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Alles auf Grün

Hashtag-Kampagnen, Fake-Zitate, Watchblogs - die Partei mit der Sonnenblume im Logo muss in den sozialen Medien einiges einstecken. Für den Wahlkampf haben sie extra eine Netzfeuerwehr gegründet.

von Lara Malberger , Karolin Schwarz

Cem Özdemir beim Wahlkampf© Thomas Kienzle / AFP

Seit Mitte April läuft die Hashtagkampagne #GrueneVersenken auf Twitter. Angestoßen wurde sie offenbar von einer Twitter-Nutzerin namens Sandrine Becker, die nach eigenen Angaben in Norwegen lebt. Erklärtes Ziel ist es, den Grünen ein Wahlergebnis unter der Fünf-Prozent-Hürde zu bescheren. Zeitweilig werden bis zu 2.000 Tweets pro Tag unter dem Hashtag veröffentlicht. Verwandte Hashtags sind etwa #TrauDichDeutschland und #AfDwaehlen, sowie #AfD, die sowohl von AfD-Anhängern als auch Partei-Mitgliedern veröffentlicht wurden.

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Die Top 10 der verwandten Hashtags | Quelle: hashtagify.me

Wir haben uns die zehn erfolgreichsten Tweets der vergangenen zwei Wochen unter dem Hashtag angeschaut:

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Die meisten dieser Tweets enthalten falsche Informationen oder aus dem Kontext gerissene Zitate, vor allem in Bezug auf Katrin Göring-Eckardt (fünf der zehn Tweets). Nach wie vor gehört auch Volker Beck zu einem der Angriffsziele der rechten Stimmungsmacher. So heißt es zum Beispiel, ein Ministerposten für Beck müsse verhindert werden. Volker Beck hatte die Abstimmung um einen der aussichtsreicheren Listenplätze der Grünen in Nordrhein-Westfalen verloren und kandidiert auch nicht für den Bundestag. Zwar müssen Bundesminister nicht zwingend ein Mandat haben, Volker Becks Aussichten auf einen solchen Posten sind jedoch sehr gering, nicht zuletzt wegen seiner Position innerhalb der Partei.

Zu den einflussreichsten Twitter-Accounts gehört der Account @balleryna. Zunächst gaukelte Balleryna noch vor, eine 17-jährige Deutschrussin zu sein. Inzwischen twittert ein „Team Balleryna“ mit AfD-Profilbild unter dem Account. Das Datenteam des Tagesspiegels und Netzpolitik.org hatten sich das Twitter-Konto mit 285.000 Followern genauer angesehen und waren zu dem Schluss gekommen, dass es sich um einen Scheinriesen handelte.

Die grüne Netzfeuerwehr

Eine Maßnahme der Grünen um gegen das Bashing vorzugehen ist die Netzfeuerwehr: In einer geschlossenen Facebookgruppe suchen die Mitglieder nach Fakes und Diffamierungen, die die Grünen betreffen. „Nicht alles, was gegen uns gemacht wird, sind Fake News“, sagt Robert Heinrich, Wahlkampfmanager der Grünen. Oft würden auch Fakten aus dem Zusammenhang gerissen oder überspitzt dargestellt und dann verbreitet. Wenn ein Mitglied der Netzfeuerwehr einen solchen Post in den sozialen Medien findet, wird dieser in der Gruppe gepostet. Dann werden die mittlerweile rund 3000 Mitglieder dazu aufgerufen den Post zu kommentieren oder eine Richtigstellung zu verbreiten. „Es gibt dann einen Aufruf, zum Beispiel: Dieses Zitat ist ein Fake, postet alle darunter: ‘Löscht das’. Das funktioniert sehr gut, bisher haben wir es fast immer geschafft, dass diese Posts innerhalb weniger Stunden gelöscht wurden“, sagt Heinrich. So müsse man nicht warten, bis Facebook oder die Staatsanwaltschaft reagieren. Denn dieser Weg funktioniert nicht immer: Die Ermittlungen zu einer Anzeige von Renate Künast, die sie wegen eines Fake-Zitats gestellt hatte, wurden zum Beispiel kürzlich eingestellt.

