TTIP

TTIP – noch geheimer: Das Dokument

von Justus von Daniels , Marta Orosz

leseraume

Die EU-Kommission will die Möglichkeiten der nationalen Parlamente drastisch beschränken, in die Unterlagen zu den TTIP-Verhandlungen zu sehen. Wir veröffentlichen hier das vertrauliche Dokument aus dem deutschen Bundestag, in dem diese drastische Maßnahme angekündigt und erklärt wird in einer Abschrift, mit leichten redaktionellen Änderungen – wir haben einige Passagen weggelassen, die nichts mit TTIP zu tun haben. Die Stellen sind markiert.

Die Geschichte zum Dokument gibt es hier: TTIP – jetzt noch geheimer


Sitzung des Handelspolitischen Ausschusses am 24.07.2015

Bericht von der 10. Verhandlungsrunde, 13.-17.07.2015

(…)

2. Unbefugte Weitergabe vertraulicher Information („Leaks“):

EU-KOM behandelte ausfürlich die unbefugte Weitergabe vertraulicher Informationen aus und über die TTIP-Verhandlungen. Hintergrund war die Veröffentlichung zahlreicher Verhandlungsdokumente auf der Webseite „correctiv.org“.

Diese Veröffentlichungen („Leaks“) hätten eine neue Qualität erreicht, sowohl mit Blick auf den Umfang der geleakten Dokumente wie auch auf den Inhalt. Erstmalig seien schriftliche Berichte der EU-Kommission über die Ergebnisse von Verhandlungsrunden veröffentlicht worden. Diese enthielten auch eine Wiedergabe und Bewertung der US-Verhandlungsposition. Eine derartige Veröffentlichung stelle ein Vertrauensbruch gegenüber der US-Seite dar, vor allem aber schwäche sie die eigene Verhandlungsposition der EU gegenüber den USA.

Kommissarin Malmström habe daher den Dienststellen der EU-Kommission die Weisung erteilt. Den schriftlichen Bericht über die letzte Verhandlungsrunde ab Montag, 27.07.2015; ausschließlich im Leseraum der EU-Kommission in Brüssel zur Verfügung zu stellen. Eine Versendung der Verhandlungsberichte an die Mitgliedstaaten werde nicht mehr erfolgen. Hierfür trügen diejenigen MS die Verantwortung, die die „Leaks“ zu vertreten hätten.

Gleichwohl arbeite die EU-KOM gemeinsam mit dem Ratssekretariat an Möglichkeiten zur Verbesserung der Transparenz in einer sicheren Form. Ziel seien letztlich Leseräume in den Ministerien der MS in Gestalt von IT-sicheren Übertragungssystemen. In einer Testphase solle dies zunächst für EU-Textvorschläge erfolgen, später dann auch für konsolidierte Verhandlungstexte und Verhandlungsberichte. TTIP-Dokumente, die keine US-Verhandlungsposition enthalten (etwa EU-Textvorschläge), sollen aber weiter wie bisher an die MS übermittelt werden.

Stellungnahme der MS:

Zum Verhandlungsstand:

(…)

2. Zur Frage der Transparenz/“Leaks“:

Die aufgetretenen „Leaks“ wurden allgemein mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die Verärgerung der EU-KOM sei verständlich (HUN). Die Vertraulichkeit von Verhandlungsdokumenten und -berichten müsse gewährleistet werden (FRA). Auch DEU teilte den Unmut der EU-KOM über die aufgetretenen Leaks. Die genauen Hintergründe müssten noch untersucht werden; Gleiches gelte für zukünftige Maßnahmen auf nationaler Ebene mit dem Ziel, die Dokumentensicherheit zu erhöhen.

Allgemein wurde jedoch auch auf die Notwendigkeit verwiesen, weiterhin ausreichende Informationen über die Verhandlungen zur Verfügung zu stellen (FRA, POL, DEU, HUN, NLD, IRL, GRC, PRT, ESP, AUT). Dabei wurde der Vorschlag der EU-KOM, Leseräume in den Ministerien einrichten zu wollen, im Grundsatz positiv aufgenommen (FRA, DEU, ITA, GBR, CZE). Dies sei ein Fortschritt gegenüber Leseräumen in den US-Botschaften (FRA, DEU, ITA).

Kritisch bewertet wurde jedoch die Absicht der EU-Kommission, Berichte über die Verhandlungsrunden nur noch in Leseräumen zur Verfügung zu stellen – sei es zunächst in Form des Leseraumes der EU-Kommission in Brüssel, sei es über die zukünftigen IT-Leseräume in den Ministerien der MS.

Mehrere MS wiesen daraufhin, dass sie keine Ressourcen hätten, die Dokumente im Brüsseler Leseraum zu sichten (u.a. CYP, POL, GRC, AUT).

Im Übrigen sei es grundsätzlich erforderlich, schriftliche Berichte über die Verhandlungsrunden zur Verfügung zu stellen, auch um intern die politischen Entscheidungsträger über die Verhandlungen informieren zu können (NLD, HUN, PRT). Andernfalls bestehe die Gefahr, dass diese zuerst die Bewertungen und Informationen von – zumeist TTIP-kritischen NGO’s – erhielten und nicht offizielle Informationen der EU-KOM (HUN).

Mehrere Mitgliedstaaten schlugen vor, zunächst die (verantwortlichen) Mitgliedstaaten zu „verwarnen“ (HUN, FRA), bevor dann in einem zweiten Schritt zur Beschränkung auf Leseräume übergegangen werden solle.

Erwiderung der EU-Kommission:

1. Zum Thema Transparenz/“Leaks“:

EU-KOM bekräftigte nochmals die klare Weisung von Kom. Malmström, die Verhandlungsberichte nicht mehr versenden zu können, sondern nur noch in Leseräumen zur Verfügung zu stellen – zunächst nur im Leseraum der EU-Kommission in Brüssel. Zu einem späteren Zeitpunkt käme dann möglicherweise eine Zurverfügungstellung in IT-gestützten Leseräumen in den Ministerien in Betracht.

Die Verantwortung hierfür trügen die MS, in denen die „Leaks“ entstanden seien. So gäbe es MS (gemeint offensichtlich DEU), bei denen die Verhandlungsdokumente an Datenbanken ihrer nationalen Parlamente übermittelt würden. Damit hätten Hunderte von Personen faktisch unkontrollierbaren Zugang zu diesen Dokumenten. Es sei offensichtlich, dass hierdurch die Gefahr von „Leaks“ beträchtlich erhöht werde.“ 


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