Sparkassen

Deutschlands Sparkassen sind großzügig beim Spenden – und knausrig bei den Ausschüttungen an die Kommunen.

Knapp eine halbe Milliarde Euro spenden Deutschlands Sparkassen jedes Jahr für wohltätige Zwecke. Wer das Geld bekommt – daraus machen die Institute aber ein großes Geheimnis. Erstmals liegen CORRECTIV die komplette Spendenlisten von 32 Sparkassen vor. Gefördert wurden Golfclubs, Karnevalsvereine – und Geburtstagsfeiern des örtlichen Sparkassenchefs.

von Jonathan Sachse , Leonie Weigner

Jeder kennt dieses Foto: Demonstrativ überreicht der örtlichen Sparkassendirektor einen übergroßen Scheck an Fledermausschützer, Flüchtlingshelfer oder Seniorenbetreuer. Lächeln, Händeschütteln, Blitz, Foto. Am nächsten Tag sehen es alle in der Lokalzeitung.

403 Sparkassen gibt es in Deutschland. Sie gehören Städten und Kommunen. Sie spenden direkt oder über ihre 748 Stiftungen jedes Jahr große Summen für gemeinnützige Zwecke in ihrer Region. Laut dem Sparkassen-Dachverband DSGV wurden 2015 rund 470 Millionen Euro an wohltätige Zwecke gestiftet.

Das Problem dabei: Die meisten Sparkassen behandeln ihre Spendenpraxis wie ein Staatsgeheimnis. Bis heute hat keine einzige Sparkasse in Deutschland ihre komplette Spendenliste mit konkreten Förderbeträgen veröffentlicht. In den Geschäftsberichten wird nur mit allgemeinen Summen geprahlt, mit denen man Kultur, Sport und Bildung gefördert hat. Die Einzelspenden bleiben im Verborgenen.

Deshalb hat CORRECTIV immer wieder nachgehakt – und am Ende erreicht, dass 32 Sparkassen uns erstmals mitgeteilt haben, wem sie wie viel gespendet haben. 32 von 403. Der Rest verweigert weiterhin jede Auskunft.

26 jener Sparkassen, die die Detail-Informationen nun erstmals herausgerückt haben, kommen aus Nordrhein-Westfalen, 24 davon aus einer einzigen Region: Dem Verbandsgebiet Westfalen-Lippe. Dazu kommt die Sparkasse Allgäu, Vereinigte Sparkassen im oberbayerischen Landkreis Weilheim, die Sparkasse Stade Altes Land, die Nord-Ostsee Sparkasse und in Hessen die Sparkassen Hanau und Taunus. CORRECTIV veröffentlicht auf seiner Website die Listen der Spenden nun erstmals.

Rund 30 Millionen Euro haben diese 32 Sparkassen in den Jahren 2013 und 2014 verteilt. Auf den ersten Blick erscheinen die meisten Spenden und Sponsorings gerechtfertigt: Gefördert werden die Bergwachtbereitschaft im bayerischen Füssen und die Meinerzhagener Tafel im Sauerland, aber auch der Mädchentreff Husum an der Nordseeküste.

Doch es gibt auch fragwürdige Förderungen. Drei Probleme fallen auf:

1. Brauchen Golfclubs, Karnevals- und Schützenvereine Spenden?

Die Sparkasse Taunus hat an sieben Golfvereine knapp 5.700 gespendet.

Die Sparkasse Siegen hat über 14.000 Euro an neun Schützenvereine gespendet. Die Karnevalsgesellschaft Attendorn im Sauerland hat von der örtlichen Sparkasse mehr als 5.000 Euro für „Wurfmaterialien“ erhalten. In Bocholt wurden zwei Karnevalsvereine mit zusammen 12.600 Euro unterstützt.

Karneval hat „eine lange Tradition“, begründet  Michael Bovenkerk von der Sparkasse Bocholt die Spende. Ähnliche Positionen vertreten auch die anderen Sparkassen. Nach einer Fusion zweier großer Vereine, habe die Sparkasse Bocholt die Mitglieder mit neuer Uniform in den neuen Vereinsfarben ausgestattet, schreibt Bovenkerk.

Männerchöre, Dorfgemeinschaften und Jubiläen werden gefördert. In Bocholt unterstützte die Sparkasse sogar eine Geburtstagsfeier mit 250 Euro. Die Sparkasse Siegen wiederum spendete dem Kulturforum Netphen 14.000 Euro für eine Bronzefigur, die zum 775-jährigen Jubiläum der Stadt aufgestellt wurde.  

