Alte Apotheke

Alte Apotheke: Peter S. und die Stadt Bottrop

Der Alte Apotheker Peter S. war ein angesehener Geschäftsmann in Bottrop. Er bezahlte die Projekte der Stadt, hängte dem Bürgermeister ein Bild von Udo Lindenberg ins Büro. Ist das der Grund, warum sich die Stadt in den vergangenen Monaten kaum um eine Aufklärung des Skandals bemühte?

von David Schraven , Bastian Schlange

Apotheker Peter S., Claus Schwarz (ehem. Stadtspiegel-Chef), Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD), CDU-Chef Hermann Hirschfelder (v.l.n.r.)© CORRECTIV

Es gibt da ein Foto von Peter S., das zeigt ihn als Vorstand des kommunalen Bottroper Marketingvereines. Auf dem Foto posiert er zusammen mit den übrigen Vorständen des Vereines, mit Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD), mit dem Chef der Bottroper CDU-Fraktion, Hermann Hirschfelder, und mit dem früheren Chefredakteur des Bottroper Stadtspiegels, Claus Schwarz.

Peter S. steht am linken Rand. Lächelt feist. Das Hemd sitzt spack, am Hosenbund ist es rausgerutscht. Sein Anzug sieht zwar teuer aus, aber trotzdem erscheint der Auftritt von Peter S. ein wenig schlampig. Ein Mächtiger, der die Puppen tanzen lässt.

Peter S. ist wegen gepanschter Krebsmedikamente in 60.000 Fällen angeklagt. Er soll in sechs Bundesländern Ärzte und Kliniken mit Krebsmitteln beliefert haben, in denen die entscheidenden Wirkstoffe nicht oder nicht ausreichend enthalten waren. Tausende Patienten sind betroffen.

Von Bildern, wie dem mit den Vorständen des Bottroper Marketingsvereines, gibt es Hunderte in etlichen Städten. Fotos der Lokalprominenz. Es ist immer das gleiche Abbild von Männern und Frauen, die etwas in ihrer Stadt machen und dafür gefeiert werden wollen. Das Bild ist nicht schlimm. Doch zeigt es, wie eng gesponnen in Bottrop alles ist.

Im Marketingverein Bottrop wurden die großen Pläne für die Stadt geschmiedet, von Tischler, von Hirschfelder, von Schwarz und eben von Peter S.. Zum Beispiel die Idee vom freien Wlan in der Innenstadt. Ein Projekt, das Oberbürgermeister Tischler groß ankündigte. Wäre es wie geplant realisiert worden, wäre es toll gewesen. Doch schnell rannten die Kosten davon. Die Rede ist von über 30.000 Euro. Die Stadt konnte das Projekt nicht finanzieren. Der Alte Apotheker Peter S. sprang ein – und löste das Problem mit seiner Geldtasche und etwas wirtschaftlichen Druck auf den Anbieter des Netzes. 

Der Oberbürgermeister hatte seine Show gehabt, Peter S. gezahlt.

Das ist ein Muster, das der Alte Apotheker pflegte – immer wieder. In der offiziellen Sponsoringliste der Stadt finden sich nur Geschenke von wenigen hundert Euro von Peter S. Der Alte Apotheker legte das Geld lieber direkt an. Er ließ sich von seinem Gegenüber sagen, was bezahlt werden musste. Für das Stadtfest, für eine Bewerbung, für ein Projekt. Wenn ihm die Idee gefiel, überwies Peter S. das Geld direkt an die Auftragnehmer. Er lies Sachen geschehen. Zeigte sich großzügig, nicht geizig. 10.000 Euro? Kein Problem.

Ein netter Nebeneffekt: Auf diese Weise tauchte das Geld nie in den offiziellen Büchern der Stadt auf. Peter hatte nur einen Gefallen getan.

Für die Gemeinde war das Ok. Immer wieder.

Das Krebsgeschwür

Schließlich gingen die Stadt und Peter S. das Projekt MediCity an. Ein Vorhaben, das auf den ersten Blick lobenswert ist. Die Innenstadt rund um die Hochstraße sollte zu einer Anlaufstelle für alle kranken Menschen der Kommune werden. Innerhalb von wenigen Laufminuten sollten sie Ärzte und Apotheken finden. Eine kluge Alternative für Bottrop, das einen Großteil seiner Kaufkraft an die Einkaufszentren Limbecker Platz in Essen und Centro in Oberhausen verloren hatte.

Peter S. erklärte, er werde den Programmentwurf bezahlen und spendierte auch ein passendes Logo.

