Grundlagenforschung

Im Bereich der Grundlagenforschung gibt es beim Thema Antibiotikaresistenz viel Bewegung. Wissenschaftler verstehen die Ursachen und Ausbreitungsmechanismen der Resistenz immer besser und feilen an neuen Methoden, um neue Antibiotika zu entwickeln. Wer sind gute Ansprechpartner für weitere Informationen, wo finde ich Informationen, was sind wichtige Studien? Hier bieten wir einen Überblick.

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Bücher

Robert Bud: „Penicillin: Triumph and Tragedy

Ein geschichtlicher Überblick über die Entwicklung von Antibiotika und Resistenz mit einem Fokus auf Großbritannien. 

Scott H. Podolsky: „The Antibiotic Era

Geschichte der Entwicklung und Vermarktung von Antibiotika und Resistenz dagegen. Fokus auf die USA. 

Hugh Pennington: „Have Bacteria Won?

Eine realistische und leicht lesbare Analyse des heutigen Standes in unserem Kampf gegen Infektionskrankheiten.


Experten

Belgien

Herman Goossens, Mikrobiologie

Lab of Medical Microbiology
Campus Drie Eiken S. 6.23
Universiteitsplein 1
2610 Wilrijk, Belgien
Tel. +32 3 265 2751

Herman Goossens ist Professor für Mikrobiologie an der Universität von Antwerpen. Er ist außerdem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Initiative für gemeinsame Programmplanung gegen Antibiotika-Resistenzen. Um auf das Problem von Antibiotika-Resitenzen aufmerksam zu machen, initiierte er den jährlichen European Antibiotic Awareness Day. Mit seiner Forschung will er dazu beitragen, den Standard des Gesundheitswesens, der öffentlichen Gesundheit und professionellen Standards anzuheben.

Deutschland

Achim Hörauf, Mikrobiologie und Parasitologie

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie
Universitätsklinikum Bonn (AöR)
Sigmund - Freud - Straße 25
53127 Bonn
Telefon: +49 (0)228 287 15675

Achim Hörauf leitet das Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie an der Uniklinik Bonn. Hörauf ist auf Parasitologie spezialisiert. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Helminthologie,  ein Bereich, der sich mit parasitären Würmern beschäftigt. 1999 erhielt er den Hauptpreis der deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin. Mit seiner Arbeitsgruppe entwickelte er zuletzt eine Therapie für die Filarienwurmerkrankung, die auf Antibiotika basiert.

Georg Peters, Mikrobiologie

Institut für Medizinische Mikrobiologie
Universitätsklinikum Münster
Domagkstr. 10
48149 Münster
Deutschland
Telefon: +49 0251 83-55360

Georg Peters leitet das Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Münster. Er ist außerdem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des RKI. Seit mehreren Jahren und in zahlreichen Publikationen beschäftigt er sich mit dem Verhalten von Staphylococcus aureus und seiner resistenten Variante, MRSA. Seit 2008 ist er Sprecher des Bereichs Mikrobiologie, Virologie und Immunologie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In seinem aktuellen Bericht untersucht er, warum Staphylococcus aureus chronische Infektionen verursachen kann. 

Lothar Wieler, Infektionsforschung

Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen
Freie Universität Berlin
Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
14163 Berlin
Telefon: +49 30 838 51840

Lothar Wieler ist seit 2015 Präsident des Robert-Koch-Instituts und seit 1997 Fachtierarzt für Mikrobiologie. Außerdem ist er Professor an der Freien Universität Berlin, dort war er vor seiner Anstellung beim RKI Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen. Seine Forschung konzentriert sich auf Zoonosen. Das sind Keime, die zwischen Menschen und Tieren übertragen werden. Dazu gehören das MERS-Coronavirus, das SARS-Virus, Ebolaviren und der Krankenhauskeim MRSA. Besonders treibt Wieler die Frage um, was bakterielle Erreger wie E.coli dazu befähigt, verschiedene, tierische und menschliche, Wirte zu infizieren.

Schweden

Anders Nilsson, Mikrobiologie

Department of Molecular Biosciences
Stockholms universitet
Kemisk Fysik
106 91 Stockholm
Telefon: +46855378637

Anders Nilsson ist ein Associated Professor der Genetik an der Universität Stockholm. Dort leitet er seit 2007 eine Forschungseinheit, die sich mit Bacteriophagen beschäftigt. Bacteriophage sind Viren, die Bakterien als Wirtszellen benutzen. Er interessiert sich für die Genetik dieser Bacteriophagen, sucht aber auch nach noch unbekannten Exemplaren. Nilsson erforscht auch, wie Bacteriophagen gegen bakterielle Infektionen genutzt werden können.

