Fußballdoping

Kreisliga: Heute schon gedopt?

Wick MediNait und Aspirin Complex sind Doping

von Daniel Drepper

westhofener-spieler-1

Ein Gastbeitrag von Florian Riesewieck

Eine „Dopingprobe“ beim VfB Westhofen. Der Klub aus dem Raum Dortmund ist vor ein paar Wochen in die Kreisliga abgestiegen. Jetzt steckt er mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison. Gerade hat er ein Testspiel mit 1:3 verloren. Am Ende, als die Kraft fehlte, passierten die meisten Fehler, fielen die entscheidenden Gegentore. Mit Doping hat der VfB Westhofen vermutlich genauso viel oder wenig zu tun wie ein Team aus Bochum, Essen oder Recklinghausen. Und noch eines hat der VfB mit den anderen gemein: Über Doping Bescheid weiß kaum jemand.

Wick MediNait und Aspirin Complex sind Doping
Lucas Tielemann ist einer der Jüngsten im Team, gerade erst der A-Jugend entwachsen. Vor ihm liegen fünf Medikamente, alle würde er ohne Rezept in der Apotheke bekommen. Welche davon wohl Doping sind? „Wenn schon so gefragt wird“, sagt er, „dann tippe ich mal, zumindest zwei davon.“ Tatsächlich sind es sogar vier. Nur das Voltaren Schmerzgel ist offiziell erlaubt. Wick MediNait, Aspirin Complex, Reactine Duo und Rhinopront dagegen sind nicht nur verbreitete Medikamente, sondern auch Doping.

Ungläubiges Staunen. „Das ist schon überraschend“, gibt Westhofens Spielmacher Christoph Ferenc zu. „Reactine Duo nehme ich zum Beispiel gegen meine Allergie.“ Sein defensiver Abräumer Ergin Cenaj hat schon öfter Wick MediNait geschluckt. Dass er als Profifußballer damit eine positive Probe und eine lange Sperre riskiert hätte, wusste er nicht.

Alle vier Medikamente sollen vor allem Erkältungen bekämpfen, die Nase abschwellen. Wick MediNait enthält dafür Ephedrin, die anderen Pseudoephedrin. Beide Stoffe stehen auf der Dopingliste. „Sie wirken aufputschend“, erklärt der Apotheker Benjamin Lieske, „allerdings nur in weit höherer Dosis.“ Ein Löffel Wick MediNait etwa enthält gerade einmal sechs Milligramm Ephedrin – und außerdem auch andere Stoffe, die dafür sorgen, dass ein Patient statt aufgeputscht vielmehr schnell eingeschlafen ist. „Das Medikament wirkt also nicht leistungssteigernd, macht aber trotzdem die Probe positiv.“

Profis wissen das. Auch sie kommen schon einmal in die Apotheke von Benjamin Lieske und Vater Klaus in Castrop-Rauxel, rollen ein Informationsblatt ihres Vereins aus, das Amateure wie die des VfB Westhofen nie in der Hand haben werden, und bitten: „Gucken Sie, dass Sie mir nichts geben, was auf der Dopingliste steht.“ Bei den Lieskes brauchen sie keine Sorge zu haben. Beide sind selbst Hobby-Sportler, beide kennen sich beim Thema Doping bestens aus, weil sie schon lange daran interessiert sind.

Bei Klaus Lieske hat das mit Tauben angefangen. Als er noch ein Kind war, begleitete er seinen Vater hin und wieder zur Zucht, sah den Vögeln nach, die mit kräftigen Flügelschlägen in den Himmel schossen und grübelte, wie sie so schnell sein konnten. Es dauerte ein paar Jahre, ehe er herausfand, dass die Tauben nicht nur Körner fraßen, sondern auch Tropfen mit dem vielsagenden Namen „Blitz“ bekamen. Später grübelte Lieske als Hobby-Triathlet über Leistungsexplosionen manch eines Gegners. Und noch heute hinterfragt er beim Golfspielen die Fitness einiger Senioren. „Dass auch im Amateurfußball manche Dopingprobe positiv wäre“, sagt er, „das kann ich mir schon vorstellen.“

Heroenbildung gibt’s auch in der Kreisliga
Gerade Erkältungen halten viele Spieler von einem Einsatz nicht ab – egal, ob es um eine dreistellige Siegprämie geht oder einen einstelligen Tabellenplatz in der C-Liga. Mit etwas Medizin wird es schon gehen. Heroenbildung findet auch in der Kreisliga statt. Trainer feiern in der lokalen Presse den „harten Kerl“, der für die Mannschaft auf die Zähne gebissen hat. „Mit hartem Kerl hat das aber nichts zu tun“, findet Benjamin Lieske. „Ephedrin und Pseudoephedrin erhöhen zum Beispiel den Blutdruck. Langfristig kann das zu einem Herzschaden führen.“

Dass einige Amateurfußballer auch ganz bewusst dopen, kann sich Michael Kalwa zumindest bei den eigenen Spielern nicht vorstellen. „Da bin ich mir sicher“, sagt der junge, engagierte Trainer des VfB Westhofen. „Das würden meine Jungs nicht machen.“ Im Raum Darmstadt gibt es das aber sehr wohl. Der Sportsoziologe Mischa Kläber wollte sich in seiner Doktorarbeit 2009 ursprünglich nur mit „Doping im Fitness-Studio“ beschäftigen. Doch bei seinen anonymen Interviews stieß er per Zufall auf Fälle im Amateurfußball. Fälle, die zeigen, dass Doping schon auf dieser Ebene teils sehr bewusst und systematisch stattfindet.

