Fußballdoping

„Der Spieler, ohne den nichts mehr geht“

Wie verbreitet ist Doping im Amateufußball? Wie sind ihre Erfahrungen?

von Daniel Drepper

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Die Anfrage war ausführlich, offen und ehrlich: „Hallo in die Runde, ich bin Journalist und recherchiere für ein größeres Projekt (Print, Online, Radio) zu Medikamenten, Schmerzmitteln und Doping im Fußball.“ Und weiter: „Ich möchte das Thema umfassend behandeln und habe kein Interesse daran, einzelne Sportler an den Pranger zu stellen.“ Dazu Handynummer, Mail, anonymes Postfach. Die Anfrage habe ich in einigen Foren hinterlassen, bei Fußballfans und in Foren für Bodybuilder, in denen offen über Doping geschrieben wird. Ich habe über unser Recherche-Blog und über meine persönliche Webseite nach Kontakten gefragt, ich habe Bekannte gebeten, Spieler aus unteren Ligen zu kontaktieren. Außer ein paar allgemeinen Tipps habe ich nichts gehört.

Schließlich meldet sich doch jemand. Über eines der Foren, mit direkter Nachricht an mich. Wir schreiben hin und her, er beantwortet Fragen zu seinem Konsum. Er schreibt, er komme aus dem Raum Franken, habe als Jugendlicher in der Landesauswahl gespielt. Zunächst habe er sich allein gedopt, später auch Mittel an seine Freunde und Bekannten weitergegeben. Volltreffer, denke ich, das ist mein Mann. Ein erster Strohhalm.

Zu einem persönlichen Treffen ist er grundsätzlich bereit, schreibt er, aber er sei schon einige Jahre draußen und deshalb nicht sicher, ob eine Reise nach Franken für mich Sinn ergeben würde. Ich möchte ihn trotzdem treffen. Doch er macht einen Rückzieher, antwortet seitdem nicht mehr auf meine Nachfragen, verrät mir seinen richtigen Namen nicht, bleibt anonym. Ich hätte ihn gerne getroffen, hätte seinen Namen bei der Veröffentlichung auf Wunsch auch verschwiegen, genau wie ich jetzt sein Synonym verschweige, dass er sich im entsprechenden Forum zugelegt hat. Aber: Ich hätte mich über ein längeres Gespräch gefreut, ein Kennenlernen – das hätte seine Geschichte glaubwürdiger gemacht.

Die schriftlichen, anonymen Aussagen über Aufputschmittel, die Wirkung oder seinen Verkauf an Teamkollegen sind deshalb nicht belegbar. Aber sie sind stimmig. Dopingexperte Mischa Kläber hat zum Doping in Fitnessstudios geforscht und auch mit dopenden Amateurfußballern gesprochen. Die haben ihm ganz ähnliche Dinge erzählt. Das anonyme Interview dürfte deshalb einen guten Einblick geben in die Welt dopender Hobbykicker.

Wie verbreitet ist Doping im Amateufußball? Wie sind ihre Erfahrungen?
Von Doping im Fußball in allen Klassen bin ich absolut überzeugt. In den unteren Klassen werden Stimulanzien genommen. In den Jugendmannschaften war ich extrem ambitioniert und habe des Öfteren für Spiele Ephedrin (ein Aufputschmittel, Daniel Drepper) konsumiert, was einem bei entsprechender Kondition hilft, diese vollkommen auszuschöpfen.

Hatten Sie das Gefühl, dass Sie ohne Ephedrin Ihre Leistung nicht bringen konnten? Warum haben Sie nicht einfach mehr trainiert? Oder hatten Sie das Gefühl: Die anderen nehmen was, also ich auch?
Ich war mit meinem Training schon fast am Limit, habe immer Extraeinheiten zum normalen Training eingebaut. Ich bin auch immer am meisten gelaufen und hatte den größten Einsatz. Ich wollte mich nur noch mehr pushen und wirklich all das aus mir rausholen, was ich mir durch mein Konditionstraining erarbeitet hatte. Denn man kann nur das leisten, was der Körper auch vorher aufgebaut hat. Ein Untrainierter wird durch Ephedrin niemals so viel leisten können, wie ein Austrainierter. Es ging somit eher darum, die persönliche Leistungsgrenze zu erreichen. Viel mehr Training ging sowieso nicht mehr. Das Gefühl, dass die anderen etwas nehmen, hatte ich nicht, da ich sowieso ein Laufwunder war. Ich wollte nur noch sehr viel besser sein, als die anderen.

Wie war die Wirkung?
Die Wirkung war teilweise grandios. Aber nicht an jedem Tag. Es gab Tage, da hatte ich das Gefühl, dass es nichts brachte. An anderen Tagen war es extrem. Ich denke, dass Aufputschmittel nur unterstützen können. Ohne passende Regeneration, Ernährung und Training wird man dadurch bestimmt nicht viel besser.