Häufigkeit von MRSA. Mehr erfahren

Spanien

Jordi Vila Estape, Mikrobiologie

ISGlobal - Campus Clínic
Rosselló, 132, 7th floor
08036 Barcelona
Spain
Telefon: +34 93 227 1806

Jordi Vila Estape ist Leiter des Instituts für klinische Mikrobiologie in der Universitätsklinik Barcelona und Medizinprofessor an der Universität Barcelona. Am Barcelona Institut für globale Gesundheit ist er Leiter der Initiative gegen Antibiotika-Resistenzen. Vila konzentriert sich auf die mikrobielle Basis von Antibiotika-Resistenzen. Außerdem sucht er nach neuen Antibiotika. So forscht er zum Beispiel über ein neues Derivat des Antibiotikums ciprofloxacin.

USA

George Drusano, Mikrobiologie

University of Florida
Administration
UF Research and Academic Center at Lake Nona
6550 Sanger Road
Orlando, FL 32827
Telefon (allgemein): +1 407-313-7068

George Drusano ist Präsident der “International Society for Anti-infective Pharmacology (ISAP)” und Ko-Direktor am Ordway Research Institute. Außerdem forscht er an der Universität von Florida zum Thema infektiöse Krankenheiten. Für seine herausragende Arbeit mit der Antiobiotikagruppe der Fluorquinolone bekam er den Rhone-Poulenc-Award. Fluorquinolone gehören zu den wichtigsten Antibiotika in der Humanmedizin. Drusano hat es außerdem geschafft, das Verhalten von Krankheitserregern in einer Art und Weise zu beschreiben, die es vorher nicht gegeben hat. Wie Dr. John S. Bradley von der Universität Kalifornien einmal sagte, ist er fähig, mikrobielle Zellen so zu betrachten, wie sie von Krankheitserregern gesehen werden.  

Slava Epstein, Mikrobiologie

College of Science
Northeastern University
360 Huntington Ave
Boston
MA 02115
Telefon (direkt): + 1 617.373.4048

Slava Epstein ist Biologieprofessor an der Northeastern University in Boston. Er gilt als Pionier im Bereich Mikrobiologie und wurde 2015 vom Foreign Policy Magazin zum globalen Denker des Jahres ernannt. Epstein ist immer auf der Suche nach neuen mikrobiellen Arten. Besonders interessiert er sich für die Art und Weise, wie mikrobielle Zellen auf widrige Umstände in ihrer Umgebung reagieren und für ihre Interaktion innerhalb und zwischen verschiedenen Populationen. Im Bereich der angewandten Mikrobiologie sucht er nach neuen Lösungen im Kampf gegen Krankenhauskeime wie MRSA. Denn er ist überzeugt, dass neu entdeckte, mikrobielle Arten einen entscheidenden Beitrag dazu leisten können, Krankenhauskeime in den Griff zu bekommen.

Roy Kishony, Mikrobiologie

Harvard Medical School
Department of Systems Biology
200 Longwood Avenue
Warren Alpert Building
Boston, MA 02115
Telefon: +1 617-432-6390

Roy Kishony ist Gastprofessor am Institut für Systembiologie an der medizinischen Fakultät der Harvard Universität. Außerdem ist er Professor am Technion-Israel Institut für Technologie. Kishony untersucht den Aufbau von genetischen Netzwerken und will verstehen, wie die Evolution und die Ordnung von genetischen Netzwerken zusammenspielen. Zum Beispiel forscht er zum Zusammenhang von Veränderungen in der Umwelt, die Selektionsdruck ausüben und Mutationen bei E.coli.  

Olaf Schneewind, Mikrobiologie

Department of Microbiology
University of Chicago
Cummings Life Science Center
920 East 58th Street
Chicago, Illinois 60637
Telefon: +1 773-834-0676

Olaf Schneewind ist Leiter des Instituts für Mikrobiologie an der Universität von Chicago. Außerdem gibt er das Journal of Bacteriology und den Annual Review of Microbiology heraus. Seine Forschung konzentriert sich auf Krankheitserreger und ihre Angriffsstrategien. Dabei ist für Schneewind der Keim Staphyloccus Aureus von besonderer Bedeutung. In diesem Bereich hat er auch mehr als 250 Peer-Review Artikel veröffentlicht. Darüber hinaus berät er verschiedene bekannte Pharma-Unternehmen.


Studien

Detailfoto einer Studie zu Antibiotikaresistenz

Virus gegen Keime

Wer Antibiotika schluckt, verändert in vielen Fällen seine Darmflora – was dazu führen kann, dass sich Krankheitserreger im Darm leichter ausbreiten. Wie etwa Enterococcus-Bakterien, die in hoher Konzentrationen über den Darm das Blut infizieren. Besonders bei geschwächten Patienten können sie eine lebensgefährliche Blutvergiftung auslösen. Es gibt Enterococcus-Stämme, VRE genannt, die gegen das Antibiotikum Vancomycin resistent sind. VRE sind gefürchtete Krankenhauserreger, Befallen sie einen Patienten, der gerade eine Organtransplantation hatte, ist das lebensgefährlich. 

Wie kann man VRE aufhalten? Eine neue Methode – sie befindet sich noch in der Experimentierphase – ist die sogenannte Stuhltransplantation: Der Stuhl eines gesunden Menschen wird rektal in den Darm des Kranken eingeführt, um so ein Gleichgewicht unter den Bakterien wiederherzustellen. Fremden Stuhl zu transplantieren ist allerdings wenig erforscht und birgt wohl gefährliche Nebenwirkungen. 

Forscher um Michael Abt vom New Yorker Memorial Sloan Kettering Cancer Center haben nun eine andere Strategie getestet: Sie haben Mäuse mit dem gefährlichen Krankenhausbakterium VRE infiziert und gleichzeitig mit Noroviren. Sie sind besonders in Schulen, Kindergärten und Altenheim gefürchtet, weil sie leicht übertragen werden und heftigen Durchfall und Erbrechen auslösen. 

Die doppelte Infektion hatte aber nun einen ganz anderen Effekt: Die Mäuse erholten sich schneller. Das Norovirus half, die VRE-Infektion rascher einzudämmen. Der Grund: Die zusätzliche Aktivierung des Immunsystem durch das Virus. Der gleiche Effekt trat ein, wenn die Wissenschaftler den Mäusen Resiquimod verabreichten. Das ist ein experimentelles Medikament gegen Herpes – das dem Immunsystem das Eindringen eines Virus vorgaukelt und es so aktiviert. 

Michael Abt et al. TLR-7 activation enhances IL-22–mediated colonization resistance against vancomycin-resistant enterococcus. Science Translational Medicine. 24 Feb 2016: Vol. 8, Issue 327, pp. 327ra25

Resistenzen können bei Reisen eingeschleppt werden – bleiben aber meist nicht lange

Wer in exotische Länder reist, bringt oft resistente Darmkeime mit nach Hause. Dieses Phänomen haben Forscher um Etienne Ruppé von der Pariser Diderot-Universiät untersucht. Sie analysierten die Stuhlproben von über 800 Reisenden und veröffentlichten ihre Resultate im August 2015 im Fachblatt “Clinical Infectious Diseases”.  Das Ergebnis: Einer von zwei Urlaubern war befallen von resistenten Keimen, für Asientouristen lag die Quote gar bei 70 Prozent. Die gute Nachricht: Die Keime hielten sich nicht lange im Darm der Heimkehrer – und das ohne Behandlung mit Antibiotika. Nach drei Monaten waren 95 Prozent der Befallenen den Keim wieder los.

Loh, H. et al. Precision spectroscopy of polarized molecules in an ion trap. Science 342, 1220–1222 (2013).

Ruppé E. et al. High Rate of Acquisition but Short Duration of Carriage of Multidrug-Resistant Enterobacteriaceae After Travel to the Tropics. Clin Infect Dis. 61(4):593-600 (2015)


Vorübergehend resistent

Forscher um Jakob Haaber von der Stanford Universität haben einen Resistenzmechanismus entdeckt, der nur vorübergehend ist. Normalerweise entstehen Antibiotika-Resistenzen, weil Gene dauerhaft mutieren. Diese Veränderungen sind werden vererbt und können durch genetische Analyse im Labor entdeckt werden.

Etwas anderes beobachteten aber die Biologen um Haaber. Sie fanden, dass der Wundkeim Staphylococcus aureus, wenn er mit Colistin behandelt wird, auch eine Resistenz gegen ein anderes Antibiotikum namens Vancomycin entwickelt. Die Resistenz war aber nicht von Dauer. Sie bildete sich zurück, wenn Colistin entzogen wurde. Die Forscher folgern, dass dieser Mechanismus die Behandlung mit Antibiotika stören kann – ohne dass er mit einer herkömmlichen Analyse entdeckt werden kann.

