäufe, wandern größtenteils zum privatwirtschaftlichen Organisationskommittee. Warum wollen dann Politik, Wirtschaft und durchaus auch viele Bürger, dass die Olympischen Spiele ausgerechnet ins wirtschaftlich angeschlagene Nordrhein-Westfalen kommen?

Mr. Olympia und die Spiele

„Rhein Ruhr Olympic City“ – so heißt die privatwirtschaftliche Initiative des Kölner Sportmanagers Michael Mronz, der die Olympischen Sommerspiele 2032 an die Ufer von Rhein und Ruhr holen will. Erstmals soll Olympia nicht in einer Metropole, sondern in einer Region ausgetragen werden. 13 Kommunen, von Aachen bis Recklinghausen, unterstützen die Initiative und wollen in 15 Jahren Austragungsort werden.

Um Auswirkungen wie in Rio zu vermeiden, setzt Mronz auf Nachhaltigkeit. Er plant, bei den Spielen die heute bestehenden Sportstätten zu nutzen und die Infrastruktur der Rhein-Ruhr-Region zu verbessern. Die Region sportlich nach vorne zu bringen. Bereits 2003 gab es einen innerdeutschen Wettbewerb zur Olympia-Bewerbung 2012. Düsseldorf verlor damals deutlich. Wer ist der Mann, der trotzdem an die Region glaubt? Und was liegt ihm an Olympia?

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Michael Mronz kämpft dafür, die Olympischen Spiele ins Ruhrgebiet zu holen.

Privat

Mronz ist in Köln geboren und jetzt 50 Jahre alt. Bereits mit 25 gründete der Sportmanager seine eigene Agentur, berät seitdem Unternehmen und Verbände im Bereich Sportmarketing und Sponsoring. Dazu zählt auch die Vermarktung von großen Events: Mronz verantwortete TV-Shows mit Stefan Raab, oder die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Seit 1997 vermarktet er das internationale Reitturnier CHIO in Aachen. Dort lernte Mronz seinen langjährigen Lebenspartner Guido Westerwelle kennen. Mit dem ehemaligen Vizekanzler der FDP, der im März vergangenen Jahres an den Folgen von Leukämie starb, war er seit 2003 zusammen und bekam so einen Draht in die Politik.

Heute ist Michael Mronz der große Treiber des Projekts Olympia für die Rhein-Ruhr-Region. Die Idee für eine Olympiabewerbung in Nordrhein-Westfalen hat er schon lange im Kopf. Im März 2015 deutete der Sportmanager in einem Interview mit dem Express das erste Mal eine „Rhein-Ruhr-City“ an. Nordrhein-Westfalen könne die bestehenden Sportstätten nutzen und sich gemeinsam als Region bewerben. Das Land könne so nachhaltig von einem solchen Event profitieren. „Die Frage darf aber letztlich nicht sein, ob sich etwas wirtschaftlich rechnet“, sagte damals Mronz.

Die Forderungen werden konkret

Es ist Juli 2016, etwa ein Jahr nach seinem ersten Interview mit dem Express, als Mronz das Thema Olympia in den Medien wieder aufgreift – wieder in einem Express-Interview: Er fordert nun erstmals ganz konkret eine Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region für die Olympischen Spiele. Das Modell sei durchaus politisch interessant, sagt Mronz: Die Spiele könnten mit Investitionen in die Infrastruktur des Landes verbunden werden. Mronz Vorschlag wirkt wie eine Initialzündung. Die Politik greift die Initiative sofort auf. Nur einen Tag nach dem Interview bezeichnet Björn Kerbein, sportpolitischer Sprecher der FDP im Landtag, die Idee als „tolles Signal“. Oppositionsführer Armin Laschet nennt es „eine großartige Vision“. In Laschets Heimatwahlkreis Aachen vermarktet Mronz das Reitsportevent CHIO. Die Parteien beginnen sich zu positionieren.

Auch die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stellt sich hinter den Plan, wenn auch  ihre SPD in mehreren Punkten skeptisch bleibt: „Herr Mronz lebt davon, dass es moderne Veranstaltungsorte gibt. Damit verdient er sein Geld und hat ein Interesse daran“, erklärt bald der sozialdemokratische Abgeordnete Rainer Bischoff. Die Grünen zeigen sich hinsichtlich der Finanzierung des Großprojektes kritisch. „Bislang hat es noch keine olympischen Bewerbungsvorbereitungen gegeben, ohne dass öffentliche Gelder dafür eingesetzt worden sind“, sagt ihre Abgeordnete Josefine Paul. Auch ein Blick in die Geschichte Olympias zeigt: Die Argumente von Mronz haben alle Ausrichter in den vergangenen Jahrzehnten auch vorgebracht, und sie haben sich hinterher fast ausnahmslos als falsch erwiesen.

Ungeklärte Kosten

Positiver denkt die Wirtschaft: Unternehmen wie Daimler, Evonik oder die Deutsche Post unterstützen die Initiative von Mronz und finanzieren auch sein Projekt. Und die Vertreter der 13 beteiligten Kommunen kommen ins Spiel. Mronz hat ihnen schon eine vorläufige Zuordnung der Sportarten schmackhaft gemacht: Von Mountainbike in Recklinghausen bis zum Reiten in Aachen. Wo ein Olympiastadion, das Olympische Dorf oder das Medienzentrum stehen sollen, das ist noch offen.

