CORRECTIV.Ruhr

Rechenschaftsbericht: AFD-Politiker Keuter in der Kritik

Der Essener AfD-Politiker Stefan Keuter gibt sich gern als Finanzexperte seiner Partei. Das sieht der Schatzmeister des Essener Kreisverbandes anscheinend anders. In seinem Rechenschaftsbericht kritisiert er fehlende Belege und offene Rechnungen des ehemaligen Vorsitzenden. Keuter bestreitet dies.

von Dietmar Seher , Cem Bozdoğan

Der Essener AfD-Politiker Stefan Keuter.© Ivo Mayr / Correctiv

Das politische Engagement des Essener AfD-Manns Stefan Keuter hat sich bisher für ihn gelohnt: Zunächst ist Keuter zum Kreisvorsitzenden der rechtspopulistischen Partei gewählt worden. Dann kandidierte der Mann aus dem Ruhrgebiet auf Platz 11 der AfD-Landesliste bei der Wahl zum Deutschen Bundestag. Seit September hat er einen festen Sitz im Berliner Plenarsaal und darf in der Bundespolitik mitreden.

Vom Glück verlassen

In den vergangenen Wochen hat ihn allerdings das Glück im Stich gelassen. Auf dem Kreisparteitag der Essener AfD kippten in diesem November die Parteikollegen Keuter vom Chefsessel. Das Büro des Abgeordneten sagte gegenüber CORRECTIV.Ruhr, Keuter sei damals nur „aus Höflichkeit“ angetreten, weil ihn ein paar Parteikollegen wieder als Sprecher vorgeschlagen hätten. Er wolle sich stattdessen lieber auf die Arbeit als Abgeordneter im Bundestag fokussieren.

Dass er nicht gewählt wurde, könnte aber auch am Rechenschaftsbericht des Schatzmeisters der Kreispartei liegt. Dieser liegt uns vor. Darin wirft der Schatzmeister Keuter einen zu laschen Umgang mit dem Geld von Mitgliedern und Spendern vor. Sein Büroleiter und auch Keuter selbst widersprechen den Vorwürfen. Es sei alles geklärt worden. Trotzdem ist ein derartiger Streit peinlich für einen Abgeordneten, der im Arbeitskreis für Finanzen der Bundestagsfraktion mitmischt und der sich in seiner Vita mit Erfahrungen in der Geschäfts- und Finanzwelt rühmt.

Die Vorwürfe

Was wird Keuter im Rechechschaftsbericht vom Schatzmeister vorgeworfen?

Am 11. Januar 2017 zum Beispiel bat die Partei Freunde und Förderer zum Neujahrsempfang in ein Essener Restaurant. Gegen Ende beglich Keuter die Rechnung von 650 Euro bar an den Wirt. So steht es in dem Rechenschaftsbericht. Der Wirt stellte dafür allerdings keine detaillierte Rechnung aus, wie es die Steuergesetze eigentlich verlangen. Er händigte dem damaligen AfD-Kreisvorsitzenden lediglich eine Quittung über den vollen Betrag aus – ein Vorgang, der offenbar ähnlich schon im Jahr 2016 so ablief.

Der Aufforderung des Schatzmeisters, einen ordentlichen Bewirtungsbeleg vorzulegen, kam Keuter nicht nach. Zwar versicherte Keuter, er werde die Rechnung noch besorgen. Dann aber gab er vor, wegen eines Messebesuchs den Lokalinhaber nicht erreicht zu haben. Außerdem sei der Schatzmeister selbst für die Besorgung der Rechnung zuständig, da er laut Keuter die Rechnung an diesem Abend beglichen habe. Der Schatzmeister widersprach.

Auch wenn die Summe von 650 Euro für den Jahresempfang zunächst klein aussieht: So ein Umgang mit sensiblen Abrechnungen scheint kein Einzelfall zu sein. Für einen Auftrag Keuters in Höhe von 50 Euro an die Blumenhändler-Kette Risse gäbe es laut Rechenschaftsbericht keine Rechnung. Auch für Wahlkampfkosten, die aus der Parteikasse entnommen wurden, fehlten Belege. Eine Barauszahlung an den ehemaligen Vorsitzenden Keuter vom Konto der Partei in Höhe von 400 Euro? Sei nicht belegt. Am Tag der Landtagswahl übernahm Keuter die Getränkerechnung für lokale Medienvertreter. Höhe: 21 Euro. Der Beleg darüber sei aber nur handschriftlich ausgefüllt und nicht nach gesetzlichen Vorschriften belegt worden. Keuters Erklärung: Es fehlte eine elektronische Kasse. Er hätte aber vorschriftsgemäß die Namen der bewirteten Personen auf den Beleg geschrieben.

