Hintergrund

Fünfmal daneben

Das Blatt will gegen den angeblichen liberalen und linken Mainstream antreten. Die neue Wochenzeitung „Deutschland-Kurier“ ist AfD-nah und hat sich angeblich ganz den Fakten verschrieben. Wir haben einen ersten Check gemacht.

von Karolin Schwarz

Die erste Ausgabe des Deutschland-Kuriers. | Bildnachweis: Karolin Schwarz (correctiv.org)

Der „Deutschland-Kurier“ ist eine Wochenzeitung, die seit Mitte Juli erscheint und bislang zweimal gratis in Berlin verteilt wurde. Herausgeber ist der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheit. Dieser ist in der Vergangenheit unter anderem bekannt geworden, weil er Wahlwerbung für die AfD in mehreren Bundesländern machte. Der Vorsitzende des Vereins ist gleichzeitig Chefredakteur des „Deutschland-Kuriers“. David Bendels trat 2016 aus der CSU aus, weil ihm ein Auftritt bei einer AfD-Veranstaltung untersagt worden war. Wenig später gründete er den Verein, der eigenen Angaben zufolge inzwischen mehr als 7500 Unterstützer hat.

Chefredakteur Bendels formuliert das Ziel der Publikation folgendermaßen: „Der Deutschland-Kurier wird Fakten zum Durchbruch verhelfen und kritische Stimmen zu Wort kommen lassen.“ In der ersten Ausgabe fallen viele Zahlen ins Auge, die zur Argumentation genutzt werden. Die Quellen dafür bleiben dem Leser jedoch häufig verborgen. Auf unsere Anfrage dazu reagiert Bendels nicht. Wir haben uns einige Zahlen des „Deutschland-Kuriers“ genauer angesehen.

„In Umfragen mit Journalisten der deutschen ‘Leitmedien’ geben über 70 Prozent an, dass sie SPD, Grüne oder Kommunisten wählen.“

Im „Klartext des Chefredakteurs“ erklärt David Bendels, eine deutliche Mehrheit der deutschen Journalisten wählten linke Parteien. Tatsächlich beschäftigen sich mehrere Studien mit der politischen Neigung von Journalisten oder Politikjournalisten. Abgefragt wurde jedoch immer die Parteineigung, also die Übereinstimmung mit den formulierten Zielen der Parteien, nicht aber die konkreten Wahlabsichten. Im Jahr 2005 wurden 1536 Journalisten aller Mediensparten im Auftrag der ARD nach ihrer Parteineigung befragt (PDF). Das sind die Antworten:

  • Bündnis 90/Die Grünen: 35,5%

  • SPD: 26,0%

  • ich neige keiner Partei zu: 19,6%

  • CDU: 8,7%

  • FDP: 6,3%

  • Sonstige: 3,2%

  • PDS: 0,8%

Für eine Studie der Freien Universität Berlin befragten Forscher 2009 Politikjournalisten in Deutschland (PDF), welcher Partei sie am nächsten stünden. Damals gab etwas mehr als ein Drittel an, keiner Partei zugeneigt zu sein. Ein Viertel stand den Grünen am nächsten, 15,5 Prozent der SPD, 9 Prozent der CDU/CSU, 7,4 Prozent der FDP, 4,2 Prozent der Linken und weitere 0,9 Prozent nannten andere Parteien.

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Parteipräferenzen von Politikjournalisten. Quelle: Statista

Nun spiegeln diese Zahlen nicht das Wahlverhalten der Bevölkerung wieder, allerdings ergibt auch keine der Studien eine Summe von 70 Prozent, die „SPD, Grüne oder Kommunisten wählen.“ Der „Deutschland-Kurier“ möchte belegen, dass die Medien rot-rot-grün dominiert sind, bleibt aber aktuelle und exakte Nachweise schuldig.

„18,2 Milliarden – Für den Aufbau eines europäischen Satellitennavigations- und Zeitgebungssystem. Und das, obwohl das amerikanische GPS-System und das russische Glonass System genauso gut funktionieren.“

Unter der Überschrift „EU-Verschwendung — So verschleudert die EU unser Steuergeld“ werden sieben Zahlen angeführt, die den vermeintlichen Irrsinn der EU-Ausgaben illustrieren sollen. Gleich diese erste Zahl lässt allerdings Fragen offen. Tatsächlich gibt es ein europäisches globales Satellitennavigations- und Zeitgebungssystem namens Galileo, das sich derzeit im Aufbau befindet. Im Jahr 2018 sollen die letzten der geplanten 30 Satelliten in ihrer Umlaufbahn ankommen. Die Kosten belaufen sich allerdings nicht auf 18,2 Milliarden Euro, sondern wurden 2011 auf insgesamt 5,3 Milliarden Euro geschätzt. Die Kosten für Entwicklung und Betrieb sollen sich laut „Futurezone“ bis 2020 auf 13 Milliarden Euro belaufen. Galileo wird in zivilen Strukturen betrieben. Die bisher bestehenden Systeme aus den USA, Russland und China dagegen setzen auf militärische Betreiber.

