Faktencheck

Video: Keine Belege, dass ein Corona-Schnelltest positiv auf Fruchtsaft reagierte

Im November kursierte in Deutschland und Polen ein Video, in dem ein Mann einen Antigen-Schnelltest mit Fruchtsaft durchführt und ein positives Ergebnis erhält. Solche Experimente sollen offenbar die Zuverlässigkeit der Corona-Tests infrage stellen, sind aber nicht aussagekräftig.

von Alice Echtermann

Corona-Antigen-Schnelltest
Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 sind weniger zuverlässig als PCR-Tests. Mit Lebensmitteln können sie aber gar nicht korrekt funktionieren, weil sie für menschliche Proben ausgelegt sind. (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / DPA-Zentralbild / Britta Pedersen) 
Behauptung
Ein Corona-Schnelltest reagiere positiv auf Fruchtsaft.
Bewertung
Unbelegt. Es ist nicht klar, ob der Test im Video manipuliert wurde. Generell sagen solche Experimente nichts über die Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests aus.  

Ein Polnisch sprechender Mann packt in einem Video einen Corona-Test aus. Er trinkt aus einer Flasche und träufelt dann Flüssigkeit daraus mit einer Spritze auf den frisch ausgepackten Test sowie auf einen zweiten Test, der bereits ausgepackt auf dem Tisch liegt. Kurze Zeit später zeigt der zweite Test zwei Linien an, der erste aber nicht. „Ein polnischer Bürger testet Eistee auf Corona! Ergebnis: Der Eistee ist positiv! Noch Fragen?“, schreibt ein Facebook-Nutzer dazu. Sein Beitrag mit dem Video wurde mehr als 1.500 Mal geteilt.  

Es handelt sich nicht um Eistee, sondern um ein Fruchtsaft-Getränk der Marke Tymbark. Das Video verbreitete sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen. Dort haben die Faktenchecker von Demagog es ebenfalls geprüft. 

Nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck wird im Video ein Antigen-Schnelltest einer US-amerikanischen Firma verwendet. Das Ergebnis ist jedoch nicht aussagekräftig. Erstens ist eine Manipulation nicht auszuschließen, und zweitens sagen solche „Experimente“ nichts über die Zuverlässigkeit der Tests bei Menschen aus.

Welche Testmethoden für SARS-CoV-2 gibt es?

Es gibt laut Robert-Koch-Institut verschiedene Testmethoden für SARS-CoV-2. Als „Goldstandard“ gelte der PCR-Test, bei dem genetisches Material des Virus im Labor nachgewiesen wird (direkter Erregernachweis). 

Die zweite Testmethode sind Antikörpernachweise (indirekter Erregernachweis). Diese weisen nach, ob jemand in der Vergangenheit mit SARS-CoV-2 infiziert war und Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Laut RKI lassen solche Tests jedoch keine eindeutigen Aussagen zu, ob jemand ansteckend oder immun ist.

Eine dritte Methode sind Antigen-Tests – einen solchen verwendete der Mann in dem Video. „Das Antigen-(Schnell-)testformat basiert auf dem Nachweis von viralem Protein in respiratorischen Probenmaterialien“, schreibt das RKI. Diese Tests seien aber nicht so genau wie PCR-Tests und daher nicht so zuverlässig. „Ein positives Testergebnis bedarf zur Vermeidung falsch-positiver Befunde einer Nachtestung mittels PCR. […] Ein negatives Ergebnis im Antigentest schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt […].“

Im Video wird ein Antigen-Test verwendet

Bei dem Test, der im Video ausgepackt wird, handelt es sich laut der Verpackung um einen „Coronavirus Antigen Rapid Test“ des US-amerikanischen Herstellers Healgen. Das Unternehmen hat uns bisher auf unsere schriftliche Presseanfrage, ob es sich um ihren Test handelt und ob er auf Saft positiv reagieren könnte, nicht geantwortet. 

Schnelltest Verpackung im Video
Laut der Verpackung handelt es sich bei dem Test um einen Antigen-Test der Firma Healgen. (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Es gibt bei diesem „Experiment“ aber mehrere Ungereimtheiten. Zum einen trinkt der Mann aus der Flasche, bevor er die Flüssigkeit mit einer Spritze herauszieht. Es könnte also Speichel des Mannes im Saft sein, und der Mann könnte selbst mit dem Coronavirus infiziert sein.

Zweitens reagiert der im Video frisch ausgepackte Test nicht positiv – es werden keine Linien angezeigt. Ein positives Ergebnis (zwei Linien) erscheint nur auf dem zweiten Test, der schon vorher ausgepackt auf dem Tisch liegt. Eine Manipulation dieses zweiten Tests ist daher nicht ausgeschlossen. 

Ergebnis der Schnelltests
Der Test links im Bild reagiert sehr schnell positiv, war jedoch zuvor schon ausgepackt. Der frisch ausgepackte Test (rechts im Bild) zeigt innerhalb derselben Zeit gar keine Reaktion. (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Drittens reagiert dieser zweite Test sehr schnell (innerhalb von etwa anderthalb Minuten), obwohl die Reaktionszeit für den Test von Healgen laut Hersteller bis zu 15 Minuten beträgt. Der Hersteller betont in den Produktinformationen auf seiner Webseite auch, dass der Test nicht für den Heimgebrauch sei. 

Der Antigen-Test wird nicht korrekt durchgeführt

Zudem gibt der Mann den Fruchtsaft direkt auf den Test. Normalerweise gehört zu dem Test laut Hersteller ein „Extraction Buffer“, eine Puffer-Flüssigkeit, mit der die Testprobe vorbereitet wird. Der Test im Video wird also nicht korrekt durchgeführt. 

Einen ganz ähnlichen Fall gab es Anfang Dezember in Österreich: Der FPÖ-Politiker Michael Schnedlitz testete ein Glas Cola mit einem Antigen-Schnelltest und behauptete, das Ergebnis sei positiv. In unserem Faktencheck dazu erklärten wir, dass auch er keine Puffer-Flüssigkeit verwendete, sondern die Cola direkt auf den Test träufelte. