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Meister der Doppelmoral

Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt haben über 30 Millionen Euro in Tabakkonzerne investiert. Das ist erstaunlich: Einerseits bekämpfen Politiker den Konsum von Zigaretten. Andererseits wollen die Pensionsfonds der Länder am Rauchen mitverdienen.

von Fabian Löhe

© Ivo Mayr

Ginge es nach Altkanzler Helmut Schmidt – genannt „Smoky“ – wären Investitionen von über 30 Millionen Euro in Tabakkonzerne vielleicht eine zündende Idee. „Die Menschen werden immer rauchen“, orakelte der berühmteste Kettenraucher der Republik einmal.

Tatsächlich jedoch greifen immer weniger Menschen zum Glimmstängel. Nach einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes sind inzwischen 75 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren Nichtraucher. Und laut dem Krebsforschungszentrum ist der Raucheranteil unter Jugendlichen in den vergangenen rund Jahren um fast ein Drittel gesunken, auf gerade mal 10 Prozent.

Trotzdem haben nach CORRECTIV-Recherchen die Finanzministerien von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt gemeinsam über 30 Millionen Euro aus ihren Pensionsfonds in Tabakkonzerne gesteckt. Ein äußerst gesundheitsschädliches Investment.

Denn wer täglich qualmt, erkrankt bekanntlich leichter an Krebs, Diabetes, Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Leiden. In Deutschland sterben nach Angaben von Marlene Mortler, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, jährlich etwa 3300 Menschen allein durch Passivrauchen. Laut Deutscher Krebshilfe führt Zigarettenrauchen zu mehr Todesfällen als Aids, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Selbstmorde zusammen — nämlich rund 120.000 Menschen pro Jahr.

Die Politik hat deutlich reagiert: Mit PR-Aktionen wie dem Weltnichtrauchertag, Steuererhöhungen auf Tabak, mit Rauchverboten, mit der Einführung von Schockbildern auf Zigarettenschachteln. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, soll ab 2020 Zigarettenwerbung auf Plakaten und im Kino verboten werden.

Auch in der Wirtschaft finden die Anti-Raucher-Kampagnen Gehör. Der Versicherungsriese Axa will Unternehmensanleihen und Aktien im Wert von rund 1,8 Milliarden Euro aus der Tabak-Branche abziehen. Die Auswirkungen des Rauchens auf den Menschen seien dramatisch, die Kosten für die Wirtschaft enorm. Und es rechnet sich nicht: Axa sieht Investments in Tabak inzwischen rabenschwarz.

Die Pensionsfonds der Länder haben jedoch bislang weder gesundheitliche noch wirtschaftliche Gründe dazu bewogen, ihr Geld komplett aus Tabak- oder Alkoholkonzernen abzuziehen. Dabei ist ihr Verhältnis zur Glimmstängelindustrie inzwischen sogar noch bizarrer geworden: Erst vor wenigen Monaten haben sie einerseits selbst den Schockfotos auf Zigarettenpackungen zugestimmt, um dem Rauchen den Garaus zu machen. Andererseits hoffen sie auf möglichst hohe Renditen ihrer millionenschweren Investments.

Ähnlich schizophren ist das finanzielle Engagement in Alkoholfirmen. Laut aktuellem Drogenbericht der Bundesregierung starben 2013 rund 15.000 Menschen an Alkoholkrankheiten, der volkswirtschaftliche Schaden von Bier, Wein und Co liegt bei über 26 Milliarden Euro im Jahr.

Trotzdem haben NRW, Baden-Württemberg und Berlin sowie Sachsen-Anhalt über 27 Millionen Euro in Alkoholfirmen angelegt. Besonders beliebt ist Anheuser-Busch, der Mutterkonzern etwa von Budweiser, Beck’s und Corona. Der Slogan der Bundesregierung „Alkohol, kenn dein Limit“ bei den Landesregierungen scheint er nicht viel zu gelten.

Offenlegung: Der Autor Fabian Löhe hat diesen Artikel als Privatperson ehrenamtlich während seiner Elternzeit recherchiert und geschrieben. Hauptberuflich arbeitet er als Pressesprecher beim gemeinnützigen Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.