Hintergrund

Yousuf K., der Millionenmann, den es nicht gab

Werbung spielt mit Emotionen. Aber was, wenn sie auf eine frei erfundene Geschichte setzt, die nichts als Sozialneid, Hass und Wut schürt? Das Faktencheck-Team von Correctiv hat den Fall einer solchen Fake-Werbung recherchiert.

von Pauline Schinkels

Desktopbild der Seite Web24News, auf der die Fake-Werbung platziert ist

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Frei erfunden
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Die Geschichte ist frei erfunden und zielt auf Clicks.

„Asylant knackt Millionen-Jackpot! Das Geld schickt er ins Ausland und bezieht weiterhin Hartz 4.“ Das ist eine Überschrift, die aufregen soll. Und es ist eine Überschrift, die Geld bringen wird.

Der Artikel steht auf einer Internetseite, die sich Web24News nennt. Es geht um Yousuf K.. Yousuf ist angeblich 36 Jahre alt, lebt unbefristet im bayerischen Bamberg, ist arbeitslos und hat eine Million Euro gewonnen, die er seinem Onkel im Ausland überwiesen haben soll. Aus Angst, die deutschen Behörden könnten ihm das Geld sonst wegnehmen.

Es ist alles da für einen konstruierten Aufreger. Eine horrende Summe Geld. Ein Asylbewerber, der hier unser Sozialsystem ausnützt, der auf unsere Kosten lebt, der nicht arbeitet, den der Staat trägt, den doch wir! alle! hier! tragen.

Viel Aufregung bringt viel Geld

Das Geld, das Yousuf gewonnen hat, kommt von einem Casino, das nicht nur im Text mehrfach genannt wird, sondern auch prominent Werbung auf der Seite schaltet. Und Yousuf äußert sich im Artikel auch selbst begeistert über dieses Casino, er spricht von Freispielen, von einem Sonderangebot, von seinem großen Gewinn. „1.374.862€!“

Nichts davon stimmt. Im Text wird ein Bild gezeigt, dass Yousufs neuen Kontostand zeigen soll — mit dem Logo der Commerzbank. „Es handelt sich bei dem Screenshot um kein real existierendes Konto“, sagt ein Sprecher der Bank zu der Abbildung. Im Text wird auch erwähnt, dass die „Behörden“ wegen des vermeintlichen Sozialbetrugs bereits mit Yousuf gesprochen hätten. Fragt man bei der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach, ist so ein Fall nicht bekannt. Und das Bild über dem Artikel, das angeblich Yousuf zeigt, ist eines, das die rechte Internetplattform Dortmundecho bereits im März 2016 für eine ganz andere Geschichte nutzte.

Den Fall Yousuf K. kennt niemand

Die Story vom dreisten Glückspielmillionär, die Geschichte vom Sozialschmarotzer Yousuf ist frei erfunden. Sie ist geschrieben, um gezielt aufzuregen, um möglichst oft in sozialen Netzwerken geteilt zu werden. Sozialneid, Hass, Wut dienen hier als Werbeschmiermittel für ein Online-Casino.

Die Homepage, auf der dieser Artikel steht, sieht auf den ersten Blick aus wie eine normale Nachrichtenseite. Wer aber auf die einzelnen Ressorts wie Wirtschaft, Börse, Unternehmen und Finanzen oder den Autorennamen klickt, der landet stets auf der Webseite des besagten Online-Casinos. Das Grand Mondial.

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Optisch soll die Homepage wie eine ganz normale Nachrichtenseite wirken.

Hat das Casino für den Text bezahlt? Für einen Artikel, der mit gezielter Stimmungsmache Reichweite erzielen und so möglichst viele neue Spieler und möglichst viel Geld einbringen soll? Wer die deutsche Service-Hotline anruft, wird auf englisch darüber informiert, dass sämtliche Telefonleitungen gerade überlastet sind. Ein Impressum hat die Seite des Grand Mondial Casinos nicht. Nur die E-Mail-Adresse eines IT-Supports, unsere Anfrage dort blieb bis zur Veröffentlichung dieses Textes unbeantwortet. Außerdem wird Casino-Nutzern noch ein Live-Chat angeboten. Wir wenden uns an Frances. Auf unsere Fragen antwortet er, er will, dass wir die neue Sofortmillionärin werden. Frances ist ein Chatbot.

Das Casino ist illegal

Für Glücksspiele im Netz stellt Schleswig-Holstein als einziges Bundesland in Deutschland Lizenzen aus. Oder besser hat ausgestellt. Denn aktuell vergibt das Bundesland keine neue Zulassungen mehr. Wer bis dato eine entsprechende Lizenz erhalten hat, lässt sich online einsehen. Und in der Liste fehlt das Grand Mondial Casino.

Das ist nicht verwunderlich, denn anders als Anbieter von Web-Sportwetten oder Poker sind Online-Casinos in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt. Welche Zulassung das Grand Mondial Casino innehat, steht auf der Homepage. Es ist eine Lizenz der Kahnawake Gaming Comission, Kahnawake ist ein Mohawk-Reservat südlich von Montreal in Kanada, dort lebt ein nordamerikanischer Indianerstamm.

Viele Anbieter von Glücksspielen im Web haben in Deutschland keine Lizenz — und sind damit hier illegal. Innerhalb von Europa erhalten sie häufig maltesische oder gibraltarische Lizenzen, außerhalb von Europa kommen die Genehmigungen von den Cayman Inseln — oder eben Kanada.

50 bis 100 solcher illegalen Anbieter gibt es in Deutschland, schätzt Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim. Mit den Online-Casinos lässt sich nicht nur leicht Geld verdienen, es lässt sich auch leicht Geld waschen oder am Fiskus vorbei führen. Und zu befürchten gibt es wenig. Weder für die Spieler noch für die Anbieter. Rechtlich belangt wurde bisher kaum jemand. Das gilt für dubiose Spielangebote ebenso wie geschmacklose Werbemaschen.

Bei Facebook als gesponster Beitrag

Der Artikel über Yousuf K. wurde bei Facebook gepostet. Um dem Artikel einen vermeintlichen News-Charakter zu verleihen, wurde die besagte Überschrift in ein Bild der Nachrichtensendung RTL Aktuell montiert — und so als Screenshot über Facebook verbreitet. Die Non-Profit-Organisation Mimikama berichtete vor Kurzem darüber.  

Vergangene Woche hat RTL das Bild gemeldet, inzwischen ist der Post bei Facebook nicht mehr zu finden. Bis dahin hat das Netzwerk aber an dem Text dazu verdient, der Artikel wurde bei Facebook als gesponserter Beitrag geschaltet, Facebook also Geld bezahlt, um dem Text eine höhere Reichweite zu garantieren.

Vom 19-Jährigen, der seinen Ruhestand antritt

Es ist nicht die einzige Fake-Geschichte, in der das Casino im Netz auftaucht. Es gibt noch weitere. Von der frisch gekürten Millionärin Sabine aus Köln oder von einem jungen Mann, der angeblich am Frankfurter Flughafen mit viel Bargeld festgenommen worden seien soll.

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„Über und über mit Geld bedeckt“, wurde ein 19-Jähriger am Frankfurter Flughafen aufgelesen.

„19-jähriger will mit 1.2m EUR in bar ausreisen — am Zoll verhaftet!“ So lautet die Überschrift, und wieder geht es um einen wundersamen Gewinn — der Gewinner, ein gewisser Christian Neumann, soll bei einem Versuch, sich in seinen „wohlverdienten Ruhestand“ nach Costa Rica abzusetzen, kontrolliert worden sein, weil er „einen ungewöhnlichen Körperbau“ aufwies.

Der Grund wird natürlich prompt mitgeliefert. Der Mann sei über und über mit Geld bedeckt gewesen. Deshalb sei er von Zollbeamten und Sicherheitsbeamten aufgegriffen worden. Es habe sogar eine Unterredung mit der Bundespolizei stattgefunden haben. Aber alles halb so wild. Nach dem Gespräch konnte sich der Gewinner, wie geplant, ganz bequem nach Costa Rica absetzen.

Stets aktuell, stets aktuell erfunden

Das Datum dieses Textes läuft, wie bei dem Artikel über Yousuf, immer mit, genau wie bei den Kommentaren unter den Texten. Sie sind immer aktuell. Immer von heute. Yousuf hat immer gerade erst gewonnen. Christian ist immer gerade erst nach Costa Rica geflogen.

Vergleicht man die Kommentare unter den beiden Texten, fällt auf, dass die Fotos der Kommentatoren immer dieselben sind, nur Namen und Inhalte wurden leicht abgeändert. Und natürlich äußern sich alle restlos begeistert über das Netzcasino.

Zoll und Bundespolizei in Frankfurt weisen den Fall von Christian übrigens zurück, etwas Derartiges hat sich im gesamten vergangenen Jahr am Frankfurter Flughafen nicht zugetragen.