Freihandel festigt Beziehungen zwischen Staaten. Das Prinzip ist uralt. Der älteste immer noch gültige Freihandelsvertrag wurde 1373 zwischen Portugal und England geschlossen. Er wurde mit der Ehe von Portugals König Johann I. mit Philippa von Lancaster besiegelt.

Auch in Deutschland begann der Freihandel sehr früh. Städte an Seen und Flüssen haben die Hanse ab 1241 gegründet. Der Handel wurde leichter und sicherer.

Wenn sich Staaten vom Freihandel abschotten, kann die Wirtschaft zusammenbrechen. Ende der 1920er Jahre war es schon mal soweit. Es gab kaum Handel zwischen den USA und vielen europäischen Ländern. Das war schlecht für alle.

Die größte Zone für Freihandel auf der Welt ist bislang die Europäische Union. Personen, Waren und Dienstleistungen können sich hier frei bewegen.

Der Freihandel hat in Westeuropa für Frieden gesorgt. Frankreich, Italien und Deutschland haben nach dem 2. Weltkrieg beschlossen, ihre Stahl- und Kohleeindustrie zu verzahnen. Ein Krieg zwischen den Staaten sollte unmöglich werden. Das ist der Ursprung der EU.

International wurden seit den 1950er Jahren über 1000 Freihandelsabkommen abgeschlossen. Die meisten davon zwischen OECD-Staaten und Schwellen- bzw. Entwicklungsländern.

Zölle beschränken den Handel. Damit schützen Staaten ihre eigene Industrie, die Waren teurer herstellen als Konkurrenten aus dem Ausland. Die Zölle können den Wettbewerb ausschalten.

Staaten können auch festlegen, dass sie bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen lokale Anbieter bevorzugen. Das schließt Anbieter aus anderen Ländern aus. Auf der einen Seite kann das Arbeitsplätze sichern, auf der anderen Korruption fördern.

Ein Hindernis für Freihandel sind unterschiedliche Normen für Dinge, die man verkaufen will. In Deutschland etwa gibt es die DIN-Norm, in den USA mehrere Normsysteme. Die unterschiedlichen Normen für Medikamente, Steckdosen oder bei Lebensmitteln machen es Anbietern schwerer, ihre Waren im Ausland zu verkaufen.

Handelsabkommen schließen Länder aus, die nicht dabei sind. Sie müssen weiter hohe Hürden überwinden, um ihre Waren zu verkaufen.

Die USA und die EU sind jeweils die beiden größten Wirtschaftszonen der Welt.

Zwischen beiden Kontinenten gab es bisher keinen Vertrag über den Freihandel. Der Handel wurde vor allem über die Welthandelsorganisation (WTO) und einzelne Vereinbarungen geregelt.

Die Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) sind sehr zäh. Die letzte Verhandlungsrunde begann 2001 und ist bis heute nicht abgeschlossen.

Einigungen über die Welthandelsorganisation (WTO) sind den großen Industrienationen zu langsam. Sie wollen lieber untereinander Verträge schließen. Auch die Idee für das Transatlantische Abkommen über Handel und Investitionen (TTIP) ist so entstanden.

Mit TTIP sollen möglichst viele Handelsbarrieren zwischen Europa und den USA abgeschafft werden. Da es kaum noch Zölle gibt, geht es vor allem darum, freien Zugang für alle Unternehmen auf die Märkte der anderen zu sichern. Und dazu sollen etwa Industriestandards in jedem Land anerkannt werden. Zum Beispiel soll auch in den USA die DIN-Norm gelten und in Deutschland die amerikanischen Normen.

In Zukunft sollen im TTIP-Raum gemeinsame Regeln entwickelt werden, wie Waren zum Handel zugelassen werden. Das gab es bisher noch nicht. So sollen möglichst viele Hemmnisse für den Handel abgebaut werden.

2007 wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Handel zwischen den USA und der EU in Schwung zu bringen. Sie beauftragt einen Arbeitskreis, der nachsehen sollte, was man machen kann, um den Handel zu erleichtern. Merkel war damals Präsidentin des EU-Rates.

2011 wurde es konkret. Die EU-Kommission und die USA bildeten eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Beamten beider Seiten. Sie überlegten sich, wie ein Vertrag zum Freihandel aussehen könnte. Die Beamten sahen sich genau an, über welche Bereiche verhandelt werden könnte.

Die Regierungen der EU fanden die Vorschläge gut und beauftragen 2013 die EU-Kommission einstimmig damit, konkrete Vertragsverhandlungen mit den USA aufzunehmen. Der neue Vertrag soll Transatlantisches Abkommen über Handel und Investitionen (TTIP) heißen. Seit März 2013 haben sich die Delegationen der beiden Verhandlungspartner achtmal getroffen. Die Verhandlungen dauern an.

Oberstes Ziel ist, dass Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können.

Durch den Abbau von Handelsbarrieren sollen Kosten für Produkte sinken. Unternehmen, die viel exportieren, können dadurch mehr Umsatz machen. Das kann dazu führen, dass diese Unternehmen ihre Mitarbeiter besser bezahlen oder mehr Mitarbeiter einstellen.

