Mafia

Nach Mafia-Skandal: Was von Rom übrig ist

Seit einer Woche ist bekannt, dass Rom eine eigene Mafia hat: die Mafia Capitale. Sie hat alle Ebenen der Stadtpolitik unterwandert. Die Bürger sind verunsichert. Nun prüft das Innenministerium, ob die Stadtregierung aufgelöst werden soll.

von Lena Niethammer

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Nach zwei Jahren Ermittlungen schlug die Anti-Mafia-Behörde letzte Woche in Rom zu: 38 Personen wurden verhaftet, gegen 100 weitere laufen Ermittlungen, darunter auch der ehemalige Bürgermeister von Rom Gianni Alemanno. Die Staatsanwälte beschlagnahmten Güter und Vermögen in Höhe von 200 Millionen Euro.

Die Mafia Capitale ist eine neue Mafia, gegründet am 13. Dezember 2012 und losgelöst von den großen Mafia-Organisationen des Landes. Sie ist weniger konservativ als Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta, benutzt weder Ehrenkodex noch Rituale.

Die Hauptstadtmafia lebt durch Korruption. Zu sagen, die Mafia Capitale habe in Rom mitregiert ist keine Übertreibung. Durch Bestechung von hohen Beamten und Politikern sicherte sie sich öffentliche Aufträge. Dabei ging es vor allem um die Unterbringung von Flüchtlingen, Einwanderern und Roma, um den öffentlichen Nahverkehr, die Müllabfuhr und die Pflege städtischer Grünanlagen.


Der Pate Massimo Carminati

Der Pate der römischen Mafia ist Massimo Carminati. Der heute 56 Jahre alte Mann nennt sich selbst „König von Rom.“ Die Carabinieri nahmen Carminati am Morgen des 30. November vor seinem Haus fest.

Carminati war früher Mitglied der rechtsradikalen Terrororganisation NAR und später Teil der römischen Verbrechergruppe Banda della Magliana. Er gilt als brutal und angsteinflößend, arbeitete über Jahre als Auftragsmörder. Für die Hauptstadtmafia schloss er Pakte mit den anderen großen kriminellen Organisationen des Landes.

Obwohl die Ermittler bereits seit Gründung der Hauptstadtmafia mithörten und mitsahen, war Carminatis Festnahme eine spontane Aktion. Sie befürchteten der Boss könne sich im Ausland absetzen, so wie er es schon einmal vor 30 Jahren getan hatte, wobei er damals an der französischen Grenze ein Auge verlor.

Warum die Mafia Capitale über zwei Jahre unbehelligt agieren durfte ist bisher unklar. Begünstigt haben könnte der ehemalige Provinzpolizeichef die Arbeit der Mafiosos. Auch gegen ihn wird ermittelt, weil er in Carminatis Bande verwickelt war und das Flüchtlingsgeschäft organisiert haben soll.

Außerdem wurden die Geschäfte der Hauptstadtmafia durch Gianni Alemanno begünstigt. Der rechtskonservative Politiker war bis vergangenes Jahr Roms Bürgermeister, brachte viele Freunde aus seiner Zeit als faschistischer Schläger in den Ämtern der Stadt unter und ermöglichte der Mafia Capitale dadurch viele Ansprechpartner. Die Polizei durchsuchte seine Wohnung.

Doch Carminati ließ nicht nur rechte Politiker schmieren. Täglich kommen neue Enthüllungen über korrupte Politiker, auch aus der regierenden Mitte-Links-Allianz. Der sozialdemokratische Chef des Stadtrats ist mittlerweile zurückgetreten und auch Renzis örtliche Parteiführung wurde ersetzt.


Innenministerium prüft Auflösung der Regierung

Es bleibt die Frage, wie es für Rom weitergehen kann. Die Bürger haben den ersten Schock überwunden, nun kommt die Wut. Jegliches Vertrauen in die Politik ist weg. Der Präsident der nationalen Anti-Korruptions-Behörde Raffaele Cantone sagt, er spüre in der Bevölkerung den Wunsch nach Lynchjustiz.

Während die Opposition Neuwahlen für Rom fordert, prüft das Innenministerium, ob Rom einem Stadtkommissar unterstellt und die Regierung aufgelöst werden soll. Doch der aktuelle Bürgermeister Ignazio Marino will bleiben. Da aus den Dokumenten der Mafiosi hervorgeht, dass Carminati Marino als Bedrohung ansah, genießt Marino zur Zeit die Rolle der moralischen Instanz.