Formal ist das nicht zu beanstanden. Die Liste, was nach deutschem Recht unter gemeinnütziges Engagement fällt, ist lang. Es zählt dazu die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Völkerverständigung, Denkmalschutz und Denkmalpflege, von Naturschutz und der Landschaftspflege – und des „traditionellen Brauchtums“, einschließlich des Karnevals.

Dennoch: Brauchen Golfclubs Geld von der Sparkasse? Karnevalsvereine? Schützenvereine? Oder sind das nicht vielmehr verdeckte Marketing-Ausgaben, die der Kundengewinnung und -pflege dienen, nicht aber der Förderung wohltätiger Zwecke?

2. Interessenkonflikte

Bedenklich ist auch, wenn Vereine begünstigt werden, die personell mit der örtlichen Sparkasse verbandelt sind.

Der Caritasverband Kempten-Oberallgäu zum Beispiel bekam zwölf Spenden von der örtlichen Sparkasse. Wobei Heribert Schwarz auf beiden Seiten des Tisches sitzt: Er gehört dem Vorstand der Sparkasse an und dem Vorstand des Caritasverbandes. Wie hoch die Spenden waren, wollte keine der beiden Seiten verraten.

Die Sparkasse Steinfurt hat mehrfach den Verein LAG Tecklenburger Land gefördert, der das Geld dann weiterverteilt an gemeinnützige Projekte in der Region. Hier sitzt Jürgen Brönstrup auf beiden Seiten des Tisches. Er gehört dem Vorstand des Vereins an – und dem Vorstand der Sparkasse.

Jede Spendenanfrage würde von der Sparkasse einzeln geprüft, schreibt Thorsten Laumann, Sprecher der Sparkasse Steinfurt, auf Anfrage. Ob sich ein Sparkassen-Mitarbeiter für eine Organisation engagiert, spiele dabei keine Rolle, sagt Laumann.

3. Spenden an die Stadt

2013 flossen in Lüdenscheid in NRW 77.500 Euro von der örtlichen Sparkasse an die örtliche Stadtmarketing GmbH. Es war das mit Abstand höchste Sponsoring in jenem Jahr. Im Folgejahr gab es noch einmal 75.000 Euro von der Sparkasse für die kleine, städtische Marketingfirma, die damit rund ein Drittel ihres Etats bestritt.

Hier sitzt Markus Hacke auf beiden Seiten des Tisches: Er ist Vorstandsvorsitzende der Sparkasse, und er ist Aufsichtsrat der Stadtmarketing GmbH. Genau wie Dieter Dzewas, der Bürgermeister von Lüdenscheid, sitzt er sowohl im Verwaltungsrat der Sparkasse als auch im Aufsichtsrat der Stadtmarketing GmbH.

Die Spende ist eine indirekte Finanzierung des öffentlichen Haushaltes, schließlich ist die Stadt Lüdenscheid genauso wie die Sparkasse einer der Gesellschafter der Stadtmarketing GmbH.

Kritiker monieren: Warum fließt der Überschuss der Sparkasse dann nicht gleich in den Haushalt, über den die gewählten Bürgervertreter entscheiden? Warum veranlassen die beiden Herren eine Spende an ihr Marketing-Unternehmen, das mit tollen Aktionen die Stadt nach vorn bringen soll?

„Einen Interessenkonflikt können wir nicht erkennen“, teilt die Sparkasse Lüdenscheid auf Anfrage mit. Der Bank gehe es um klassisches Standortmarketing. Da die Stadt nur einer von mehreren Gesellschaftern sei, finde auch keine indirekte Finanzierung des Haushalts statt, argumentiert die Sparkasse.

Der Landesrechnungshof Hessen kritisiert direkte Spenden und Sponsorings an die Städte. Die Kommunen sollten die Sparkassen lieber auffordern, ihnen mehr vom Gewinn auszuschütten, sagt Rechnungshof-Sprecher Ralf Sieg.

In den Jahren 2013 und 2014 hat weniger als jede dritte Sparkasse überhaupt Geld an ihre Eigentümer, also die Kommunen, ausgeschüttet.

Inzwischen ist das Verhältnis sogar so, dass Deutschlands Sparkassen mehr Geld für Spenden und Sponsorings ausgeben, als sie an ihre Eigentümer ausschütten: 2014 haben die Sparkassen und ihre Stiftungen 484 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke verteilt, aber nur rund 260 Millionen Euro an ihre kommunalen Träger ausgeschüttet. Städte und Gemeinden hätten deutlich mehr Geld bekommen können, wenn die Politiker – statt sich mit Spenden zu begnügen – auf eine echte Ausschüttung bestehen, die dann in den kommunalen Haushalt fließen könnte.

In Schwerte machte sich die örtliche Sparkasse gar keine Mühe, ihr Sponsoring an die Stadt zu verschleiern: Mehrere tausend Euro wurden direkt an die Stadt ausgezahlt. Genau wie Bottrop, das 2013 insgesamt 26.890 Euro von der örtlichen Sparkasse bekam. 11.900 Euro gingen an eine – mittlerweile aufgelöste – Marketingfirma der Stadt. Das Kulturbüro der Stadt Menden erhielt 16.208 Euro von der Sparkasse Märkisches Sauerland Hemer-Menden.

Eine Sparkasse hat aus ihren Fehlern gelernt

Die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee trieb die Spendenpraxis besonders wild: CSU-Landrat Jakob Kreidl hatte die Spenden des Instituts nach Gutsherrenart verteilt. Kreidl leitete den Verwaltungsrat des Instituts. Jahrelang ließ er ein Eisstockschießen für CSU-Politiker und Prominente mitfinanzieren. Eine Bürgermeisterfahrt nach Triest ließ Kreidl mit 56.000 Euro, den Tiroler Jägerverband mit über 20.000 Euro unterstützen – Kreidl ging regelmäßig mit Kunden auf die Jagd.

Beides war nach Ansicht der Regierung Oberbayerns sogar rechtswidrig. Höhepunkt der Verschwendungsorgie: 2012 bezahlte die Sparkasse die 80.000 Euro teure Geburtstagsparty von Sparkassen-Gutsherr Kreidl. 2014 durchsuchte die Staatsanwaltschaft München 27 Immobilien wegen der Spendenaffäre. Die Ermittlungen dauern an (Untersuchungsbericht der Sparkasse als PDF).

Die Sparkasse Miesbach-Tegernsee hat aus dem Skandal gelernt. Mittlerweile entscheidet nicht mehr der Vorstand, wer großzügig gefördert wird, sondern ein dreiköpfiges Gremium aus Sparkassen-Mitarbeitern. Vorstand und Verwaltungsrat werden nur noch über die Spenden und Sponsorings informiert. Eine solche Konstruktion ist ungewöhnlich in der deutschen Sparkassenwelt. Dazu hat Miesbach-Tegernsee auf vier Seiten Verhaltensregeln für alle Mitarbeiter definiert. Darin: Parteispenden sind verboten und „eine Verknüpfung von Spenden mit privaten Interessen“ ist nicht erlaubt.

Weiter fragwürdige Spenden in Bayern

Der Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes Bayern hat kürzlich stichprobenartig die Spenden, Sponsorings und Veranstaltungen der Institute untersucht (Bericht als PDF). Das Ergebnis: Ein zweites Miesbach-Tegernsee gebe es nicht, aber mehrere „bemerkenswerte Auffälligkeiten“, so steht es im Bericht: Eine Sparkasse zahlte ihrem Chef zum Beispiel die Mitgliedschaft im Golfclub, eine andere schusterte ihrem Vorsitzenden eine günstige Mietwohnung zu. Ein weiterer Sparkassenchef freute sich über eine 12.000 Euro teure Abschiedssause, ein anderer erhielt zum Abschied ein 3.000 Euro teures Geschenk.

14 Sparkassen in Bayern organisierten Reisen für ihre Bürgermeister, darunter nach Holland und in die Steiermark. Darüber hinaus gab es „Kundenreisen“ nach China und Dubai. Zusammen wurden dafür rund 30.000 Euro ausgegeben.

Die Untersuchung, die vom bayerisches Staatsministerium in Auftrag gegeben wurde, hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Sie verschweigt, welche Sparkassen betroffen waren.

>> Zu den Förderlisten der 32 Sparkassen <<

Korrektur 14. November: In der ersten Version dieses Textes wurde versehentlich die Sparkasse Aachen zu den Sparkassen dazugerechnet, die ihre Spendenliste veröffentlicht haben. Das war falsch. Dafür haben die Vereinigte Sparkassen im Landkreis Weilheim   die Förderlisten veröffentlicht. Der Fehler ist hier im Text und im CrowdNewsroom korrigiert. 

Datenrecherche: Lisa McMinn, Lovis Krüger, Lea Albring, Lara-Marie Müller, Matthias Bolsinger und rund 700 Mitglieder in der virtuellen Redaktion auf CrowdNewsroom.org

Unterstützung beim Faktencheck: Daniel Schmidt/ Uni Hohenheim

Zusammenarbeit mit faz.net

Datenanalyse & Visualisierung: Simon Wörpel