Das Abkommen hat auch eine politische Dimension. Es soll für weitere Abkommen mit China und andere Länder zum Vorbild werden. Es wird bereits verhandelt.

Verträge über mehr Freihandel waren in der Vergangenheit Sache von Experten. Für die Verhandlungen hat sich kaum jemand interessiert, die Verträge durfte niemand außer den Beteiligten lesen. Die Verhandlungen zu TTIP sind auch so gestartet. Die Gespräche finden hinter verschlossenen Türen statt.

Die EU hat zunächst nur allgemeine Zusammenfassungen ihrer Positionen in den TTIP-Gesprächen veröffentlicht. Erst als geheime Dokumente an die Öffentlichkeit kamen, wie der Beschluss der EU darüber, was die Kommission verhandeln soll, geriet die Kommission unter Druck. Seither zeigt die Kommission den Bürgern einige wenige Papiere zu den Verhandlungen. Das gute: Damit ist TTIP transparenter als alle Handelsabkommen zuvor. Das schlechte: Von US-Seite wird kaum etwas veröffentlicht. Und wir wissen immer noch viel zu wenig.

In der Öffentlichkeit ist vor allem bekannt, dass über Chlorhühnchen geredet wird. Es geht aber um viel mehr. Insgesamt verhandeln 24 Arbeitsgruppen über spezielle Erleichterungen für Branchen.

Um Investoren zu schützen, wird auch über einen Rechtsschutz durch internationale Schiedsgerichte verhandelt.

In Zukunft sollen Normen für Waren leichter mit einander vergleichbar werden. Dafür soll ein eigenes Gremium eingerichtet werden. Dies soll am besten einen einheitlichen Rechtsrahmen vorschlagen.

Beide Seiten sind sich einig, dass Zölle weitgehend gestrichen werden sollen. Außerdem sollen „unsinnige“ Doppelstandards abgeschafft werden. Nur, was ist unsinnig, und was nicht? Darüber wird gestritten.

Es ist zu erwarten, dass beide Seiten die Normen für Waren anerkennen, die jetzt schon eine hohe Ähnlichkeit haben. Zum Beispiel bei Blinkern von Autos. Dann sollen Unternehmen nicht mehr in jedem Land extra beweisen müssen, dass ihre Blinker wirklich sicher sind.

Allerdings gibt es in den meisten Bereichen große Differenzen. Die EU sagt zum Beispiel, dass sie auf keinen Fall eine Aufweichung ihrer Gesundheitsstandards will. Das sagen die USA auch. Aber beide Standards sehen in Details anders aus.

Bislang waren sich beide Seiten einig, dass bei Streitigkeiten rund um das Abkommen Schiedsgerichte eingeführt werden sollen. Die Schiedsrichter sollen sagen, ob ein Unternehmen etwa einen Anspruch hat, in Europa oder den USA ihre Waren zu verkaufen. Beispielsweise Gen-Produkte. Schiedsgerichte gibt es schon lange für sehr viele Verträge. Allerdings gab an den TTIP-Schiedsrichtern viel öffentliche Kritik. Unter anderem, dass die Schiedsgerichte von Unternehmen beeinflusst werden könnten. In der EU wollen deshalb einige die Gerichte neu verhandeln.

Strittig ist außerdem der Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Nicht nur in der EU, auch in den USA können lokale Betriebe besonders gefördert werden. Das soll die lokale Wirtschaft stützen und Arbeitsplätze in den Gemeinden sichern. Bei Konkurrenz von außen könnte dieser Schutz verloren gehen.

Auch die Regeln für Banken und Versicherungen sind sehr umstritten. Die Europäer wollen mehr vereinheitlichen als die Amerikaner. Die Regeln für amerikanische Banken sind härter als für europäische.

Den größten Nutzen könnte die Autoindustrie aus TTIP erzielen. Sie muss Sicherheitstests oder Zulassungsverfahren nicht doppelt durchführen. Außerdem können dann auch Autos an die Polizei in den USA verkauft werden.

Kleine und mittelständische Unternehmen könnten Papierkram sparen und ihre Waren einfacher auf dem US-Markt verkaufen. Das spart Geld. Die Agrarbranche will zum Beispiel Äpfel und Fleisch in der EU verkaufen. Das ist bislang sehr aufwendig. Auch Banken hoffen auf bessere Geschäfte.

Eine Hoffnung ist, dass durch den Freihandel mehr Geld verdient werden kann und damit Arbeitsplätze gesichert oder sogar neu geschaffen werden.

Unternehmen, die nur auf dem Markt in ihrem Land aktiv sind, bekommen Konkurrenz von außen. Bislang waren sie durch Handelshemmnisse geschützt. Auf beiden Seiten des Atlantiks befürchten nun Gewerkschaften, dass es zu einem Wettlauf kommt, wer billiger produziert. Sie haben Angst vor Lohnsenkungen und sogar Jobverlusten, wenn Betriebe dicht machen müssen. Etwa wenn sie zu teuer produzieren, weil sie ihren Arbeitern ein ordentliches Tarifgehalt zahlen, das für ihre Heimat gilt.

