Faktencheck

Nein – Deutsche Sicherheitsbehörden bereiten sich nicht auf einen Bürgerkrieg vor

Droht in Deutschland ein Bürgerkrieg? Das könnte man meinen, wenn man einen Artikel der Seite „DPR-online” liest. Neue Panzerfahrzeuge der Polizei sollen als vermeintlicher Beweis dienen. Die Meldung ist falsch.

von Cristina Helberg

In Sachsen und Berlin sollen Panzerfahrzeuge des Types „Survivor R” die Polizei für die Terrorismusbekämpfung ausstatten.© http://www.rheinmetall-defence.com, Survivor R, CC BY-SA 4.0

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Das ist falsch. In Sachsen und Berlin sollen Panzerfahrzeuge des Types „Survivor R” die Polizei für die Terrorismusbekämpfung ausstatten. Mit einer Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg hat das nichts zu tun.

„Polizei und Sicherheitsbehörden rüsten sich für Bürgerkrieg in Deutschland“ titelte die Seite „DPR-online“ am 21. November 2017. Aktuell wird der alte Artikel wieder in sozialen Medien geteilt. Zuvor hatte die Facebook Seite der NPD den Artikel am 13. März 2018 geteilt. CORRECTIV hat die Aussagen des Artikels überprüft.

Für die Behauptung, Sicherheitsbehörden würden sich für einen deutschen Bürgerkrieg rüsten, nennen die Autoren drei vermeintliche Belege: Eine Großübung der Polizei am Bahnhof-Lichtenberg in Berlin, die Vorbereitung von Krankenhäusern auf Großeinsätze und die Anschaffung von Panzerfahrzeugen.

Wir haben recherchiert was hinter diesen drei vermeintlichen Hinweisen steckt.

Die Großübung der Bundespolizei

Am 25. September 2017 übte die Bundespolizei am Bahnhof Berlin-Lichtenberg „das taktische Vorgehen im Fall eines Anschlags mit einer größeren Anzahl von Opfern.“ So kündigte es die Bundespolizei in einer Pressemeldung am 18. September 2017 an. An der Übung nahmen „Streifenbeamte sowie Beamte der BFE+ und GSG 9 der Bundespolizei“ teil. Genau diese Pressemeldung wird in einem anderen Artikel auf der Seite  „DPR-online“ richtig zitiert und die Übung als Vorbereitung auf Großangriffe beschrieben. Zwei unterschiedliche Artikel derselben Website nutzen die Übung also einmal als Beleg für die Gefahr von „Großangriffen“ und einmal als Beleg für vermeintliche Vorbereitungen auf einen Bürgerkrieg. Richtig ist nur die erste Darstellung.

Fazit: Die Bundespolizei hat sich mit der Großübung nicht auf einen Bürgerkrieg vorbereitet. Stattdessen wurde ein Anschlag mit großer Opferzahl simuliert.

Die Vorbereitung von Krankenhäusern auf Großeinsätze

Die Behauptung, deutsche Sicherheitsbehörden würden sich auf einen Bürgerkrieg vorbereiten, stützt sich in dem Artikel auch auf den Hinweis, Krankenhäuser würden sich auf Großeinsätze vorbereiten. Verlinkt haben die Autoren dazu einen Artikel ihrer eigenen Website. Folgt man dem Link, ist von einer Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg jedoch keine Rede mehr. Stattdessen wird dort auf mögliche „Spreng- und Brandverletzungen durch Terroranschläge“ verwiesen. Darauf bereite sich das Klinikum Frankfurt Höchst in einer Übung vor. „Eine Explosion auf dem Höchster Wochenmarkt wurde simuliert um sich auf das Schlimmste vorzubereiten“, steht in dem Artikel.

Tatsächlich hat eine solche Übung im Klinikum Frankfurt Höchst stattgefunden. Die Klinik hat zu der Übung im August 2017 einen ausführlichen Bericht samt Fotos veröffentlicht.

„Das Klinikum Frankfurt Höchst probte im Sommer vergangenen Jahres den Ernstfall: die Versorgung von Verletzten nach einem Attentat in der Höchster Innenstadt. Ein Spezialeinsatzkommando der Frankfurter Polizei ergänzte das Katastrophenszenario um eine simulierte Geiselbefreiung“, heißt es darin. „Der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt Ende 2016 und der Amoklauf im selben Jahr in München hatten die Klinikumsleitung zu einer Katastrophenschutzübung der besonderen Art bewogen“, steht in dem Bericht.

Fazit: Die Übung im Klinikum Frankfurt Höchst diente der Simulation eines Anschlages, nicht eines Bürgerkrieges.

Die Anschaffung von Panzerfahrzeugen

Als dritten Beleg für einen nahenden Bürgerkrieg, dient der Seite „DPR-online“ die Behauptung, die Polizei werde „bundesweit mit Panzerfahrzeugen aufgerüstet, um sie auf das Schlimmste vorzubereiten.“ Der Artikel ist mit einem Bild des Einsatzwagen „Survivor R“ versehen.