Gewählt aber nicht bezahlt

Und dann ist da noch die Sache mit den Kandidaten-Fotos vor der Bundestagswahl. Stefan Keuter hatte gefordert, dass der Kreisverband diese Kosten zunächst übernehme. Nach einer erfolgreichen Wahl werde er die Kosten der Organisation dann erstatten. Er ist am 24. September in den Bundestag gewählt worden. Erstattet habe er den Betrag, so beklagt es der Schatzmeister, bislang nicht.

Teuer wurde für die lokale AfD auch ein Prozess, den die Partei nach dem Bundestagswahlkampf vor dem Landgericht in Hamburg gegen die Stadtwerke in Essen führen musste. Im Mittelpunkt des Verfahrens: Karlo, das Maskottchen der Essener Stadtwerke. Keuter hatte Ende August in seinem seinem Youtube-Video „AfD Bundestagswahlkampf in Essen, Stefan Keuter, Wahlkreis 120“, das in der in der Essener Fußgängerzone entstand, Karlo zum unfreiwilligen Star der Rechtspopulisten gemacht. Keuter, der sich zuvor nicht kenntlich gemacht hatte, zeigte sich mit dem Stadtwerke-Maskottchen auf dem Video. Die Stadtwerke fühlten sich durch die AfD zu Werbezwecke missbraucht und klagten auf Unterlassung. Der Kreisverband knickte ein und gab eine Unterlassungserklärung ab.

Allerdings: Durch damit verbundene Anwaltskosten und – vor allem – „nicht zeitnahe“ Informationen und Fristversäumnisse, die auf das Konto von Keuter gehen sollen, seien mindestens 2000 Euro Kosten angefallen, schreibt der Schatzmeister: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, mit welchen Kosten der Kreisverband Essen noch belastet wird“, heißt es in seinem Rechenschaftsbericht. „Es handelt sich um unnötige Geldverschwendung insbesondere auch von Spenden und Mitgliedsbeiträgen.“

„Das ist lächerlich.“

Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Ruhr antwortet das Büro von Keuter, die Vorwürfe seien „allumfassend aufgeklärt“ und „jeder Punkt einzeln besprochen, so dass keine Fragen mehr offen blieben.“ Die fehlenden Belege seien alle nachgereicht worden, die Kosten für die Fotoaufnahmen und das Gericht beglichen – letzteres vom Landesverband der AfD NRW. Außerdem sagte Keuter im persönlichen Gespräch, die Vorwürfe seien lächerlich. Der Schatzmeister führe eine Kampagne gegen ihn.

Das Problem bei der ganzen Geschichte: Die Belege wurden, wenn man Keuter glaubt, nachgereicht. Eigentlich müsste aber der Ex-Kreisvorsitzende Erfahrungen mit Geld und Belegen haben und so etwas nicht versäumen, schließlich tritt er als einer der Finanzexperten der Partei auf. Keuter hat bei der Deutschen Bank gearbeitet, war Geschäftsführer der Keuter Jagd GmbH und saß in den Vorständen der „Capitalpartner Beteiligungs AG“ und ähnlicher Start-Ups, von denen mehrere Insolvenz ankündigten.

Pleiten, Pech und Pannen

Schon auf dem Parteitag des Essener Stadtverbands im März 2015 musste sich Keuter deswegen den Fragen seiner Kollegen stellen. Mit der Tradco GmbH betrieb der AfD-Mann einen Einzel- und Großhandel für Kleider und Schuhe. Keuter sagte damals, die Gesellschaft hätte Verbindlichkeiten in Höhe von 50.000 Euro und keine finanziellen Schwierigkeiten. Dabei wurden von April 2014 bis 2016 keine Vermögensauskünfte gegeben, der Antrag auf Insolvenz erfolgte bereits im November 2014, wie aus seinem Schufa-Bericht hervorgeht.

Hintergrund: Pleiten, Pech und Pannen in der AfD (CORRECTIV.Ruhr)

Mit seinem AfD-Parteifreund Scheer steckte Keuter auch hinter dem Moorhuhn-Computerspiel, das Millionen Kinder und Jugendliche beschäftigt hat. Die Moorhuhn-Firma Phenomedia AG hat inzwischen ebenfalls die Flügel hängen lassen.

Keuters Vita beschreibt ein einziges Auf und Ab – gerade, was den Umgang mit Geld betrifft.