TTIP

Lesen ist gefährlich

Die EU-Kommission hat sich etwa zwei Millimeter bewegt: Beamte der Bundesregierung und anderer EU-Länder dürfen künftig TTIP-Dokumente lesen – allerdings nur in speziell gesicherten Leseräumen. Ob auch Abgeordnete das dürfen, ist weiter fraglich. Das geht aus einem sechsseitigen Protokoll der EU-Handelskommission hervor, das CORRECT!V vorliegt.

von Justus von Daniels , Marta Orosz

© Jonathan Sachse

Aus einem Protokoll des handelspolitischen Ausschusses der EU geht hervor, dass die Kommission ihren Mitgliedstaaten künftig erlaubt, eigene Leseräume für die TTIP-Vertragsentwürfe einzurichten. Es ist bisher allerdings nicht klar, ob auch Bundestagsabgeordnete in die Leseräume dürfen – oder nur Beamte der Bundesregierung. 

Die EU-Kommission hat sich mit den USA darauf geeinigt, dass EU-Regierungen künftig einen besseren Zugang zu den TTIP-Papieren bekommen sollen. Bisher mussten sich deutsche Regierungsvertreter bei der US-Botschaft anmelden, um dort die Vertragsentwürfe einsehen zu können. Die Verhandlungen über den Freihandel mit den USA sollen aus taktischen Gründen geheim bleiben – so die gemeinsame Sicht von EU und USA. Parteiübergreifend kritisierten Politiker in Deutschland diese Praxis. Selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) machten sich für mehr Transparenz bei TTIP stark.

In Zukunft dürfen EU-Regierungen selbst einen sicheren Raum einrichten. Allerdings dürfen Beamte die Papiere nur unter Aufsicht eines Sicherheitsbeamten lesen. Damit soll verhindert werden, dass Vertragsinhalte kopiert werden. Sollte es zu unbefugten Veröffentlichung der Geheimdokumente kommen, wird der Zugang des betroffenen Mitgliedsstaates sofort widerrufen. Das Land soll dann ermitteln und die Quelle der undichten Stelle identifizieren. 

Der Vorsitzende des Wirtschaftsauschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CDU), hatte sich nach einem Treffen von deutschen Abgeordneten mit der EU-Kommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag darüber beschwert, dass die harten Regeln für die Leseräume nicht akzeptabel seien. Er sagte: „Lesemöglichkeiten unter Gefängnisbedingungen werden wir nicht akzeptieren. Ich kann es nicht ertragen, dass hier frei gewählte Abgeordnete unter einen Generalverdacht der Geschwätzigkeit gestellt werden.“

Aus Teilnehmerkreisen des Treffens mit der EU-Kommissarin in Brüssel hieß es, dass sich während der Sitzung vor allem Klaus Ernst von der Fraktion „Die Linke“ lautstark über die Sicherheitskontrollen beschwert hätte. Insbesondere darüber, dass für jeden Leseraum ein Sicherheitsoffizier eingestellt werden muss, unter dessen Aufsicht die Papiere eingesehen werden dürfen.

Nach dem Treffen mit den deutschen Abgeordneten fügte die EU-Kommission einen Zusatz in das Dokument ein, wonach „auch bestimmte Mitgliedstaaten den Zugang für Parlamentarier fordern würden.“ Ramsauer hatte nach dem Treffen gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ noch bestätigt, dass Parlamentarier nach den Plänen der EU ebenfalls Zugang haben sollten. Aus Teilnehmerkreisen des Gesprächs erfuhr CORRECTIV jedoch, dass sich die EU-Kommissarin dazu nicht eindeutig erklärt habe.

Am Ende der Verhandlungen zwischen der EU und den USA muss auch der Bundestag dem Abkommen zustimmen. 

In dem Handelsabkommen TTIP wollen die EU und die USA Handelserleichterungen vereinbaren. Auch in der Öffentlichkeit wird vor allem bemängelt, dass es zu wenig konkrete Informationen über den Ablauf der Verhandlungen veröffentlicht werden. Am 10. Oktober demonstrierten in Berlin mehr als 150.000 Menschen gegen TTIP.