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Die geplanten Austragungsorte in der Rhein-Ruhr-Region.

RROC

Mronz sieht nur Vorteile der Spiele in der Region: 80 Prozent der Sportstätten und Veranstaltungsorte seien schon vorhanden, die „Rhein Ruhr Olympic City“ sei ein Projekt der Nachhaltigkeit aus der Mitte der Gesellschaft. Nachhaltigkeit ist eines der treibenden Argumente für den Initiator.

Die Kosten blendet Mronz dabei allerdings weitgehend aus. Zwar verspricht er: „Wir wollen bei den Kosten und Investitionen neue Wege gehen und werden dadurch deutlich unter 10 Milliarden liegen“. Aber: Bei den Olympischen Spielen in London 2012 lagen sie bei weit über 13 Milliarden Euro. Und die Dokumentation der Ausgaben in London zeigt: Die Sportstätten machten nicht einmal zehn Prozent der Ausgaben aus. Allein das Olympiastadion, das in dem Konzept aus NRW noch fehlt, kostete in London etwa 429 Millionen Pfund (ca. 515 Millionen Euro). Viele andere Austragungsorte müssten erst aufgerüstet werden. Mronz verlässt sich weitgehend darauf, dass die Besitzer den bisherigen Zustand auch bis 2032 halten werden.

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Die Kostenaufschlüsselung von London zeigt: Auch für NRW kann Olympia teuer werden.

Correctiv.Ruhr/Tina Jakob

Andere rechnen mit mehr Ausgaben und größeren Hürden. „Außerhalb des Fußballs sind die Stadien nicht alle olympiareif“, sagt Wolfgang Maennig, Wirtschaftsprofessor aus Hamburg und ehemaliger Ruderer bei Olympia. Laut der Linksfraktion im Kölner Stadtrat wären die hohen Summen für Olympia deshalb an der falschen Stelle investiert. Michael Weisenstein, Mitglied der Linken im Kölner Stadtrat, sagt: „Im Falle von Olympia an Rhein und Ruhr würde das Geld vermehrt in den Ausbau von Profi-Arenen fließen. Der Breitensport hätte das Nachsehen“.

Eine Debatte wie ein Déja-vu

Für nicht wenige an Rhein und Ruhr wirkt die Debatte wie ein Déja-vu. Bereits für die Olympischen Spiele 2012 hatte sich die Region mit ähnlichen Voraussetzungen und mit ähnlichen Schlagwörtern beworben. Man landete damals im innerdeutschen Entscheid hinter Leipzig und Hamburg. Einige Gründe für die Wahl gegen Düsseldorf gehen aus dem Evaluierungsbericht des Nationalen Olympischen Komitees hervor. Dort wurden die fünf deutschen Bewerberstädte anhand von 16 Kriterien auf ihre Olympiatauglichkeit geprüft. Düsseldorf landete in sieben Kategorien auf dem letzten Platz, unter anderem bei Infrastruktur, Umwelt, Transport und Olympisches Dorf. Anlieger und Naturschützer hatten Einwände gegen die Rahmenplanung des Olympischen Dorfes, welches auf den Rheinauen am Düsseldorfer Messegelände geplant war. Auch eine Überlastung des Straßennetzes und ein hoher Organisationsaufwand für den Transport wurde im Hinblick auf die weiträumige Verteilung der Wettkampfstätten befürchtet.

2032 dürften die kritischen Fragen an die Region kaum andere sein. In Mronz’ aktuellem Planungspapier tauchen das Olympische Dorf und die Verkehrsplanung gar nicht erst auf. Deutlich besser schätzten die Experten damals die Rhein-Ruhr-Region in Hinblick auf Beherbergung, Sportinfrastruktur und die Fähigkeit für Großereignisse ein. Es sind genau die Aspekte, mit denen der Kölner Initiator nun für eine erneute Kandidatur der Region wirbt. 

„Herr Mronz versteht sein Geschäft.“

Bis zu einer Entscheidung über eine Bewerbung wird es dauern. Sollte Olympia nicht kommen, der Sportmanager wird von seinem Engagement trotzdem profitieren. Nach den aktuellen Richtlinien des IOC müsste eine Bewerbung erst 2023 offiziell eingereicht werden. Bis dahin will Mronz das Projekt auch international vermarkten und in den Medien Überzeugungsarbeit leisten, netzwerken und Kontakte knüpfen. „Herr Mronz versteht sein Geschäft. Er hat das Thema sehr prominent gespielt und hat ja auch in Ministerpräsident Laschet einen wichtigen Befürworter“, sagt Walter Schneeloch, Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbunds. 

Was auch Rückenwind geben könnte: In Hamburg und München wurden Bewerbungen für Olympia jüngst abgelehnt. Dort war auch das Volk gegen Olympia. Im Ruhrgebiet sieht das offenbar anders aus. Laut einer Umfrage der WAZ würden 68 Prozent der Befragten Olympische Spiele in ihrer Heimat begrüßen. Voraussetzung: Das Konzept muss überzeugen. „Eine weitere Niederlage können wir uns nicht leisten. Das wäre tödlich“, sagt Walter Schneeloch. 

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