Wem gehört die Stadt?

„Machen Sie bitte, dass die Miete wieder runtergeht!“

Seit Monaten protestieren Mieter im Hamburger Stadtteil Steilshoop gegen den Wohnungskonzern Vonovia, der allein in Hamburg rund 11.000 Wohnungen besitzt. Nun könnte der Streit mit dem mächtigen Eigentümer eskalieren.

von Jonas Seufert

Mieter im Hamburger Stadtteil Steilshoop protestieren gegen Mieterhöhungen. Das Quartier gehört zu den ärmsten in Hamburg.© Alexander Peters

Wem gehört Hamburg?
Wir wollen gemeinsam mit den Mietern den Hamburger Wohnungsmarkt transparenter machen. Mit Hilfe unseres CrowdNewsroom, in dem Journalisten und Bürger gemeinsam recherchieren. Bis zum 4. Mai können Sie auf wem-gehoert-hamburg.de mitteilen, wer der Eigentümer ihrer Mietwohnung ist. Falls Sie den Eigentümer nicht kennen, finden wir ihn gemeinsam heraus. Wir wollen eine Debatte anstoßen: welchen Schaden die fehlende Transparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt anrichtet und ob sie noch zeitgemäß ist.

Der Mann in der Tür braucht kurz, bis er die zwei Frauen erkennt, die ihm gegenüberstehen. „Wir sind von der Mieterinitiative“, sagt Klaudia Krummreich. „Wir waren letzte Woche schon mal wegen der Unterschriften da“, sagt Kerstin Portugall.

Krummreich und Portugall haben sich durch Bauschutt und Staub in den zweiten Stock eines Wohnblocks am Schreyerring in Steilshoop gekämpft. Dutzende orangefarbene Kabel liegen offen auf der Wand. Der Mann erzählt, er habe zwar neue Fenster, dafür muss er aber auch 130 Euro mehr Miete zahlen. „Machen Sie bitte, dass die Miete wieder runtergeht“, sagt er zum Abschied. „Viel Glück!“

Krummreich und Portugall sind Teil einer Mieterinitiative, die sich seit Monaten gegen den Immobilienkonzern Vonovia auflehnt. Nach und nach modernisiert der Immobilienriese seine knapp 2.100 Wohnungen im Quartier. Das ist bitter nötig. Aber die Mieter sollen mitbezahlen. Viele fürchten, dass sie sich das nicht leisten können.

Mangelnde Transparenz bei Abrechnungen

Nun läuft der Streit auf einen neuen Höhepunkt zu. Die Mieterinitiative hat einen Forderungskatalog mit 15 Punkten aufgestellt und 400 Unterschriften im Viertel gesammelt, die sie am 19. April dem Stadtteilbüro des Unternehmens übergeben wollen. Sie fordern unter anderem mehr Transparenz in der Abrechnung, Ansprechpartner und eine bessere Objektpflege.

Hauptsächlich aber will die Initiative, dass die Vonovia bei den Sanierungsarbeiten zwischen Modernisierung und Instandhaltung unterscheidet. Die Kosten für die energetische Sanierung darf der Konzern laut Gesetz auf die Mieter umlegen. Die Kosten für die Instandhaltung allerdings nicht. Fragt sich nur: Was ist was? Ist ein Fenster marode, muss es im Rahmen der Instandhaltung ausgetauscht werden. Hat es aber danach einen höheren Energie-Standard, kann das als energetische Sanierung gewertet werden.

Die Mieterinitiative und Mietervereine vermuten, dass der Konzern auch Kosten umlegt, die die Vonovia eigentlich für die Instandhaltung tragen muss. Zum Beispiel, wenn der Konzern Schimmel von den Wänden entfernt. „Diese Vermischung geht einfach nicht“, sagt Wilfried Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg, der Mieter in Steilshoop berät.

 „Aber die Vonovia versucht es. Viele Mieter sind aus Angst vor einem Prozess bereit, die neue Miete zu zahlen.“ Laut Mieterinitiative beträgt die durchschnittliche Mieterhöhung in Steilshoop nach der Sanierung 40 Prozent der Vormiete. In einem Fall sind es laut Mieterverein zu Hamburg sogar 77 Prozent.