„Der ‘Survivor R’ bietet Schutz gegen Minen, Beschuss mit Sturmgewehren und Gasangriffe. Offensichtlich bereiten sich die Sicherheitsbehörden auf bürgerkriegsähnliche Zustände vor“, schreiben die Autoren. Wir haben bei der Bundespolizei nachgefragt. Daraufhin erklärt die Bundespolizei, dass sie „derzeit nicht über Fahrzeuge des Types ‘Survivor R’ verfügt“. Grundsätzlich kommentiere man aber keine Medienaussagen.

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Screenshot einer Antwortmail der Bundespolizei auf eine Anfrage von EchtJetzt

 

Der Hersteller der Fahrzeuge „Survivor R“ ist das Rüstungsunternehmen Rheinmetall. Bekannt ist, dass das Bundesland Sachsen für seine Landespolizei zwei der Fahrzeuge bestellt hat. „Die Fahrzeuge gehören zu dem umfangreichen Antiterrorpaket des Landes und werden zukünftig den Spezialeinheiten der sächsischen Polizei zur Verfügung stehen“, schreibt Rheinmetall in einer Pressemitteilung.

Die Anschaffung der beiden Fahrzeuge beschäftigte auch den sächsischen Landtag. Auf eine Kleine Anfrage der Linke zum geplanten Einsatz der Fahrzeuge antwortete der sächsische Innenminister Roland Wöller am 16. Januar 2018: „Die geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeuge vom Typ ‘Survivor R’ sind primär für Schutzaufgaben und Intervention bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen, vor allem bei Terror- bzw. terrorgleichen Lagen, beschafft worden. Auf Grund ihrer Schutzeigenschaften (insbesondere gegen Beschuss oder Explosionen) sowie Robustheit sind sie darüber hinaus für alle Einsatzlagen geeignet, die entsprechendes Gefahrenpotential aufweisen können. Die Nutzung erfolgt durch Einsatzkräfte des Spezialeinsatzkommandos Sachsen, die hierfür fortgebildet werden.“

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Antwort des sächsischen Innenministers Roland Wöller am 16. Januar 2018 auf eine Kleine Anfrage der Linke

In einer vorherigen Pressemitteilung erklärte das sächsische Innenministerium am 15. Dezember 2017 wie die Fahrzeuge genutzt werden können. „Die umfangreich ausgestatteten und gepanzerten Sonderfahrzeuge stammen aus dem Hause Rheinmetall und werden insbesondere bei ‘Anti-Terror- Einsätzen’ durch Spezialkräfte des Landeskriminalamtes genutzt. Mit ihnen können die Beamten einerseits gefahrlos an Einsatzorte gebracht, verletzte oder hilfsbedürftige Personen andererseits aus dem Gefahrenbereich gerettet werden.“

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Pressemitteilung des sächsischen Innenministeriums vom 15. Dezember 2017

Auch die Berliner Polizei kaufte ein „Survivor“-Fahrzeug. Das geht aus einer Antwort des Berliner Senat auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Burkard Dregger zur „Verbesserung der Anti-Terror-Ausstattung der Berliner Polizei“ hervor. Am 17. August 2017 antwortete die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf seine Anfrage, dass man derzeit einen Survivor beschaffe und mit der Auslieferung Ende 2018 rechne.

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Antwort des Berliner Senat auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Burkard Dregger am 17. August 2017

Wir haben bei der Berliner Polizei nachgefragt, ob der „Survivor“ bereits im Einsatz ist und wofür er gekauft wird. Die Antwort: „Mit einer Auslieferung des Survivor R ist vermutlich noch in diesem Jahr zu rechnen. Das Fahrzeug wird für die Terrorismusbekämpfung angeschafft.“ Klar dementiert die Polizei eine Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg.  

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Screenshot einer Antwortmail der Berliner Polizei vom 18.07.2018 auf eine Nachfrage von EchtJetzt

Fazit: Die Fahrzeuge des Types „Survivor R“ wurden in Sachsen und Berlin zum Einsatz bei möglichen Terroranschläge angeschafft.

Alle drei Behauptungen erweisen sich bei genauerer Recherche als Vorbereitung der Sicherheitsbehörden auf mögliche Großeinsätze und Terroranschläge.

Die Seite „DPR-online“

Offenbar interpretiert die Seite „DPR-online“ Aufrüstung und neue Anschaffungen von Polizei und Sicherheitsbehörden nicht nur in diesem Fall als Hinweis auf einen bevorstehenden Bürgerkrieg. Im November 2017 wurde der Kauf von Sturmgewehren der Berliner Polizei ebenfalls für eine solche Falschmeldung genutzt. Im Februar 2018 veröffentlichte das österreichische Faktencheck-Portal „Mimikama“ einen Faktencheck dazu.

Dass sich der alte Artikel wieder in den sozialen Medien verbreitet, könnte auch daran liegen, dass die Seite „DPR-online“ zu ihren Artikeln kein Veröffentlichungsdatum anzeigt. Auf den ersten Blick ist deshalb nur schwer zu erkennen, wann der Artikel erschien. Auch im Text werden keine konkreten Zeitangaben gemacht.

Im Impressum der Seite „DPR-online“ wird die „PrivateName Services Inc.“ mit Sitz in Kanada genannt. Ein redaktionell Verantwortlicher wird nicht benannt.