Der Prozess

Der Prozess, Tag 43

Stadtmann schweigt bis zuletzt. Am Freitag um 11 Uhr wird das Urteil verkündet. Appelle der Nebenklage an den Angeklagten, das letzte Wort für die Aufklärung zu nutzen, verhallen. Stadtmann Verteidiger fordern den Freispruch und beklagen den Medienpranger.

von Marcus Bensmann

© CORRECTIV.RUHR

Welchen Eindruck macht Peter Stadtmann?

Stadtmann bleibt ungerührt. Er liest die Plädoyers seiner Anwälte, winkt sie heran und stellt Nachfragen. Zum Schluss sagt er ins Mikrofon, „ich möchte mich nicht mehr äußern“.

Welchen Eindruck machen die Betroffenen?

Es sind viele Nebenklägerinnen gekommen. Sie sind angespannt. Einige gratulieren dem Anwalt Mohammed für sein Plädoyer. Als Stadtmann das Schlusswort bekommt, ist die Anspannung mit Händen zu greifen, und kurz darauf die Enttäuschung. Stadtmann will nichts sagen. Neben Journalisten ist auch ein Gerichtszeichner im Saal. Der Besucherraum ist spärlich gefüllt.

Die wichtigsten Ereignisse des Tages:

  • Peter Stadtmann schweigt. Nachdem der Verteidiger Peter Strüwe den Freispruch fordert, fragt Richter Johannes Hidding den Angeklagten, ob er vom Recht des letzten Wortes Gebrauch machen will. Stadtmann beugt sich vor, ergreift das Mikrofon und zum ersten Mal ist im Verfahren die Stimme des Angeklagten zu hören. Stadtmann sagt, dass er nichts mehr sagen wolle. Auch dessen Anwälte erwähnen am heutigen Tag die Situation der Betroffenen mit keinem Wort.
  • Das Schlußwort als Erlösung. Der Anwalt der Nebenklage Khubaib-Ali Mohammed wendet sich direkt an Stadtmann. Er wolle ihn direkt ansprechen. Er vergleicht sein Leben mit dem Leben des Angeklagten, sieht Parallelen, eine dominante Mutter, die Liebe zur Kunst und den Zwang, dass das Leben vorgezeichnet sein müsse. Dann geht er auf das Schicksal der Nebenklägerin ein, deren Tochter ist an Krebs gestorben, und sie kümmere sich jetzt um die Enkelin. Mohammed beschreibt das Leben Stadtmanns in drei Akten, die Kindheit eines einsamen Menschen, ein Leben unter ständiger Bevormundung, das dann zu den Taten im Labor führte, und zum Schluss stehe die Katastrophe oder aber die Erlösung. Stadtmann könne das Angebot des letzten Wortes als Erlösung nutzen, er könne Klarheit und Aufklärung bringen, sagt Mohammed, denn sonst drohe eine langjährige Haftstrafe, wo er die schönen Momente des Lebens nicht erfahren könne, und auch nicht verfolgen könne, wie sein Kind aufwächst.
  • Keine Beweisanträge mehr. Der Versuch der Verteidiger noch einen Entscheid zu einem Beweisantrag zu erzwingen, weist der Richter mit dem Hinweis zurück, dass nach einem Kammerbeschluss über alle ausstehenden Beweisanträge im Urteil befunden wird.
  • Freispruch und sofortige Freilassung. Der Anwalt Ulf Reuker macht den Anfang der Plädoyers der Verteidigung. Er sagt, dass das Verfahren in keinem der Anklagepunkte die Schuld des Angeklagten bewiesen habe. Reuke stellt die Verwertbarkeit der Analysen der beschlagnahmten Infusionen durch das Paul-Ehrlich-Institut und das Landeszentrum Gesundheit NRW in Frage. Er bezieht sich dabei auf die Mängel, die die Gutachter Fritz Sörgel und Henning Blume und deren Mitarbeiterin gefunden hätten. Es sei nicht bewiesen worden, wer die Proben zubereitet habe, zudem seien diese am Tag der Razzia noch nicht freigegeben gewesen, sagt der Anwalt. Kein Zeuge habe den Angeklagten gesehen, dass er unterdosiert habe. Wenn dies aber geschehen sein sollte, dann wäre das keine vorsätzliche Tat. Reucker verweist auf das Gutachten von Pedro Faustmann, der Stadtmann eine Hirnstörung nach einem Unfall attestiert hatte. Auch hätte das Verfahren weder den Betrug, die Körperverletzung, noch die Minderdosierung nachweisen können, sagt Reuker. Die vorgetragene negative Warenbilanz sei nicht stichhaltig, es habe sich immer genügend Wirkstoff in der Apotheke befunden. Es sei kein Vorsatz noch ein Tatplan beim Angeklagten nachgewiesen worden. Das Organisationsdelikt sei für den Fall nicht anwendbar, sagt der Anwalt Reuker.
  • Medienpranger und Existenzvernichtung. Der Anwalt Peter Strüwe redet über Vorverurteilung durch die Medien. Er spricht vom Medienpranger. Auch hätten sich die Behörden an der Vorverurteilung beteiligt, sagt Strüwe, und nennt konkret das Kanzleramt, die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft  und den NRW-Gesundheitsminister. Strüwe greift den Staatsanwalt an, diese Vorverurteilung nicht in die Strafmaßforderung eingerechnet zu haben. Auch hätte die Staatsanwaltschaft berücksichtigen müssen, dass Stadtmann zuvor nicht straffällig gewesen sei, und er und seine Familie durch das Verfahren ruiniert seien. Strüwe sagt ebenfalls, dass das Verfahren keinen der Anklagepunkte bewiesen hätte und das Organisationsdelikt nicht anwendbar sei, deshalb müsse der Angeklagte freigesprochen werden.
  • Urteil um 11Uhr. Der Richter Johannes Hidding schließt den Verhandlungstag und kündigt die Urteilsverkündung für Freitag um 11 Uhr an.

Ausblick auf den nächsten Verhandlungstag

Das Urteil wird am Freitag um 11 Uhr verkündet.

Letzter Verhandlungstag: 6.Juni