Artikel

Wie aus einem traurigen Todesfall ein Politikum wurde

In Bergisch Gladbach hat ein türkisch-stämmiger Jugendlicher einem Mann ins Gesicht geschlagen, der daraufhin mit dem Kopf auf den Boden prallte und starb. Ein trauriger Fall, der aus dem AfD-Umfeld nun für politische Zwecke missbraucht wird.

von Christoph Brüggemeier

So wurde der Fall im Netz wiedergegeben.

Für Empörung in den sozialen Medien sorgten am Dienstag Berichte über einen türkischen Jugendlichen, der einen Mann zu Tode geprügelt haben soll. So haben mehr als 1.500 User einen Facebook-Beitrag des AfD-Kreisverbandes Mettmann geteilt, dort steht: „18 jähriger Türke schlägt Familienvater. Er stirbt kurz darauf. Keine Untersuchungshaft, keine besondere Schwere der Tat. (…) Schäm Dich, Deutschland.“

Auch 600 Facebook-Follower von „Wunderweib“ haben einen Beitrag geteilt, der suggeriert, dass hier ein mutmaßlicher Täter straffrei davon komme: „Irgendwas läuft doch hier falsch: Familienvater (40) wird zu Tode geprügelt – und Tatvedächtiger (18) kommt frei.“ (Rechtschreibfehler im Original)

afd-wunderweib-pixeled_1024.jpg

So wurde der Fall in den sozialen Netzwerken wiedergegeben.

Ein sich anbahnender Justizskandal? Nicht bei näherem Hinsehen

Denn der mutmaßliche Täter stand noch gar nicht vor Gericht. Und auch Tatverlauf und Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft stellen sich anders dar, als behauptet. Zu den Fakten.

  1. Der falsche Vorwurf des Totschlags

    Der Vorfall ereignete sich am vergangenen Donnerstag in der Fußgängerzone von Bergisch Gladbach. Dort kam es zum Streit zwischen sechs Jugendlichen und drei Erwachsenen. Erst flogen die Worte, dann die Fäuste. Schließlich schlug der 18-jährige Jugendliche dem 40-Jährigen, der alkoholisiert war, ins Gesicht. „Dieser fiel daraufhin mit dem Kopf auf den Asphalt und erlitt dabei die tödlichen Verletzungen“, berichtete die Bild-Zeitung.

    Nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwalts habe der Täter hierbei ohne Tötungsabsicht gehandelt. Die tödlichen Verletzungen habe das Opfer durch den Aufprall auf den Boden erlitten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen Körperverletzung mit Todesfolge — nicht wegen Totschlags. Das verschweigt die AfD, ebenso wie den Umstand, dass das Opfer betrunken war.  

  2. Besondere Schwere und U-Haft können nach rechtsstaatlichen Prinzipien nicht verhängt werden

    Auch an anderer Stelle geht die AfD juristisch unsauber vor. Die Forderung nach Untersuchungshaft erweist sich als haltlos, da nicht einmal der Vorwurf einer schweren Straftat wie Mord und Totschlag eine Untersuchungshaft rechtfertigt. Denn nur wenn ein Täter im Verdacht steht, das Strafverfahren zu beeinträchtigen, darf eine U-Haft angeordnet werden.

    Die zuständige Staatsanwaltschaft geht aber nicht von Fluchtgefahr aus. Noch haltloser erscheint die Forderung der AfD nach einer Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Diese kann nur ein Richter am Ende eines Strafprozesses feststellen. (Die Folge: Der Verurteilte kommt auch nach Verbüßung seiner Haftstrafe vorerst nicht frei.)

  3. Straffreiheit? Noch ist das Urteil nicht gesprochen

    Das AfD-Umfeld suggeriert, dass der mutmaßliche Täter straffrei davonkommt. Tatsächlich jedoch muss der tatverdächtige Jugendliche mit einer mindestens dreijährigen Haftstrafe rechnen. Nach Presseberichten hat der 18-Jährige die Tat inzwischen gestanden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft bald Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhebt. Diese wird laut Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren geahnde

Fazit:

Die AfD und ihr Umfeld emotionalisieren einen traurigen Fall. Der Rechtsstaat beruht auf Gesetz und Verfahren, nicht auf Wut und Gefühl. Es werden bewusst einige Schlüsselinformationen verschwiegen. Hierdurch soll das Bild eines ausländischen Straftäters gezeichnet werden, dessen Taten nicht von der deutschen Justiz geahndet werden.