„Es ist legitim, wenn die AfD oder die FDP Videos gegen die Grünen machen. Ich finde, solange man nicht lügt, gehört das zum Wahlkampf dazu.“ Der Wahlkampf lebe von Auseinandersetzungen und von Zuspitzungen. „Das machen wir ja auch, das finde ich in Ordnung“, sagt Heinrich. „Wir haben aber Prinzipien: Es darf nicht gelogen werden und der Absender muss erkennbar sein.“

„Greenwatch Blog“ als Negativ-Kampagne

Genau das ist bei einer aktuellen Anti-Grünen-Kampagne aber nicht der Fall: Seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen macht das Blog „Greenwatch Blog“ massiv Stimmung gegen die Grünen. „Das ist klassisches Negativ-Campaigning“, sagt Heinrich, Fakten würden verdreht und einseitig dargestellt um den Grünen zu schaden. „Hinter dem Blog steht jemand, der unter dem Mantel der Anonymität und mit viel Geld diese Inhalte verbreitet“, sagt Heinrich. „Die Beiträge von Greenwatch haben oft nur wenig Likes und Shares, aber eine hohe Reichweite, die Videos haben viele Aufrufe. Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu und zwar, dass das jemand mit viel Geld pusht, um die Videos gezielt in die Timelines der potentiellen Grünen-Wähler zu spülen.“

Heinrichs größtes Problem mit der Kampagne: Niemand weiß wer dahintersteckt. Laut Blog stecken enttäuschte ehemalige Grünen-Wähler hinter den Inhalten. Heinrich vermutet den Ursprung eher im rechten Umfeld.

Schon im NRW-Wahlkampf hatte das Blog massiv Stimmung gegen die Grünen gemacht. Mitglieder der Partei nahmen das zum Anlass, die im Impressum angegebene Adresse zu besuchen, um mit dem Betreiber zu reden. Dabei stellte sich heraus: An der angegebenen Adresse in Dortmund lebt kein Sebastian Schmidt. Das Impressum ist ein Fake. Das ist auch ein rechtliches Problem, denn in Deutschland besteht für die meisten Webseiten eine Anbieterkennzeichnungspflicht. Die Grünen wollen nun prüfen, ob sie gegen die anonymen Attacken vorgehen können.

„Ich finde bei all diesen Dingen ist es wichtig, die Leute dafür zu sensibilisieren, dass nicht alles im Netz wahr ist. Wenn die AfD bei Facebook 300.000 Fans hat, sollte man vielleicht skeptisch sein, ob das alles Menschen sind oder ob auch Roboter dabei sind“, sagt Heinrich.

Die Netzfeuerwehr hat in den vergangenen Wochen jedenfalls jede Menge zu tun. Stehen die Grünen besonders unter Beschuss? „Ich will nicht weinerlich sein, wenn ich sehe, was Heiko Maas und Angela Merkel passiert“, sagt Heinrich. „Unsere Kundgebungen werden nicht so stark gestört wie die von Angela Merkel. Ich würde aber schon sagen, dass die Grünen der Hauptgegner der AfD sind. Wir sind ein natürliches Feinbild, weil wir für das Gegenteil stehen, am anderen Pol des politischen Spektrums, und das machen wir auch sehr klar. Deshalb wird gegen die Grünen schon in besonderer Weise Stimmung gemacht.“

Doch Angela Merkel sei durch ihr Agieren im Herbst 2015 ein ebenso großes Feindbild. Hier konzentriere sich der Hass auf die Person Angela Merkel, nicht auf die ganze CDU. Bei den Grünen werde die ganze Partei zum Feind. „Mit besonderen Vorlieben wie Claudia Roth, Cem Özdemir oder Katrin Göring-Eckhardt, die immer wieder besonders unter Beschuss geraten“, sagt Heinrich. Ob sich das Bashing nun auf das Wahlergebnis auswirkt oder nicht, werden die Grünen am Sonntag bewerten.

Update, 22. September 2017, 18:30 Uhr:
Das Hamburger Landgericht hat entschieden, dass die AfD Bielefeld ein erfundenes Zitat von Katrin Göring-Eckardt nicht weiter verbreiten darf.

Update, 30. Juli 2018: Wir möchten klarstellen, dass unser Beitrag den „Greenwatch Blog“ behandelt, der nicht in Verbindung steht mit dem Verein „Greenwatch“.