Neue Rechte

Die AfD sagt, Deutschland sei durch die Flüchtlinge unsicherer geworden. Stimmt das?

AfD-Faktencheck, Teil 8. „Deutschland ist durch die Flüchtlinge unsicherer geworden. Das sieht man nicht erst seit Köln. Die Zahl der Übergriffe wird weiter zunehmen“, sagt AfD-Vorstandsmitglied Alice Weidel in der Talk-Sendung „Maischberger“. Stimmt das?

von Daniela Weber

© Collage von Ivo Mayr

Hier geht es zum Originalzitat.

Tatsächlich zeigt die Kriminalstatistik, dass die polizeilich registrierten Straftaten zwischen 2014 und 2015 um 4,1 Prozent zugenommen haben. Zeitlich fällt das zusammen mit der Flüchtlingskrise. Aber: Die größte Zunahme an Straftaten gab es im Ausländerrecht. Dagegen verstößt etwa, wer illegal nach Deutschland einreist. Rechnet man die Verstöße gegen das Ausländerrecht aus der Statistik heraus, ist der Anstieg plötzlich verschwunden und die Kriminalität lag auf dem Niveau von 2014 – trotz der Hunderttausenden Neuankömmlinge.

Eine Studie des BKA über das „Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung 2015“ liefert weitere Daten. Die Zahl der Flüchtlinge schnellte demnach 2015 um 440 Prozent nach oben, die Zahl der Straftaten unter Flüchtlingen stieg um 79 Prozent. Die Neuankömmlinge im Krisenjahr verhielten sich also, relativ gesehen, gesetzestreuer als in den Jahren zuvor.

Auch für das Folgejahr 2016 zeichnet sich kein Anstieg der Flüchtlingskriminalität ab – im Gegenteil. Die Zahlen des BKA sind hier noch nicht abschließend, doch der Trend zeigt: „Die quartalsweise Entwicklung der Fallzahlen von Straftaten begangen durch Zuwanderer war in fast allen Deliktsbereichen tendenziell rückläufig.“

Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten. Das BKA hält in einem Bericht fest: Von den seit Januar 2015 erfassten Zuwanderern sind Marokkaner, Algerier und Tunesier, genau wie Georgier und Serben besonders häufig unter den Tatverdächtigen. Viele von ihnen sind nur schwer abschiebbar, weil ihre Heimatländer die Aufnahme verzögern. Syrer, Iraker und Afghanen hingegen fallen kaum auf.

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Zu dieser Erkenntnis kommt auch Ulf Küch, Kripo-Chef aus Braunschweig. Im August 2015 gründete er die SOKO Asyl, um Straftaten von Flüchtlingen aufzudecken. Seine Zahlen zeigen einen ähnlichen Trend wie die Kriminalstatistik: Von den 40.000 Asylbewerbern, die im Jahr 2015 in der Landesaufnahmestelle in Braunschweig registriert wurden, seien rund 150 straffällig geworden. Ein Anteil von unter 0,4 Prozent. Der Anteil krimineller Deutscher innerhalb der deutschen Bevölkerung liegt ungefähr auf dem gleichen Niveau.

Unter den Flüchtlingen, so Küch, befinde sich eine kleine Gruppe von Menschen, „die vor allem oder ausschließlich mit dem Ziel nach Deutschland gekommen sind, hier Straftaten zu begehen“. Besonders häufig stammen diese Intensivtäter aus dem Kosovo, aus dem Kaukasus, aus Georgien, aus Nord- und Zentralafrika. Sie begehen Einbrüche, Ladendiebstähle, Körperverletzungen, fallen auf durch Drogen- und Sexualdelikte. Gegen diese Intensivtäter müsse man gezielt ermitteln. „Das haben wir gemacht, das hat mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus nichts zu tun. Unser Credo ist: Das sind Kriminelle und die müssen auch behandelt werden wie Kriminelle und zwar mit dem Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung.“

Nun gelte es, die Flüchtlinge gut zu integrieren, so Küch. „Wir haben Anfang der 1990er-Jahre Sachen richtig falsch gemacht, deshalb haben wir jetzt in vielen großen deutschen Städten diese Familienclans, die sich völlig verselbständigt haben. Das passiert, wenn man nicht darauf achtet, dass ein Integrationsprozess beidseitig durchgeführt wird.“

Fazit

Die Behauptung von Alice Weidel, Deutschland sei durch die Flüchtlinge unsicherer geworden, lässt sich nicht belegen. Die Kriminalität ist konstant geblieben. Schwere Straftaten werden von Asylbewerbern kaum begangen. Versäumnisse gibt es bei Intensivtätern, die seit Jahren im Land leben und nicht abgeschoben werden (können), und bei durchreisenden, häufig aus Südwesteuropa stammenden Banden.

Der AfD-Faktencheck wurde zusammen mit dem Institut für Journalistik der TU Dortmund erstellt. Die Autoren Björn Bernitt, Linda Fischer, Anastasiya Polubotko und Daniela Weber sind Studierende bei Professor Holger Wormer. Assistenz: Maximilian Doeckel