Dienstleistungen

Vom Taxiunternehmen bis zur Bank, von der Post bis zur Airline – all das fällt unter die große Überschrift Dienstleistungen. Es ist eines der zentralen Kapitel von TTIP. Eine der vielen Fragen: Werden Städte und Gemeinde durch das Freihandelsabkommen gezwungen, Bereiche wie Strom, Wasser, Nahverkehr für private Unternehmen zu öffnen? Und: Dürfen Unternehmen die Kommunen verklagen, wenn sie sich benachteiligt fühlen? Wir erklären, um was es in diesem Kapitel geht - und diskutieren den aktuellen Stand der Verhandlungen.

1. Worum geht es?

Vom Taxiunternehmen bis zur Bank, von der Post bis zur Airline – all das fällt unter die große Überschrift Dienstleistungen. Bei den TTIP-Verhandlungen geht es gerade in diesem Bereich um viel: Inwieweit dürfen künftig Krankenhäuser, Universitäten oder Kläranlagen von Privatunternehmen betrieben werden? Wer darf die Unmengen an digitalen Daten, die heute überall anfallen, wie auswerten? Überhaupt: Was ist die Rolle des Staates? Da herrschen diesseits und jenseits des Atlantiks sehr unterschiedliche Vorstellungen.

2. Welches sind die Streitpunkte?

  • Industrie: Hier wie dort gibt es Beschränkungen, um die jeweils eigenen Unternehmen vor Konkurrenz zu schützen. In den USA dürfen zum Beispiel nur Schiffe, die in den USA gebaut wurden und von Amerikanern betrieben werden, den direkten Transport zwischen US-Häfen abwickeln. Die EU will diese Beschränkung aufheben.

  • Visa: Die EU will erreichen, dass Arbeitnehmer leichter auf dem jeweils anderen Markt arbeiten können. Die Amerikaner sagen: TTIP sei nicht der Ort, um über Arbeitsvisa zu verhandeln.

  • Berufsabschlüsse: Die EU fordert, dass diese gegenseitig anerkennt werden. Die USA sperren sich – und reden bislang nur über die Anerkennung von Architektur-Diplomen.

  • Öffentlicher Sektor: Vor allem streitet man sich darüber, wie weitgehend sich private Unternehmen im öffentlichen Sektor engagieren dürfen. Soll sich der Staat auf hoheitliche Aufgaben beschränken, also Polizei, Militär und Gefängnisse organisieren? In die Richtung geht die Position der USA. Oder darf jeder Staat selbst bestimmen, was öffentliche Aufgaben sind? Das möchte die EU. Viele europäische Staaten beharren darauf, Bereiche wie Müll, Strom, Wasser, Krankenhäuser oder Universitäten nur dann Privatanbietern zu öffnen, wenn sie selbst es entscheiden. Dahinter steckt die noch viel grundlegendere Frage, was die Aufgabe eines Staates überhaupt sein soll. Hier liegen die EU und die USA weit auseinander.

  • Vertragsgestaltung: Die EU möchte eine Positivliste für den Bereich Dienstleistungen formulieren. Das heißt: Nur das, was liberalisiert werden soll, steht ausdrücklich im TTIP-Vertrag. Die USA denken genau anders herum: Nur das, was nicht liberalisiert wird, steht im Vertrag – und alles, was dort nicht genannt wird, ist per se offen für Privatunternehmen. Sie wollen also eine Negativliste formulieren. Im Augenblick läuft es darauf hinaus, dass sich beide Ansätze mischen – das macht die Sache zusätzlich kompliziert.

  • Finanzwirtschaft: Die EU möchte, dass sich Banken, Versicherungen und Fonds leichter auf dem jeweils anderen Markt engagieren dürfen - aber nur, wenn es gemeinsame Regeln dafür gibt. Die USA sind ebenfalls für eine Liberalisierung, weigern sich aber, gemeinsame Regulierungen in TTIP zu verhandeln. Sie sind der Ansicht, dass ihre Finanzmarktregeln ohnehin besser als jene der EU seien – und strenger.

3. Was sind die Befürchtungen?

Europäische Städte und Gemeinden fürchten um ihre Souveränität. Machen sie einem Unternehmen eine Umweltauflage – wie etwa Hamburg dem Kohlekraftwerk Moorburg – oder schreiben sie einen Bauauftrag nicht korrekt aus, könnte diese Entscheidung vor einem internationalen Schiedsgericht angegriffen werden. Zweitens glauben sie, dass der TTIP-Vertrag Druck erzeuge, immer mehr Bereiche zu liberalisieren – Stadtwerke und Volkshochschulen oder den öffentlichen Nahverkehr.

Datenschützer warnen, dass der Datenschutz innerhalb der EU aufgeweicht werden könnte. Die USA wollen, dass die Digitalwirtschaft liberalisiert wird, das heißt: Dass Daten möglichst ungehindert über den Atlantik fließen dürfen. Viele EU-Länder beharren auf ihren strengen Datenschutzregeln.

4. Sind die Befürchtungen begründet?

Das lässt sich bislang nur schwer einschätzen.

Beim Thema Datenschutz versichert die EU-Kommission, dass es durch TTIP keine Verschlechterungen geben werde.

Die Chefverhandler beider Seiten haben in Interviews zugesichert, dass Kommunen weiter frei darüber bestimmen dürfen, inwieweit sie Strom oder Wasser, Bildung oder Nahverkehr selbst bewirtschaften. Intern sagt die EU, das „sei kristallklar“. Auch in der Welthandelsorganisation WTO gibt es schon Vereinbarungen über öffentliche Dienstleistungen. Bisher gab es dort nie Streit darüber, was Kommunen dürfen und was nicht.

Aber: Es ist nicht klar, wie breit diese Zusicherung ist. Viele EU-Länder wollen sich daher im Vertrag ausdrücklich zusichern lassen, dass sie bestimmte Bereiche auf keinen Fall liberalisieren werden. Als hätten sie die Befürchtung, dass das TTIP-Regelwerk sie nicht genügend schützt vor den Begehrlichkeiten privater Unternehmen.

5. Wie ist der Stand der Verhandlungen?

Nach enttäuschenden ersten Verhandlungsrunden haben beide Seiten im Juli lange Listen mit Vorschlägen ausgetauscht, welche Bereiche geöffnet werden sollen.

Überlagert werden die TTIP-Gespräche von Verhandlungen über das sogenannte TiSA-Abkommen, das derzeit die USA, die EU und 18 weitere Staaten verhandeln, darunter Israel, die Türkei und Südkorea. Die Vereinbarungen in TTIP sollen weit über jene in TiSA hinausgehen.

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    Status: Es gibt erste Textentwürfe.