Haaber J et al. Reversible antibiotic tolerance induced in Staphylococcus aureus by concurrent drug exposure. MBio. 6(1) (2015)


Resistente Harnwegserreger

Über Resistenzen außerhalb von Krankenhäusern ist wenig bekannt. Darum haben Forscher um Dean Ironmonger vom Field Epidemiology Service in Birmingham mit einem automatischen Web-Tool mehr als fünf Millionen Laborproben von Harnwegsinfektionen untersucht. Sie entdeckten, binnen eines Zeitraums von vier Jahren, eine kontinuierliche Zunahme von Resistenzen gegen das Antibiotikum Cephalosporin. Und zwar dann, wenn dieser Wirkstoff gegen die Keime Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae eingesetzt wurde. Es ist die erste systematische Überprüfung von Antibiotika-Resistenzen in der breiten Bevölkerung Englands – und sie gibt Anlass zur Sorge.

Ironmonger D. et al. Surveillance of antibiotic susceptibility of urinary tract pathogens for a population of 5.6 million over 4 years. J Antimicrob Chemother. 70(6) ,1744-50 (2015).


Auch Schimmelpilze können resistent werden

Forscher um Oliver Bader von der Universität Göttingen haben resistente Schimmelpilze der Art Aspergillus fumigatus im Erdboden entdeckt. Der Pilz kann immungeschwächte Patienten befallen. Normalerweise wird er mit dem Stoff Azol behandelt, doch in den letzten Jahren breiten sich Resistenzen gegen diese Arznei aus. Wie oft sie vorkommen, ist nicht bekannt. Die Göttinger Forscher liefern mit ihrer Studie nun eine erste Schätzung: Bei etwa jedem zehnten Pilz, den sie im Boden fanden, war die Resistenz präsent.

Oliver B. et al. Environmental Isolates of Azole-Resistant Aspergillus fumigatus in Germany. Antimicrob Agents Chemother., 59(7):4356–9 (2015)


Ein neues Antibiotikum namens Griselimycin

Symbolbild Labor

Eine gute Nachricht: Wissenschaftlern um Angela Kling aus Saarbrücken ist es gelungen, ein synthetisches Antibiotikum namens Griselimycin zu entwickeln, das möglicherweise gegen Tuberkulose eingesetzt werden kann. Bei Mäusen wirkte es bereits. Nun soll Griselimycin für eine Anwendung beim Menschen weiterentwickelt werden.

Hintergrund: Bislang wird das Antibiotikum Streptomycin gegen Tuberkulose verwendet. Doch mittlerweile gibt es Tuberkulose-Erreger, die resistent sind dagegen.

Streptomycin wurde aus einem Pilz namens Streptomyzes gewonnen. Dieser Pilz ist auch in der Lage, natürliches Griselimycin zu produzieren. Das ist seit langem bekannt. Doch dieses natürliche Griselymicin ist als Arzneimittel nicht geeignet, weil es im Körper schnell abgebaut wird. Doch mit den neuen synthetischen Veränderungen, könnte der Stoff Karriere in der Medizin machen.

Kling A. et al. Targeting DnaN for tuberculosis therapy using novel griselimycins. Science, 348(6239):1106-12 (2015)


Verborgene Schätze

Viele Antibiotika wurden aus Bakterien isoliert, die im Erdboden leben. Diese Bakterien haben im Lauf der Evolution gelernt, sich gegen andere Mikroben durchzusetzen. Dazu nutzen sie Antibiotika, sie wirken auf andere Bakterien wie Gift. Für den Menschen sind sie meist harmlos und können deshalb eingesetzt werden, seine Krankheitserreger zu bekämpfen.

Doch mit der Zeit schien diese Quelle – der Erdboden, aus dem Antibiotika isoliert wurden – zu versiegen. Die Frage lag im Raum: Wurden schon alle Organismen entdeckt, die als Antibiotika-Produzent in Frage kommen?

Nein, haben im vergangenen Jahr Wissenschaftler um Losee Ling von NovoBiotic Pharmaceuticals im amerikanischen Cambridge. Bislang wurden neue Bakterien im Labor in Petrischalen gezüchtet. Was aber, wenn dort ein Großteil der Mikroorganismen gar nicht gedeihen kann?

Davon ausgehend, entnahmen die Forscher Bakterien-Proben aus dem Boden, füllten sie in Behältnisse und steckten diese wieder in den Boden zurück. In ihrer natürlichen Umgebnung konnten die Mikroben weiterwachsen. In einem der Behältnisse konnten die Forscher tatsächlich eine neue Substanz identifizieren: Das Antibiotikum Teixobactin, gegen das bislang keine Resistenz nachgewiesen wurde. Womöglich ist dies nur der erste Vertreter einer ganzen Reihe von Substanzen, die bislang nicht im Labor kultiviert werden konnten.

Ling L. et al. A new antibiotic kills pathogens without detectable resistance. Nature, 517(7535):455-9 (2015)