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Empört euch? Was sagt der Minister dazu?

Wie verhalten bei einer Demonstration von Rechten? „Ich bleibe zu Hause!” Die Aussage findet sich auf einem Plakat vor dem Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gestern bei einem Besuch der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen abgelichtet wurde. Ein Foto, seine Karriere im Netz und die ganze Geschichte.

von Pauline Schinkels

Würde der Innenminister wirklich von Demonstrationen gegen Rechten abraten, fragten sich gestern viele User. Quelle: Foto eines Tweets.

Eigentlich war es nur eine ganz normale Pressemitteilung. Zwei Bilder, der Innenminister inmitten einer Schülerschar, der Innenminister inmitten von Bürgern. Noch am gleichen Tag landete eines dieser Bild bei Twitter. „De Maizière impft Schüler“, schrieb ein User unter das Foto. Der Tweet wurde innerhalb kürzester Zeit hundertfach geteilt.

Was war passiert? Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) besucht am Montag die Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. In dem ehemaligen Stasi-Gefängnis traf er auf eine Schülergruppe aus Bad Hersfeld, Thema: „Linke Militanz in Geschichte und Gegenwart“. Es ging um die SED-Diktatur, es ging um Linksextremismus.

Eine Mitarbeiterin hatte für das Treffen ein Rollenspiel vorbereitet, „Was würdest du tun, wenn morgen in deiner Stadt eine NPD-Demonstration stattfinden würde“, lautete die Frage an die Schüler. Dafür sollten alle verschiedene Positionen einnehmen – es gab die Gruppe, die friedlich demonstrieren wollte, es gab die Gruppe, die den NPD-Anhängern mit Gewalt begegnen wollte — und diejenigen, die lieber zu Hause bleiben wollte weil demonstrieren nichts bringe. 

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Es waren Posts wie diese, die sich gestern rasch verbreiteten.

„Es gibt genug Probleme“, „Zuhause ist man sicherer“, die Schüler sammelten auf dem Plakat verschiedene mögliche Gründe zu den Positionen – vor diesem Plakat saß auch de Maizière, das dann erst in der offiziellen Pressemitteilung des Ministeriums – und später bei Twitter landete. 

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Das Bild findet sich auch auf der Seite des BMI

„Wir impfen den Schülern dabei keine Meinung ein“, erklärt auf Correctiv-Anfrage eine Mitarbeiterin der Gedenkstätte. Diskutiert wurde über Gewalt bei Demonstrationen, aber auch über zivilen Ungehorsam, wie etwa über Sitzblockaden. „Die Jugendlichen sollen verschiedene Formen, wie man Protest ausdrücken kann, kennenlernen.“

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So sah wohl die ursprüngliche Rollenverteilung aus.

Der Innenminister habe weder Position vor den Schülern bezogen, noch die Teilnehmer von einer Position überzeugen wollen. Das gab das Bundesinnenministerium heute noch einmal auf Twitter bekannt. Die Darstellung in sozialen Netzwerken sei grob verzerrend heißt es in der Stellungnahme. „Zu unterstellen oder auch nur zu vermuten, der Bundesinnenminister vertrete die Auffassung, man solle nicht `gegen Nazis` demonstrieren, ist abwegig“, stellte eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage von CORRECTIV klar (*).

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Bei Twitter äußerte sich das BMI bereits zu den Vorwürfen.

Ganz zufällig war der Termin aber wohl in Wahlkampfzeiten nicht gewählt worden – de Maizière war nach Hohenschönhausen gekommen, um sich über deren aktuelle Arbeit zur Prävention von Linksextremismus zu informieren. Für die kommende Legislaturperiode forderte der Minister weitere Projekte. Über den Besuch hatten diverse lokale Medien berichtet. Vor etwa zwei Monaten kam es während des G20-Gipfels in Hamburg zu Ausschreitungen. Erst vor wenigen Wochen hatte de Maizière den Verein „linksunten.indymedia.org“ verboten.

Update: * Diese Stellungnahme vom BMI wurde ergänzt. 

Weiterführende Links zu der Debatte: 
https://www.vice.com/de/article/xww9bk/foto-will-der-innenminister-schuler-hier-davon-abhalten-gegen-neonazis-zu-demonstrieren