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Die AfD – eine Partei für Zuwanderer?

Wahlwerbung der besonderen Art: Die AfD Hessen wirbt damit, dass 34 Prozent ihrer Wähler einen Migrationshintergrund hätten. Doch die Zahl stammt aus einer alten Studie und hat mit dem Bundesland Hessen wenig zu tun.

von Christoph Brüggemeier

Hochhaussiedlung in Freiburg, Symbolbild.© growing up in Freiburg von micagoto unter CC BY 2.0

Seit Mittwochabend ist auf der Facebookseite der hessischen Alternative für Deutschland (AfD) zu lesen: 34 Prozent ihrer Wähler haben einen Migrationshintergrund. Einer von ihnen kommt in einem tausendfach geteilten Video zu Wort: Shoresh Mohammadi erzählt, wie er vor fast 30 Jahren mit seinen Eltern aus dem Iran floh, weil er sich von der Islamisierung seiner Heimat bedroht sah. Da Mohammadi nun auch in Deutschland eine bevorstehende Islamisierung befürchte, gebe er seine Stimme der AfD. Etwa 250.000 Menschen haben das Video inzwischen im Netz gesehen.

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Haben viele die rechtspopulistische Partei also falsch verstanden? Möchte die AfD aus Deutschland einen sicheren Hafen für Menschen machen, die sich religiös verfolgt sehen? Wie ist es zu erklären, dass 34 Prozent der AfD-Wähler einen Migrationshintergrund haben, wie der Facebook-Post der Partei suggeriert?

Tatsächlich stammt die Zahl aus einer Studie des Soziologen Sören Werner, die CORRECTIV vorliegt. Befragt wurden Stimmberechtigte aber nicht bundesweit, sondern nur jene Wähler, die bei der baden-württembergischen Landtagswahl 2016 im Freiburger Stadtgebiet eines von insgesamt sieben ausgewählten Wahllokalen aufgesucht haben. Von den 1.548 Befragten haben 118 Personen angegeben, die AfD gewählt zu haben. 40 von ihnen erklärten von sich, Migrationshintergrund zu haben.

Einen besonders hohen Anteil an AfD-Wählern mit Migrationshintergrund hat die Studie im Freiburger Stadtteil Landwasser ausgemacht. In der von Hochhäusern geprägten Siedlung wohnen viele Russlanddeutsche. Viele von ihnen sind der Meinung, dass es „zu viele Ausländer gibt“. Hinzu kommen Abstiegsängste und der Glaube daran, dass es syrische Flüchtlinge heute besser haben als sie selbst, als sie sich in den 90er Jahren eine Existenz aus dem Nichts in Deutschland aufbauen mussten.

Eine Partei für Russlanddeutsche

Dass die AfD großen Zulauf aus dem Umfeld von Spätaussiedlern erfährt, lässt sich auch in den sozialen Medien beobachten. Viele der Abonnenten der russlandfreundlichen Nachrichtenseite „RT deutsch“ folgen auch der AfD. Auf der Facebook-Seite „Russlanddeutsche für AfD“ wurde ein Video, das für die rechtspopulistische Partei wirbt, innerhalb von 16 Stunden fast 6.000 Mal angesehen. Darin heißt es: „Ab 1990 kamen wir endlich nach Hause. Wir bewahrten uns unsere Kultur und Sprache und wir wollten endlich deutsch sein dürfen. Wir wollten endlich unsere christlichen Werte ausleben dürfen, die wir weder im sozialistischen System, noch in den teilweise muslimischen Ländern der UdSSR ausleben durften. Und was fanden wir? Unsere Kinder wurden zum Sexualkundeunterricht gezwungen, Ehe für alle und Christopher Street Day, (…) dunkle verschleierte Menschen. – Nur nicht unser Recht, endlich deutsch sein zu dürfen. (…) Aber es gibt noch Hoffnung, wenn wir uns politisch einsetzen und die AfD wählen.“

Fazit:

Die Behauptung, dass 34 Prozent der AfD-Wähler einen Migrationshintergrund hätten, bezieht sich auf das Freiburger Stadtgebiet bei der Landtagswahl 2016. Der Wert ist nicht auf Gesamtdeutschland übertragbar. Bei den Migranten, die die AfD wählten, handelt es sich zumeist nicht – wie suggeriert – um Menschen mit orientalischer Herkunft. Viele der AfD-Wähler mit Migrationshintergrund sind Russlandeutsche. Sie stammen aus der früheren Sowjetunion.