Denn das Projekt war nicht nur für die Stadt interessant. Für den Alten Apotheker war es der Abschluss einer langen, leisen, verborgenen Entwicklung. Wie ein Geschwür hatte er sich in den vergangenen Jahren in die Hauptschlagader der Stadt gefressen, in die kurze Einkaufsmeile Hochstrasse. Hier hatte er, ausgehend von der Alten Apotheke, direkt am Herzen der Stadt, mit seinen Gewinnen aus den vielen tausend gepanschten Krebsmedikamenten Haus um Haus gekauft. Bis ihm eine ganze Straßenflucht gehörte. Die Sparkasse Bottrop half bei der Finanzierung des ungezügelten Wachstums – bereitwillig. Galt Peter S. doch als außergewöhnlich solvent.

Mittlerweile hat die Sparkasse auf den diversen Grundstücken des Alten Apothekers an der Hochstrasse Hypotheken von über 11 Millionen Euro stehen.

Unter der Gasse verband Peter S. sein Krebslabor über ein Rohrpostsystem mit der Alten Apotheke – versteckt vor den Menschen. Dies war in seinen Augen seine Straße. Sein Reich und er der dicke König. Das Motto von MediCity, das Motto von Peter S. lautete: „Weil Gesundheit ein Geschenk ist“.

Wenn Peter S. seinen Spendenlauf für das Hospiz abhielt, in dem krebskranke Menschen auf den Tod warteten, rannten ganze Schulklassen, Erwachsene, Senioren und auch der Oberbürgermeister Bernd Tischler durch Peters Gassen, rund um die Alte Apotheke. Immer wieder. Der Apotheker warf dann lächelnd von einem Hochsitz aus einen Euro in ein durchsichtiges Plastikrohr. Einen Euro für jede gelaufene Runde. Einen Euro, um die Puppen rennen zu lassen.

Rückzug der Offiziellen

Nachdem der Skandal aufgeflogen war, gingen die Offiziellen von Bottrop in Deckung. Das Projekt MediCity wurde erst mal auf Eis gelegt.

Nach einem ersten Aufschrei direkt nach der Razzia hielt sich der Oberbürgermeister Bernd Tischler in diesem Jahr bis in den August hinein bedeckt. Sprach monatelang nicht den Opfern öffentlich Mut zu, ging nicht zu ihren Treffen, eröffnete keinen Anlaufpunkt in der Stadt. Schwieg so laut, dass man es nicht überhören konnte.

Dabei gab es doch eigentlich nichts, vor dem Oberbürgermeister Tischler sich hätte schämen müssen. Weder für seine Teilnahme am Spendenlauf, noch für das Engagement für MediCity, noch für seine Arbeit mit Peter S. im Bottroper Marketingverein.

Ein Bürgermeister muss sich für seine Stadt ins Zeug legen. Und wenn sich ein scheinbar erfolgreicher Unternehmer in der Stadt engagiert, darf dieser darauf hoffen, dass er Unterstützung aus der Verwaltung bekommt. Gerade dann, wenn die Stadt wie Bottrop nah am Ende ist. Wenn ein anerkannter Apotheker erklärt, er werde die Zeche für die Wünsche der Stadt zahlen, dann sollte sich eine Stadtverwaltung doch freuen – und nicht fragen, ob bei dem Erwirtschaften des Gewinnes alles mit rechten Dingen zuging?

Niemand kann einen Stein werfen. Oberbürgermeister Tischler hat nichts Falsches getan. Auch wenn er für städtische Projekte Geld annahm, konnte er doch nie wissen, wie Peter S. die vielen, vielen Euros verdient hat.

Auf einer Pressekonferenz zum Fall der Alten Apotheke betont Tischler, er sei überrascht gewesen und tief erschüttert über die Dimension des Falls und die Unsicherheiten und Ängste bei den Betroffenen. „Das hätte niemand ahnen können.“

Und doch scheint es, als habe der Oberbürgermeister monatelang Angst davor gehabt, dass einer sagen würde: Was hast Du eigentlich auf dem angeblich 150ten Geburtstag der Alten Apotheke gemacht? Hast Du da etwa gemeinsam mit Peter S. die Torte angeschnitten?

Woher kommt die Angst der Stadtführung?

Das Bild

War die Beziehung vielleicht doch zu nah? Es gibt da diese Geschichte von einem Bild zu Innovation City.

Bei diesem Projekt hat sich Bottrop um eine Idee des Initiativkreises Ruhr beworben. Zum ersten Mal sollten industriell geprägte Stadtquartiere umfassend energetisch saniert werden. Über zwei Milliarden Euro sollten in die Gewinner-Gemeinde des Wettbewerbs Innovation City fließen. Bottrop gewann den Titel. Dank einer sehr erfolgreichen Werbekampagne.

