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Wie aus hundert plötzlich tausend Randalierer wurden

Was ist im schwäbischen Schorndorf passiert? Bundesweit wurde über die 49. Schorndorfer Woche und die Ausschreitungen von Jugendlichen berichtet. Dazu veröffentlichte das Faktencheck-Team von Correctiv bereits am Dienstag einen Artikel und korrigierte Übertreibungen. Inzwischen wird die aufgebauschte Berichterstattung von vielen Medien aufgearbeitet. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

von Pauline Schinkels

© Ivo Mayr

Am Dienstag hat das Faktencheck-Team von CORRECTIV bereits einen Text veröffentlicht, der die Aussage prüfte, dass 1.000 Migranten während eines Volksfest am Wochenende in Schorndorf randaliert hätten. Schon am 18. Juli haben wir geschrieben, dass das nicht stimmt. Außerdem haben wir alle Fakten, die zu diesem Zeitpunkt bekannt waren und solche die nicht stimmten bzw. noch unbekannt waren, in einem Text zusammengefasst.

Die zunächst aufgebauschte Berichterstattung zu Schorndorf wird drei Tage nach Festende inzwischen von vielen Medien aufgearbeitet. Unter anderem hat sich die Deutsche Presse Agentur (dpa) bereits entschuldigt. Wegen eines Missverständnisses hatte die Nachrichtenagentur aus 1.000 jungen Leuten, die sich versammelten, 1.000 junge Leute, die angeblich randalierten, gemacht. In der Folge wurde der Fall in einigen Zeitungen und im Social Web zum Flüchtlingsmob aufgebauscht und Vergleiche zur Kölner Silvesternacht gezogen.

Zum Ende der Woche sind viele weitere Informationen zum Schorndorfer Fest bekannt. Das zuständige Polizeipräsidium Aalen veröffentlichte am Mittwoch eine vorläufige Bilanz. Demnach haben sich etwa hundert Jugendliche, „überwiegend mit Migrationshintergrund“, feindselig gegenüber der Polizei verhalten gehabt. Nach dem Ermittlungsstand vom Mittwoch wurden während der Schorndorfer Woche insgesamt 53 Straftaten zur Anzeige gebracht, wovon sich 28 Delikte in der Nacht von Samstag auf Sonntag ereigneten. Wie viele der Anzeigen sich gegen junge Erwachsene mit Migrationshintergrund richten, ist weiterhin unklar. Da nicht immer Tatverdächtige ermittelt werden konnten, läuft die Mehrzahl der Anzeigen von Samstag auf Sonntag „gegen unbekannt“. 

Insgesamt wurden bisher neun Sexualdelikte zur Anzeige gebracht, die von der Polizei bearbeitet werden. Von den vier bisher bekannten Tatverdächtigen kommt einer aus dem Irak, drei weitere junge Flüchtlinge sind aus Afghanistan.

Von der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden während des Stadtfests „Schorndorfer Woche“ mehrere Polizeiwagen beschädigt und mit Graffiti beschmiert, ab 22:00 Uhr kam es zu mehreren Flaschenwürfen unter den Feiernden und gegen die Fassade des Schorndorfer Schlosses. In einem Fall warf ein 16 Jahre alter Deutscher aus der Menschenmenge eine Flasche und traf den Kopf eines 19 Jahre alten Syrers, der dadurch leichte Verletzungen erlitt und vom Rettungsdienst versorgt werden musste.

Nach den Vorfällen zwischen Samstag und Sonntag wurde die Polizeipräsenz massiv erhöht. Der Rest des Festes verlief friedlich. Auch in den Vorjahren kam es während der Schorndorfer Woche immer wieder zu Ausschreitungen. 2016 wurden, laut Auskunft eines Polizeisprechers, während des fünftägigen Stadtfests insgesamt 28 Delikte angezeigt. 

Das Thema wurde, auf Antrag der AfD, zuletzt im baden-württembergischen Landtag diskutiert. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sprach von einer Schande für Deutschland. Schuld sei die Flüchtlingspolitik der etablierten Parteien. Das Video zur entsprechenden Sitzung können Sie hier einsehen (ab 1:06 Stunde).