Ephedrin im Fußball
„Ein Proband kam im Fitnessstudio mit Ephedrin in Kontakt“, erzählt Kläber. „In der Fitness-Szene wird sehr lax mit Aufputschmitteln umgegangen, das ist ja nichts Neues. Aber es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Fitnessstudios abgeschlossene Bereiche sind.“ Besagter Proband empfahl Ephedrin an zwei Kollegen aus dem Fußball-Team weiter. Am Ende dopte die gesamte Mannschaft. Ein ausländischer Mitspieler kam günstig an Tabletten aus der Türkei. Ephedrin Arsan heißen die, das spanische Pendant nennt sich Ephedrin Level. Jede Tablette davon enthält gleich 50 Milligramm Ephedrin, also ein Vielfaches der deutschen Erkältungsmittel. „Manchen reichte eine Tablette, um sich aufgeputscht zu fühlen. Andere nahmen immer gleich zwei.“

Die Aufputschmittel sollten schnell auch in anderen Lebenslagen helfen. „Ein Spieler, der auf dem Bau arbeitete, hat das auch abends genommen, um noch Party machen zu können. Ein anderer hat es über sechs bis acht Wochen zum Abnehmen geschluckt.“ Zum Problem wurde das erst, als die Nebenwirkungen kamen. Ein Spieler versuchte, das Ephedrin wieder abzusetzen und verfiel in Depressionen. In wenigen Wochen war er süchtig geworden. Doping – das kommt schließlich vom englischen „to dope“, also: Drogen verabreichen.

Vierstellige Gehälter, aber keine Dopingkontrollen
Ein Einzelfall ist Kläbers Entdeckung nicht. Insgesamt vier Probanden erzählten ihm von bewusstem Doping im Fußball, allesamt aus der Kreis- oder Bezirksoberliga. Während es dort noch vor allem um Spaß, Ehre und ein kühles Bier nach dem Spiel geht, können Spieler in den Oberligen monatlich vierstellige Euro-Beträge verdienen. Auch dort aber finden noch keine Kontrollen statt. Die beginnen erst in den Regionalligen. 360 Euro koste die Analyse einer einzigen Probe, erklärt der Deutsche Fußball-Bund. Mehr als 2000 führe er in Wettkampf und Training jährlich durch und ist damit nach Angaben der Nationalen Anti-Doping-Agentur der Sportverband, der am meisten kontrolliert.

Spektakuläre Fälle hat es in Deutschland indes nie gegeben. Der Fußball wahrt sein sauberes Image. „Eins muss man aber festhalten“, sagt Kläber. „Es wäre naiv zu glauben, dass Doping im Fußball keinen Sinn ergibt.“ Fußball ist nicht nur ein technischer Sport, sondern immer mehr auch ein Ausdauersport: Profis laufen in ihren Spielen teils mehr als zwölf Kilometer, müssen auch in der letzten Minute noch die Kraft für einen entscheidenden Sprint haben.

Beim italienischen Serienmeister Juventus Turin wurde Doping mit Epo 2004 sogar gerichtsfest bestätigt. Einigen spanischen Fußballern werden Kontakte zum Dopingarzt Fuentes nachgesagt. Bei der jüngsten Europameisterschaft gab es Gerüchte um Dopingvergehen des Gastgebers Ukraine. Und schon der Platzwart des Berner Wankdorf-Stadions will nach dem WM-Finale 1954 leere Ampullen auf dem Rasen gefunden haben. Aber wer würde schon am deutschen „Wunder von Bern“ rütteln wollen?

Die Spieler des VfB Westhofen diskutieren derweil in der Kabine weiter. Dass auch einige von ihnen schon einmal unbewusst gedopt waren, erscheint ihnen inzwischen gut möglich. Dann geht es nach dem anstrengenden Spiel bei einem kühlen Bier unter die Dusche. Selbst dieser Alkohol steht in einigen Sportarten auf der Dopingliste, etwa im Motorsport oder beim Bogenschießen, wo jeder Schütze um eine ruhige Hand bemüht ist. Beim Fußball hingegen wird ihm wohl nie eine leistungssteigernde Wirkung nachgewiesen. Hier gehört das Bier zum Sport dazu. Erst recht in der Kreisliga.



Die Dopingliste: Welche Medikamente sind verboten?

Ritalin

  • verschreibungspflichtig
  • Einsatz u.a. bei Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom
  • Einnahme im Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Methylphenidat

Wick MediNait

  • frei erhältlich
  • Einsatz als Erkältungsmittel
  • Einnahme im Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Ephedrin

Aspirin Complex

  • frei erhältlich
  • Einsatz bei Erkältung, Schnupfen, Fieber
  • Einnahme im Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Pseudoephedrin

Reactine duo

  • frei erhältlich
  • Einsatz als Antiallergikum
  • Einnahme im Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Pseudoepehdrin

Rhinopront

  • frei erhältlich
  • Einsatz u.a. bei Schnupfen
  • Einnahme im Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Pseudoephedrin

Spasmo-Mucosolvan

  • frei erhältlich
  • Einsatz u.a. bei Asthma
  • Einnahme im Training und Wettkampf nicht erlaubt
  • verbotener Wirkstoff: Clenbuterol

Neben diesen Medikamenten stehen auch Anabolika, Amphetamine, Cannabis, Cortison und Diuretika (zum Beispiel Entwässerungstees) auf der Dopingliste.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln gilt die Regel: Alle, die schnellen Muskelaufbau oder schnelle Gewichtsreduktion versprechen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit Doping.

Nachsehen, ob ein Medikament auf der Dopingliste steht oder nicht, kann man bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur.