Mafia

Kokain und Tulpen

Italienischen Ermittlern ist ein bedeutender Schlag gegen zwei Mafia-Clans gelungen. Beide importierten Rauschgift über die Niederlande nach Europa. Ein Clan handelte eigens mit Blumen – um das Kokain, versteckt zwischen holländischen Tulpen, gefahrlos durch die Lande zu kutschieren

von Margherita Bettoni

© Symbolbild von Kasia unter Lizenz CC BY-SA 2.0

Ein Mann schenkt seiner Frau einen Strauß Rosen. Ein Mädchen bringt ihrer Oma eine Packung Pralinen mit. Vielleicht sind beide, ohne es zu wissen, gerade indirekt Kunden der ‚Ndrangheta, der Mafia aus Kalabrien.

Die ‚Ndrangheta ist einer der großen Spieler im weltweiten Kokainhandel. Sie verdient ihr Geld mit Waffen, Drogen, Wetten und Prostitution – aber  auch mit Blumen und Pralinen.

Das hat jetzt die Operation „Acero-Krupy-Connection“ ergeben, einer der größten Schläge, den die Ermittler je gegen die Clans von der italienischen Stiefelspitze geführt haben. Der Ermittlungsbericht umfasst mehr als 1000 Seiten. Die Fahnder gewannen im Zuge nach Nachforschungen tiefe Einblicke in die Geschäfte und Strukturen zweier mächtiger ‚Ndrangheta-Clans.

Jahrelang beobachteten Ermittler den Crupi-Clan und den Aquino-Coluccio-Clan. Sie durchsuchten Wohnungen und hörten Telefonate und Gespräche ab. Ende September holten die Ermittler dann zum großen Schlag aus und verhafteten 49 ‚Ndranghetisti.

Der Crupi-Clan

Die Familie Crupi kommt aus Siderno, einem süditalienischen Ferienort. Sie besitzt zwei Blumengroßhandel in Italien. Die Ermittlungen ergaben, dass die Mafiosi die Blumen auf niederländischen Großmärkten einkauften, Kokain zwischen den Tulpen und Rosen versteckten und die Ladung per Lastwagen nach Italien transportierten.

Das hatte zwei Vorteile: Der Clan hatte eine sichere Transportroute für das Rauschgift und konnte die Gewinne aus dem Drogengeschäft über den Blumenhandel waschen und in die legale Wirtschaft einschleusen.

Ein weiteres Standbein des Clans: Lebensmittel und Getränke. Ein Clan-Mitglied führte die Firma Krupy Srl, das unter anderem mit Schokolade handelte. Einer seiner Lieferanten soll die Inge.Ma Trading s.r.l. mit Sitz in der norditalienischen Region Lombardei gewesen sein. Sie verpackt Lindt-Pralinen und verschickt sie nach Polen, Österreich und Schweden.

2014 stellte eine polnische Lindt-Filiale fest, dass öfter weniger Schokolade geliefert wurde als geplant. Die Ermittler begannen, den Fall zu untersuchen und fanden heraus, dass die Firma Inge.Ma Trading rund 250 Tonnen Lindt-Pralinen unterschlagen hatte. Pralinen, die von indischen Schwarzarbeitern neu eingepackt wurden, in Schachteln mit gefälschten Partienummern. Die Schachteln sollen unter anderem an die Krupy Srl. geschickt und anschließend weiterverkauft worden sein – zum Beispiel nach Kanada.

Drogenrouten über Kanada und Holland

Zehn Autominuten von den Crupi entfernt, in der Ortschaft Marina di Gioiosa Jonica, lebt der Clan Aquino-Coluccio. Auch seine Mitglieder sind im Drogengeschäft aktiv.

Dank eines Kronzeugen konnten die Ermittler nun dessen verschiedene Drogenrouten aufdecken.  

Der Clan soll Rauschgift aus Brasilien nach Kanada geschmuggelt haben. Ankunftsort soll der Hafen von Halifax gewesen sein. Die Ermittler vermuten, dass Kokain in Obstkisten versteckt gewesen und in Kanada für 60.000 Euro pro Kilo verkauft worden sei.

Das für den europäischen Markt bestimmte Kokain sollen die Mafiosi zum größten Teil nicht etwa nach Italien geschmuggelt haben. Denn dort sind die Kontrollen und die Anti-Mafia-Gesetze viel härter als im Rest Europas.

Nein — das Kokain soll vor allem in die Niederlande geliefert worden sein – über Rotterdam, den zweitgrößten Containerhafen der Welt, und nach Antwerpen.  

Den Gewinn sollen die Aquino-Coluccio dann über Immobilien gewaschen haben, die sie in Kanada über einen Anwalt gekauft haben sollen.

Am Anfang liefen die Ermittlungen parallel: Die italienische Polizei beobachtetet die Crupi, die Carabinieri die Aquino-Coluccio. Aus den Erkenntnisse ging dann eine einzige Operation hervor, die italienische Behörden als großen Erfolg werten. „Die Operation hat die Elite der ‚Ndrangheta getroffen“, sagt Cafiero De Raho, Leitender Staatsanwalt in Kalabrien. Die kalabrische Mafia sei nun gezwungen, sich neu zu organisieren.