Gesundheits- und Pflanzenschutz (SPS)

Ein Thema, das jeden betrifft: Essen und Gesundheit. Ist das importierte Rindersteak im Supermarkt schadstofffrei? Wurden die Tortilla-Chips aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt? All das soll in diesem Kapitel reguliert werden.

1. Worum geht es?

Im Kern betrifft es den Verbraucherschutz. Wobei sich im internationalen Handel dafür der Ausdruck „sanitäre- und phytosanitäre Maßnahmen“ eingebürgert hat, abgekürzt: SPS. Das umfasst vieles. Den Pestizidgehalt in Äpfeln, die Stallgröße für Schweine in der Massentierhaltung. Die Öffnung des europäischen Marktes für Lebensmittel und Fleisch aus Amerika ist eines der wichtigsten Verhandlungsziele für die USA.

Am Ende soll der Handel auch von Lebensmitteln zwischen den EU und den USA erleichtert werden. Doppelprüfungen sollen wegfallen, die Qualitätsstandards der jeweils anderen Seite sollen anerkannt werden.

2. Welche sind die Streitpunkte?

Das Grundproblem ist letztlich auch hier eine gänzlich andere Herangehensweise hüben und drüben des Atlantiks, eine unterschiedliche Weltanschauung:

  • in der EU gilt das Vorsorgeprinzip: Produkte dürfen nur dann vermarktet werden, wenn sie vorher gründlich getestet wurden - und so sichergestellt wird, dass sie keine Risiken für den Verbraucher darstellen.
  • in den USA gilt das Nachsorgeprinzip: Produkte dürfen solange verkauft werden, bis sie von den Behörden verboten werden - etwa weil sie die Gesundheit von Menschen oder Tieren gefährden.

3. Was sind die Befürchtungen?

  • Dass Gen-Lebensmittel den europäischen Markt überfluten. Die EU prüft Gen-Saatgut vor dem Anbau. Alle Lebensmittel, die genetisch veränderte Stoffe beinhalten, müssen eigens zugelassen und entsprechend gekennzeichnet werden. Die US-Behörden finden das überflüssig. Für sie sind Gen-Lebensmittel „im wesentlichen gleichwertig“, es sei also nicht nötig, sie eigens zu prüfen, zu kennzeichnen, gesondert zuzulassen.

  • Dass Hormonfleisch nach Europa kommt. In den USA darf zum Beispiel das Wachstumshormon Ractopamine ins Tierfutter gemischt werden. Die EU hat Ractopamine verboten – genau wie Fleisch, in dem sich Rückstände davon nachweisen lassen. Die europäischen Behörden konnten nicht die Unbedenklichkeit von Ractopamine nachweisen – also verboten sie es. Die US-Behörden konnten nicht die Schädlichkeit von Ractopamine nachweisen – also mussten sie es erlauben. Die USA sind ein bedeutender Fleischexporteur. Sie haben ein großes Interesse daran, dass der europäische Markt auch für das hormonbehandelte Fleisch geöffnet wird.

  • Dass Chlorhühnchen in Europa verkauft werden. In der EU wird Hühnchenfleisch mit Trinkwasser gereinigt, bevor es in die Supermärkte kommt. Die Auffassung dahinter: Auf den Bauernhöfen müsse es so hygienisch zugehen, dass eine Reinigung mit Wasser genüge. In der USA wird Geflügelfleisch mit chemischen Mitteln, u.a. mit chloriertem Wasser desinfiziert – hier zählt an erster Stelle, dass das Endprodukt einwandfrei ist. Für diese Methode konnte zwar die zuständige europäische Behörde keine Gesundheitsrisiken nachweisen. Die EU lässt trotzdem nur mit Trinkwasser gereinigtes Geflügelfleisch zu. Das wollen die Amerikaner nicht akzeptieren.

  • Die Amerikaner wiederum haben Bedenken bei Rohmilchprodukten. In den USA dürfen Rohmilcherzeugnisse wie Camembert, Roquefort oder Limburger Käse nicht in jedem Bundesstaat verkauft werden. Die amerikanischen Behörden haben belegt: Wo mehr Rohmilcherzeugnisse gegessen werden, gibt es mehr Fälle von Listeriose. Besonders für Schwangere ist sie gefährlich, sie kann den Fötus schwer schädigen. In der EU ist es den Mitgliedsstaaten überlassen, ob und in welcher Form sie Rohmilch vermarkten.

4. Sind die Befürchtungen begründet?

Beide Seiten haben ein verschärftes Interesse daran, Zugang zum jeweils anderen Markt zu erhalten. Nicht alle Befürchtungen werden sich bestätigen.

  • Bei Gen-Lebensmitteln hat die Europäische Kommission 2015 entschieden, dass die Mitgliedsstaaten Einfuhr und Anbau selbst regeln sollen. Manche Mitgliedsländer befürchten nun aber: Wenn die Zulassung neuer Technologien in der Landwirtschaft in TTIP verankert wird, könnte das eine Hintertür sein, durch die Gen-Lebensmittel nach Europa gelangen.

  • Hormone als Leistungsförderer im Futtermittel für Tiere sind in der EU verboten. Nur wenn Tiere krank sind, dürfen sie Hormone verabreicht bekommen, mögliche Rückstände im Fleisch werden streng überprüft. Die Europäische Kommission hat sich eindeutig gegen die Marktöffnung für hormonhaltiges Fleisch positioniert. Ende der 1990er Jahre wollten die USA und Kanada schon einmal das Hormonfleisch-Verbot der EU durch eine Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO) aufheben. Die EU verlor die Klage, hält aber seitdem dennoch an dem Verbot fest. Vor diesem Hintergrund kann man davon ausgehen, dass die EU auch dieses Mal den Markt für hormonhaltiges Fleisch nicht öffnet.

  • Die EU verbietet in einer Regulierung die Einfuhr vom Fleisch, das mit anderen Mitteln als Trinkwasser gereinigt wurde. Aus diesem Grund kam wieder eine Klage von den Amerikanern vor die WTO. In diesem Fall gibt es noch kein Urteil, die EU beharrt aber in den bisherigen Stellungnahmen auf chlorfreien Fleischprodukten.

  • Die Europäische Milchindustrie hat zwar großes Interesse daran, dass sich der amerikanische Markt auch für Rohmilcherzeugnisse öffnet. Dennoch wird TTIP Regulierungen dort auf der bundesstaatlichen Ebene nicht ändern können.

5. Wie ist der Stand der Verhandlungen?

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind hoch sensible Themen. Kein Wunder, dass viele der strittigsten Punkte bei TTIP unter diesen Bereich fallen. Dennoch gibt es bereits einen Textentwurf zu diesem Kapitel.

Nächstes Kapitel

  • Gesetze planen und abstimmen

    Status: Es ist kompliziert.