Aktionkonzern wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Vonovia hält dagegen. Nur in seltenen Fällen betrage die Mieterhöhung 40 Prozent, mehr als 70 Prozent seien ausgeschlossen. „Bei der Modernisierungsumlage halten wir uns an die geltenden rechtlichen Vorgaben“, sagt Sprecherin Nina Henckel. „Wir trennen klar zwischen Instandhaltungen und Modernisierungen.“

Es gebe Härtefallregelungen und die Möglichkeit, die Miete in Raten zu zahlen. Zudem investiere die Vonovia auch in die Infrastruktur des Viertels. In Seniorenprojekte etwa, oder in die Sanierung der Mittelachse des Quartiers.

Mit unter acht Euro pro Quadratmeter ist die Miete nach der Sanierung im Hamburger Vergleich immer noch günstig. Aber Steilshoop ist einer der ärmsten Stadtteile Hamburgs und liegt zudem nicht verkehrsgünstig am Rande der Stadt. Rund ein Viertel der Bewohner sind Leistungsempfänger, mehr als doppelt so viele wie im Hamburger Durchschnitt (10,3 Prozent).

Die Wohnblocks, die sich in rund 20 Ringen die Hauptstraße entlang ziehen, umfassen etwa 6.000 Wohnungen. Rund ein Drittel davon gehört dem Wohnungsriesen Vonovia, der in ganz Deutschland rund 340.000 Wohnungen besitzt. In Hamburg sind es rund 11.000 Wohnungen.

Dadurch dürfte er zu den größten Eigentümern in Hamburg gehören. Wer die Eigentümer sind, das recherchiert CORRECTIV gerade gemeinsam mit Mieterinnen und Mietern der Stadt Hamburg auf der Plattform wem-gehoert-hamburg.de.

Mieterhöhung von 40 Prozent nach Sanierung ungültig

Vonovia geht es gut. Die Mieteinnahmen hat er im vergangenen Jahr um 8 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro gesteigert, die Dividende für die Aktionäre erhöht. Und im Jahr 2018 will der Konzern eine Milliarde Euro in Modernisierungen stecken. Auch in Steilshoop.

„Ich werde mir dann schlicht meine Wohnung nicht mehr leisten können“, sagt Kerstin Portugall, die seit 22 Jahren in ihrer Mietwohnung lebt. Noch wird bei ihr nicht modernisiert, aber es gibt bereits Pläne der Vonovia. Krummreich geht es ähnlich. Wie viele andere Bewohner fürchten beide aus ihrem gewohnten Umfeld verdrängt zu werden.

Doch ein Urteil aus Bremen macht der Initiative Hoffnung. Das dortige Landgericht hat vor Kurzem entschieden, dass eine Mieterhöhung von 40 Prozent nach der Sanierung nicht rechtens war, weil die Vonovia nicht ausreichend zwischen Instandsetzung und Modernisierung unterschieden hatte. Das Urteil birgt laut Mieterverein zu Hamburg auch für Mieter in Steilshoop Chancen.

„Die Mieterhöhungen, die mir vorliegen, genügen den Anforderungen des Bremer Urteils nicht“, sagt Wilfried Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg. Die Vonovia möchte zunächst das schriftliche Urteil abwarten. Man gehe jedoch nicht davon aus, dass das Urteil Auswirkungen auf weitere Projekte habe.

Krummreich und Portugal erfahren von dem Urteil beim Treffen der Initiative im Stadtteilzentrum Agdaz. Neben Bewohnern von Vonovia-Wohnungen, sind auch Vertreter des Mietervereins zu Hamburg und des Ortsverbandes der Partei die Linke dabei. Gemeinsam sprechen sie den Ablauf für die Übergabe der Unterschriften durch, die am 19. April im Büro der Vonovia-Vertreterin erfolgen soll. „Ich lasse mir die Butter nicht vom Brot nehmen“, sagt Kerstin Portugall am Ende. Sie sind bereit für den Kampf.

 

Veranstaltungen 

Wir wollen mit Ihnen über die Wohnungskrise in Hamburg bei verschiedenen Events im April und Mai in Hamburg ins Gespräch kommen. Auf Infoveranstaltungen mit dem Mieterverein zu Hamburg erfahren Sie, warum Mieter ihre Eigentümer kennen sollten und wie Sie die Namen herausfinden. Auf Diskussionsveranstaltungen besprechen wir mit Ihnen zentrale Wohnungsthemen. Zur besseren Planung bitten wir um eine kostenlose Anmeldung.