Wie hat sich das Aufputschmittel im Spiel angefühlt?
An guten Tagen hatte ich das Gefühl, jeden überlaufen zu können. Dadurch hatte ich ein extremes Selbstbewusstsein und war sehr aggressiv. Und meine Handlungsgeschwindigkeit war sehr erhöht. Das gesamte Spiel wurde schneller. Wenn ich mit Ball auf den Gegenspieler zulief, dann habe ich den Ball einige Meter an ihm vorbeigelegt, ohne irgendein Dribbling oder einen Trick, und ihn einfach überlaufen … Ich muss aber dazu sagen, dass ich durch meinen Trainingsfleiß auch die körperlichen Voraussetzungen zu solchen Aktionen hatte. Bei anderen Spielern würde sich die Wirkung wohl eher durch andere Effekte bemerkbar machen, durch Aggressionen, eine schnellere Handlungsgeschwindigkeit, schmerzlindernd. Wenn überhaupt.

Was hat das Doping effektiv gebracht? Kann man das beziffern?

Beziffern würde ich die Wirkung in etwa so: Wenn man sonst nur 90 bis 100 Prozent aus seinen Körper holen kann, so ging das mit Ephedrin auf 100 bis 110 Prozent. Man überstrapaziert seinen Körper und merkt – wenn man richtig im Laufrausch ist – auch die Grenzen nicht mehr. Als wenn man einen Adrenalinschock hat. Der Unterschied war in etwa so: Vom Leistungsträger wurde ich zum Spieler, über den alles läuft und ohne den nichts mehr geht.

Wie war ihre Dosis?
Ich habe 25 bis 50 Milligram Ephedrin etwa 45 Minuten vor dem Spiel genommen, dazu wahlweise 200 Milligram Coffein.

Gab es Nebenwirkungen? War das für Sie ein Thema?
Nach dem Spiel traten extreme Nebenwirkungen auf. Man geht halt über seine Grenzen. Mir ging es die Nacht nach dem Spiel einfach nur verdammt mies. Der ganze Körper tut weh, man hat extreme Schmerzen und fühlt sich einfach nur krank. Muskelkater und allgemeine Schmerzen hielten teilweise bis zu einer Woche an. Dann kam das nächste Spiel und man war wieder regeneriert. Das war natürlich ein Thema für mich, allerdings war die Verlockung nach der Wunderpille vor einem Spiel, wenn man wieder fit war, einfach zu groß.

Haben Sie Dopingmittel auch weiter gegeben? Haben ihre Teamkameraden etwas genommen?

Ich habe von Fußballerfreunden, die lediglich in der Kreisklasse gespielt haben, eine Menge von Anfragen erhalten, dass ich ihnen Doping besorge soll. Was ich ihnen genau gab, war denen meistens egal. Es sollte wirken. Die nahmen dann Caniphedrin und verteilten die Tabletten teilweise auch untereinander. Ich schätze, dass etwa die Hälfte der Mannschaft regelmäßig unter Stimulanzien stand. Von mindestens vier Personen weiß ich es zu 100 Prozent.

Haben Sie auch andere Substanzen verkauft? Wie teuer war das für Ihre Bekannten? Hat es dem Kreisliga-Team geholfen?

Für eine 50 Milligram-Tablette Caniphedrin habe ich etwa einen Euro genommen. Sonst habe ich nichts weiter abgegeben. Blutdoping wurde auch angefragt. Naja, ich denke eher aus Unwissenheit. Genommen haben die Jungs es eigentlich jedes Spiel. Aufwärts ging es eher marginal. Das lag wohl daran, dass die es nicht wirklich professionell eingenommen haben – und auch nicht flächendeckend. Wenn dann einige Spieler ohne taktisches Verständnis übermotiviert rumlaufen und dumme Aktionen machen, dann bringt auch der Pusher für die gesamte Mannschaftsleistung nicht wirklich viel.

Warum ist so wenig über Doping in der Kreisliga bekannt?
Die wenigsten reden über den Konsum. Die wissen genau, dass sie dadurch einen Vorteil haben. Die wollen die ganze Anerkennung haben, die aus den besseren Leistungen resultiert. Doping ist in den unteren Klassen definitiv vorhanden. Aber es ist nicht flächendeckend und in der Regel auch nicht von Trainern oder Betreuern organisiert. Viel eher wird es auf eigene Faust gemacht.

Sie spielen Amateufußball und hatten Kontakt zu Aufputsch-, Schmerz- oder anderen Mitteln? Ich freue mich über Nachrichten, gerne vertraulich. Anonym können Sie mich über unsere Upload-Plattform erreichen.