Auch Kommunen haben Angst. Vor allem innerhalb der EU befürchten sie, öffentliche Betriebe könnten nicht wie bisher weitergeführt werden. Sie befürchten Privatisierungen. In den USA befürchten Gemeinden, dass sie bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr so leicht lokale Anbieter beauftragen können. Bisher konnten sie damit die lokale Wirtschaft unterstützen.

Umwelt- und Verbraucherverbände sehen das Risiko, dass eine gemeinsame Regulierung von Normen für Waren zukünftig demokratische Prozesse aushebeln könnte. Unternehmen könnten durch ihre Lobbyarbeit großen Einfluss darauf nehmen, Normen in der Zukunft zu senken. Etwa bei der Pflicht, gentechnisch veränderte Nahrung zu kennzeichnen. Die Kommissionen, die die Normen festlegen, sind weit weg von den Bürgern und kaum durch Wählermeinungen zu beeinflussen.

Viele befürchten, dass Unternehmen künftig durch Schiedsgerichte versuchen könnten, Gesetze, die ihnen nicht passen, in einem anderen Land zu torpedieren. Etwa wenn ein Land beschließen sollte, nur biologische Lebensmittel verkaufen zu lassen.

Die europäischen Banken wollen erreichen, dass sie sich nicht an die Regeln halten müssen, die in den USA gelten. Das bedeutet: die relativ hohen Anforderungen für Banken in den USA könnten gelockert werden. Das passt nach der Finanzkrise auch nicht jedem.

Die Fans: Die Industrieverbände auf beiden Seiten des Atlantiks wollen TTIP auf jeden Fall.

Die offiziellen Befürworter: Alle Regierungen der EU sind für TTIP. In den USA drängt der demokratische Präsident Barack Obama auf Freihandel. Unterstützung bekommt er dabei sogar eher von den Republikanern als von den Demokraten.

Die Skeptiker: Gewerkschaften, Verbraucherverbände und die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben große Vorbehalte. Sie würden aber ein Abkommen unterstützen, wenn sie einige Änderungen durchkriegen könnten.

Die Gegner: Vor allem in Deutschland und Österreich machen Nichtregierungsorganisationen gegen TTIP mobil. Über 300 Organisationen haben eine europaweite Kampagne gestartet. Sie fordern, die Verhandlungen abzubrechen. Bündnis 90/ Die GRÜNEN unterstützen diese Gruppen. Die LINKE ist gegen den Vertrag, weil sie nur einen weltweiten Freihandel akzeptiert.

An den Verhandlungen selbst sind nur Beamte beteiligt. Auf beiden Seiten sitzen insgesamt etwa 200 Dealer in Arbeitsgruppen zusammen. Es kann sein, dass in einer Gruppe mehr Amerikaner als Europäer sitzen oder umgekehrt. Die Verhandlungen werden mit den Regierungen abgestimmt.

Die Lobbyverbände sind nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt. Aber die EU-Kommission und die US-Seite stimmen sich mit vielen Verbänden aus der Industrie und dem Handel ab.

Wenn der Vertrag fertig ausgehandelt ist, müssen zunächst die EU-Regierungen zustimmen. Danach muss das Europäische Parlament über das Abkommen entscheiden. Noch unklar ist, ob danach die einzelnen Parlamente der EU dem Vertrag zustimmen müssen. In den USA hängt das Verfahren davon ab, ob der US-Präsident vom Kongress die Erlaubnis erhält, das Abkommen ohne den Kongress auszuhandeln. In dem Fall muss der Kongress lediglich dem Gesamtvertrag zustimmen.

Die Verhandlungen stehen im Schatten des US-Wahlkampfes im Jahr 2016. Beide Seiten wollen deswegen bis spätestens Anfang 2016 den Vertrag aushandeln. Nur dann besteht die Chance, dass der Vertrag noch vor der Wahl im November 2016 in den USA in Kraft gesetzt werden kann.

Einigen sich die Verhandler bis dahin nicht, ist unklar, wie es mit TTIP weiter geht. Das hängt davon ab, wer in den USA Präsident wird. Der Verhandlungs- und Zustimmungsprozess würde sich in dem Fall weit hinauszögern.

Grundsätzlich ist die Große Koalition für den Freihandel. Die CDU/CSU unterstützt TTIP vorbehaltlos. Die SPD ist mittlerweile gespalten. Teile der Partei fordern substanzielle Änderungen in den laufenden Verhandlungen. Unklar ist, ob die SPD dem Abkommen im Bundestag zustimmen würde, auch wenn die Forderungen einer Gruppe in der Partei nicht durchkommen.

TTIP ist Teil einer weltweiten Entwicklung. Die USA verhandeln neben TTIP unter anderem noch ein weiteres großes Abkommen mit Ländern im pazifischen Raum (TPP).

Die EU, die USA und 21 weitere Länder verhandeln zur Zeit ein völkerrechtliches Abkommen über Dienstleistungen (TiSA). Dort wird zum Teil über ähnliche Bereiche verhandelt wie bei TTIP.

Die EU ist derzeit in mehr als 20 Verhandlungen über Freihandel engagiert, unter anderem mit Indien und China.