Die 18,2 Milliarden Euro wären also mehr als das Dreifache der aktuellen Schätzung. Diese Zahl findet sich in Zusammenhang mit dem Galileo-System nur an einer Stelle: Im Jahr 2001 schätzte man die möglichen Einnahmen aus den Diensten für den Transportsektor auf diese Summe.

„916 Millionen Euro — Für die Förderung von Zigaretten, die in Europa wegen ihrer schlechten Qualität kaum Abnehmer finden.“

Auch diese Zahl stammt aus der Liste über angebliche EU-Steuergeldverschwendungen. Tatsächlich wurde der Tabakanbau in Europa eine Weile lang über die Europäische Union gefördert. Diese Subventionen wurden allerdings schon im Jahr 2010 eingestellt und bis heute nicht wieder aufgenommen.

„400 Millionen Euro — Für einen spanischen Flughafen, auf welchem täglich drei Privatjets landen. Der Flughafen verfügt über einen Springbrunnen und einen Steinfußboden.“

Offenbar beruft man sich an dieser Stelle, ebenso wie bei der Angabe zu den Tabak-Förderungen, auf einen Foreneintrag von 2005, der wiederum einen Artikel aus der „Bild“-Zeitung aufgreift. Die Formulierungen sind zum Teil wortwörtlich übernommen. An dieser Stelle wurde jedoch wahrscheinlich eine Zahl vertauscht: Im Forum heißt es an dieser Stelle, für den Flughafen würden 10 Millionen Euro aufgewendet.

Um welchen Flughafen es sich handelt, ist nicht klar. In Spanien gibt es eine Reihe sogenannter Geisterflughäfen. Der Europäische Rechnungshof resümierte in einem Bericht von 2015 (PDF), dass 7 von 20 untersuchten EU-geförderten Flughäfen sich nicht rentieren. Die Gesamtfördersumme der Flughäfen betrug allerdings 666 Millionen Euro.

„Die CDU hat ihren Slogan für die Bundestagswahl verkündet: ‘Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.’ Während sich das Internet über den dazugehörigen Hashtag lustig macht (#fedidwgugl), fragen wir uns, welches Deutschland die CDU denn meint? Das Deutschland, in dem es allein letztes Jahr 1783 Terroropfer gab? Liebe CDU, darauf verzichten wir gerne.“

Eine erschreckende Zahl. Doch auch hier sucht man vergeblich nach einer Erklärung. Geht man davon aus, dass islamistischer Terror gemeint ist, zählt man im Jahr 2016 insgesamt fünf Anschläge:

  • Hannover, 26. Februar 2016: Eine 16-Jährige verletzt einen Polizisten mit einem Messer

  • Essen, 16. April 2016: Drei Menschen werden bei einem Sprengstoffanschlag auf ein Gebetshaus der Sikh-Gemeinde verletzt

  • Würzburg, 18. Juli 2016: In einem Regionalzug werden fünf Menschen mit einem Messer und einer Axt verletzt

  • Ansbach,24. Juli 2016: Bei einem Anschlag mit einer in einem Rucksack versteckten Bombe werden 15 Menschen verletzt

  • Berlin, 19. Dezember 2016: Anis Amri steuert einen LKW auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Insgesamt sterben zwölf Menschen, 55 Personen werden verletzt

Insgesamt ergibt das 79 Verletzte. Zwölf Menschen wurden bei den Anschlägen getötet. Außerdem starben drei der Attentäter.

Fazit

Laut Selbstverständnis ist der „Deutschland-Kurier“ eine „Klartext-Zeitung.“ Man werde „Fakten zum Durchbruch verhelfen“, heißt es im Editorial unter anderem. Im Hinblick auf die untersuchten Zahlen allerdings wird das Blatt dem eigenen Anspruch nicht gerecht: Viele Fakten stimmen nicht.

 

Update vom 21. Juli 2017: Der Artikel wurde um eine Schätzung der Kosten für Entwicklung und Betrieb des Galileo-Systems in Höhe von 13 Milliarden Euro ergänzt.