Antibiotikaverbrauch in Europa

Ein Grieche hat im vergangenen Jahr mehr als dreimal so viele Antibiotika geschluckt wie ein Niederländer. Das hat das ECDC European Centre of Disease Control herausgefunden, die oberste Infektionsschutzbehörde der EU. An einem Tag bekamen in Griechenland im Schnitt 36 von 1000 Einwohnern Antibiotika verabreicht – der europäische Spitzenwert. In Holland dagegen waren es nur 10,7 Einwohner.

 

Auch auf den weiteren Plätzen erkennt man ein  deutliches Nord-Süd-Gefälle. Besonders viel Antibiotika verordnen demnach die Ärzte in Rumänien, Zypern, Frankreich, Belgien, Italien. Vergleichsweise wenig in Estland, Schweden, Lettland oder Österreich. Deutschland liegt auf dem sechstletzten Platz innerhalb der EU – mit mit 14,4 Tagesdosen Antibiotika pro 1000 Einwohner. Das ist ein vergleichsweise guter Wert.

Die Frage, wie häufig Menschen Antibiotika schlucken, ist wichtig. Denn je mehr Antibiotika verschrieben werden, desto häufiger bilden sich resistente Keime, was man ebenfalls an den Daten des ECDC sehen kann.

Warum aber werden in den südlichen Ländern so viel häufiger Antibiotika eingesetzt? Der Krankenhaushygieniker Walter Popp macht die schlechtere Gesundheitsversorgung in südlichen Ländern für den höheren Verbrauch verantwortlich. Dort gibt es Probleme bei der Hygiene, deshalb treten auch häufiger Infektionen auf, was wiederum dazu führt, dass mehr Antibiotika konsumiert werden.

Dazu kommt: Je mehr die Menschen über Antibiotika wissen, desto zurückhaltender gehen sie mit dem Medikament um. Das fand das „Eurobarometer“ heraus, eine wiederkehrende europaweite Meinungsumfrage im Auftrag der EU-Kommission. Dabei wurden die Bürger etwa gefragt, ob sie glauben, dass Antibiotika bei einer Erkältung helfen.

In Griechenland, Bulgarien und Polen wussten nur rund 30 Prozent, dass Antibiotika bei einer Erkältung nichts nützen. In Finnland, Holland und Schweden dagegen rund 80 Prozent der Bürger. Deutschland liegt mit 57 Prozent nah am europaweiten Durchschnitt des Unwissens. Das heißt, auch hierzulande würde rund jeder zweite Befragte bei Husten und laufender Nase ein Antibiotikum für sinnvoll halten. Und wer an eine heilsame Wirkung glaubt, und das Medikament bei seinem Arzt einfordert, der bekommt sie allzu häufig auch verschrieben.

Insgesamt am besten informiert über die Wirkweise von Antibiotika waren die Bürger Finnlands, Hollands und Schwedens – allesamt Länder mit niedrigem Konsum. Am schlechtesten informiert über Nutzen und Schaden von Antibiotika waren dagegen Griechen und Italiener.

In vielen Ländern können sich die Menschen Antibiotika auch ohne Rezept in der Apotheke besorgen – obwohl das selbst in Griechenland eigentlich nicht erlaubt ist, die Apotheken sich aber nicht daran halten. So werden in Griechenland rund 20 Prozent der Antibiotika eingenommen ohne dass die Patienten zuvor einen Arzt gesehen haben. In Rumänien waren es 16 Prozent, am anderen Ende der Skala: Schweden. Dort waren es nur zwei Prozent.


Texte: Hristio Boytchev
Illustration: Nick Böse
Datenvisualisierung: Simon Wörpel