Peter S. hat damals mitten in der Kampagne ein Bild für die Innovation City malen lassen. Ein Werk von Udo Lindenberg. Ein Likörello. Die Bilder des Rockstars werden schon mal für fünfstellige Euro-Beträge gehandelt. An prominenter Stelle seines Innovation-City-Bildes prangt die Alte Apotheke. Ein weiteres Bild hat damals der Initiativkreis Ruhr malen lassen. Peter S. hat sich mit seinem Bild fotografieren lassen. Das Bild erschien im Jahr 2011 in der WAZ.

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Screenshot aus der WAZ von 2. September 2011. Peter S. vor seinem Innovation City Bild

Im Jahr 2017, im Mai, lange nach Bekanntwerden des Skandals um den Alten Apotheker, taucht das Innovation-City-Bild von Peter S. erneut auf. Diesmal ist das Likörello mit der Alten Apotheke in einem Übergangsbüro des Oberbürgermeisters Bernd Tischler zu sehen, das er für die Zeit der Renovierung des Bottroper Rathauses bezogen hat. Das Bild hat für Tischler offenbar eine besondere Bedeutung. Bottrops Oberbürgermeister Tischler sagte in der WAZ, er habe während der Renovierung des Rathauses nur dieses eine Bild mit in sein Übergangsbüro genommen. Es gibt ein Foto von ihm mit dem Bild

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Der Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler an seinem Schreibtisch, rechts an der Wand das Likörello von Udo Lindenberg. Screenshot aus der WAZ von 13. Mai 2017

Wie kommt das Bild von Peter S. in das Büro von Bernd Tischler? Das Likörello taucht nicht in der Sponsoringliste der Stadt Bottrop auf.

Auf Nachfrage sagt Bottrops Stadtsprecher Andreas Pläsken, bei dem Bild – einem aufwändigen Kunstdruck – habe es sich um einen Leihgabe der Innovation City GmbH an den Oberbürgermeister gehandelt. Auf Nachfrage sagt die Innovation City, das Bild sei eine Dauerleihgabe von Peter S. gewesen, die über die Innovation City GmbH direkt an den Oberbürgermeister ging; und zwar im Jahr 2011. Stadtsprecher Pläsken sagt, die Dauerleihgabe zum Nutzen des Oberbürgermeisters habe nicht in der Sponsoringliste der Stadt auftauchen müssen, da es nicht in das Eigentum der Stadt überging. Ach so.

Andernorts könnte mit so einer Bildleihgabe auch schon der Verdacht auf eine Vorteilsannahme im Amt begründet werden.

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Die Dauerleihgabe im Keller der Innovation City GmbH

correctiv.ruhr

Interessant ist der Zeitpunkt, zu dem Oberbürgermeister Bernd Tischler das Bild entfernen ließ. Dies geschah nämlich kurz vor seinem ersten Treffen mit Betroffenen des Skandals um die Alte Apotheke in diesem August. Es erschien dem Oberbürgermeister „nicht passend“, sich mit den Krebskranken unter einem Bild der Alten Apotheke zu versammeln, der Dauerleihgabe von Peter S., erklärte Stadtsprecher Andreas Pläsken.

Das Bild ist jetzt im Keller der Innovation City GmbH zu finden. Wenn Peter S. eines Tages aus der Haft kommt, kann er es sich abholen.

Diese Dauerleihgabe ist sicher kein Grund, sich ernsthaft zu grämen. Es ist nur eine Episode in den engen Beziehungen von Stadt und Alter Apotheke.

Schlimm würde es nur dann werden, wenn sich die Stadt nach Bekanntwerden des Skandals im Interesse der Alten Apotheke gegen die Interessen der Betroffenen verwandt hätte.

Nichts gewusst?

Und hier gibt es ein paar offene Fragen:

So wusste die Stadt Bottrop mindestens seit dem 10. Februar 2017, dass sich der Verdacht gegen Peter S. erhärtet hatte. Das geht aus einem Schreiben der Stadt hervor, das CORRECTIV vorliegt.

Das Landesgesundheitsamt NRW hatte damals ermittelt, dass von den 117 bei der Razzia sichergestellten Medikamenten insgesamt 63 massiv gepanscht waren. Doch die Stadt verriet den Anrufern bei einer Hotline für die Betroffenen des Skandals nicht, dass wesentlich mehr als die ursprünglich gemeldeten fünf Medikamente gepanscht waren. Hunderte, vielleicht tausende Patienten wurden mit falschen Informationen monatelang in Sicherheit gewogen.

Warum schwieg die Stadt? Um die Alte Apotheke zu schützen?

„Wir haben mit den besten Absichten alle Informationen bekanntgegeben, die wir hatten“, sagt der Bottroper Gesundheitsdezernent Willi Loeven auf einer Pressekonferenz am 10. Oktober 2017. Erst am 20. Februar dieses Jahres habe es eine Besprechung mit der Bezirksregierung Münster gegeben, bei der ein Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft zu den Medikamenten vorgestellt worden sei, die man Ende November bei der Razzia in der Alten Apotheke beschlagnahmt hatte. Vorher habe man nichts gewusst, betont Loeven. 

Auf den Vorhalt, dass die Stadt laut eines Papieres, das CORRECTIV vorliegt, spätestens seit dem 10. Februar wusste, das dutzende Medikamente gepanscht gewesen seien, reagieren die Vertreter der Stadt mit Ausflüchten.

Loeven sagte, der Stadt sei damals nicht bekannt gewesen, dass so viele Medikamente gepanscht waren.

Ach ja?

Das angesprochene Dokument ist von Christian Marga, dem Leiter des Gesundheitsamtes Bottrop, unterschrieben worden. Marga saß während der Pressekonferenz direkt neben Loeven. Das von ihm unterzeichnete Dokument war an die Alte Apotheke gerichtet. Es wurde dort von dem Vater des Alten Apothekers angenommen. Er quittierte auf dem Schreiben handschriftlich, er werde es seinem Sohn Peter S. in Haft weiterreichen. In dem Schreiben sagte Marga, dass er beabsichtigt, Peter S. die Erlaubnis zum Betrieb der Alten Apotheke zu entziehen. Als Begründung für diesen Schritt führt Marga die Ergebnisse der Untersuchung aller bei der Razzia beschlagnahmter Medikamente an. 63 Medikamente seien nachweislich gepanscht gewesen. Die Ergebnisse weiterer Untersuchungen stünden aus.

Halten wir mal kurz inne und notieren die Fakten: Von Dezember 2016 bis Juni 2017 waren auf der Seite des Gesundheitsamtes Bottrop lediglich fünf Wirkstoffe aufgelistet, die als gepanscht galten. Die Stadt wusste jedoch mindestens seit Februar 2017, dass wesentlich mehr Stoffe gepanscht waren. Hat dies aber nicht den Betroffenen mitgeteilt. Weder über Telefon noch direkt. Dafür wurde die Alte Apotheke informiert, der Vater und der Sohn in Haft. Erst im Juni 2017 – vier Monate später – wurden den Betroffenen über 40 Stoffe mitgeteilt, die gepanscht waren.

Warum wurden die Menschen so lange nicht informiert? Die Stadt sagt: Man habe nur das kommuniziert, was gesichert und von der Staatsanwaltschaft als Information freigegeben worden sei. Außerdem habe man deutlich gemacht, dass auch mehr Stoffe von der Panscherei des Apothekers betroffen sein könnten. 

Doch das stimmt nach unseren Recherchen nicht. Im Gegenteil: Betroffene wurden in Sicherheit gewogen, wenn ihre Arznei nicht unter den fünf Wirkstoffen zu finden war. CORRECTIV haben mehrere Betroffene zu Protokoll gegeben, dass ihnen zwischen Dezember und Juni in der Hotline mitgeteilt worden sei, sie könnten beruhigt sein. Ihr Wirkstoff finde sich nicht auf der Liste der fünf gepanschten Medikamente.

Weiter: Wenn die Stadt Hinweise auf mehr gepanschte Wirkstoffe verbreitet hätte, hätten diese Information auf der Seite des Gesundheitsamtes stehen müssen. Doch dort fand sich zu keinem Zeitpunkt bis in den Juni hinein ein Hinweis, dass die veröffentlichten fünf Wirkstoffe nur einen Teil der tatsächlich gepanschten Wirkstoffe darstellen würden. Dort stand auch nicht, dass aus ermittlungstaktischen Gründen nicht alle gepanschten Stoffe veröffentlicht werden könnten. Es stand dort auch nicht, dass im Endeffekt alle Medikamente aus der Alten Apotheke im Verdacht stehen müssten, gepanscht zu sein.

Dies sagte der Gesundheitsdezernent der Stadt Bottrop, Loeven, erst auf der Pressekonferenz am 10. Oktober 2017. Acht Monate nachdem die Stadt Bescheid wusste.

Wie ein treffendes Fazit zur Qualität der Bottroper Informationsarbeit erscheint dieser Vorgang:

Am Ende der Pressekonferenz zum Apotheker Skandal sagte die Abteilungsleiterin des Gesundheitsamtes, Claudia Postberg-Flesch, zu Arbeit der Telefonhotline: „Ich persönlich finde, wir haben das gut gemacht.“ 

Unmittelbar danach war die Internetseite des Gesundheitsamtes nicht mehr aufzurufen. Die Seite war blind.

Die Mutter übernimmt  

Ein zweiter Punkt erscheint kritisch: Das NRW-Gesundheitsministerium hatte am 25. Januar 2017 verlangt, dass die Bottroper Behörden prüfen, wie die Alte Apotheke dicht gemacht werden. Doch die Alte Apotheke ist noch auf. Warum?

Dies muss man erklären.

Zunächst gab die Stadt schon früh intern die Parole aus, dass die Alte Apotheke als wichtiger Arbeitgeber der Stadt erhalten werden müsse. Aber dies war immer unter dem Vorbehalt gestellt, dass dies rechtlich machbar sein müsse. Daran änderte auch ein Telefonat im Dezember 2016 zwischen dem Anwalt der Mutter des Alten Apothekers und der Amtsapothekerin von Bottrop nichts, in dem die Behörde zusagte, dass es möglich sei, dass die Mutter von Peter S. die Alte Apotheke wieder übernehmen könne.

Dieses Telefonat stellte keinen Bescheid dar. Und den zu bekommen, war weit schwieriger, als es zunächst den Anschein hatte.

So schaltete sich die Bezirksregierung Münster in die Gespräche ein und versuchte, die Erteilung einer Betriebsgenehmigung an die Mutter zu verhindern, nachdem im Februar das Ausmaß des Verbrechens für die Behörden – nicht für die Betroffenen – sichtbar war.

In einem internen Schreiben an die Gesundheitsbehörde Bottrop zweifelte die Bezirksregierung Münster deutlich an der Zuverlässigkeit der Mutter: „Es mag (…) verwundern, dass einer pharmazeutisch ausgebildeten Person, die sich regelmäßig mit den Belangen der Apotheke umfänglich auseinandergesetzt haben will, derart schwerwiegende und zwischenzeitlich nachgewiesene Mängel in der Herstellung über einen so langen Zeitraum verborgen geblieben sind. Hier wäre bei geringster Kenntnis ein Einwirken im Sinne der Patientensicherheit geboten gewesen. Ein Unterbleiben wiederum dürfte die Frage der Zuverlässigkeit fundamental berühren.

Ein vernichtendes Urteil der Aufsichtsbehörde: Wenn die Zuverlässigkeit eines Apothekers oder einer Apothekerin in Frage gezogen ist, darf keine Erlaubnis erteilt werden, eine Apotheke zu betreiben.

In Bottrop erhielt die Mutter von Peter S. aber dennoch die Erlaubnis, die Alte Apotheke von ihrem Sohn zu übernehmen. Wie ist das möglich?

Die Antwort gibt der damals gemeinsame Anwalt der Mutter von Peter S. und Peter S. selbst. Er verklagte die Stadt Bottrop vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, um die Betriebserlaubnis für die Mutter von Peter S. zu bekommen.

Die Stadt hatte zunächst versucht, diese Erlaubnis zu verweigern – ganz im Sinn der Bezirksregierung Münster. Doch der Anwalt trug vor Gericht vor, dass es keine Sippenhaft in Deutschland gebe – und solange der Mutter nicht nachgewiesen worden sei, dass sie etwas mit den Panschereien ihres Sohnes zu tun habe, dürfe ihr die Arbeit und die Übernahme der Alten Apotheke nicht verboten werden.

Die Stadt gab nach.

Es habe zwar kein Urteil gegeben, sagt ein Vertreter der Stadt. Aber im Laufe des Verfahrens seien Dokumente vorgelegt worden, die zu einer Änderung der Einschätzung durch die Behörde geführt hätten.

„Einen Deal hat es aber nicht gegeben“, sagt die Stadt. Tatsächlich wurde Peter S. im März die Betriebserlaubnis entzogen und am gleichen Tag der Mutter erteilt.

Hat die Mutter also eine reine Weste?

Dieser Frage gehen wir in einer anderen Geschichte nach.

Hier sei zunächst ihr jetziger Anwalt aus der Kanzlei Höcker zitiert. Demnach habe die Mutter von Peter S. nichts von möglichen Missständen in der Apotheke oder angeblichen Panschereien ihres Sohnes mitbekommen. Zudem gebe es nach Kenntnisstand des Anwaltes kein Ermittlungsverfahren gegen die Mutter und damit auch keinen Anfangsverdacht auf irgendeine Beteiligung an den Taten ihres Sohnes.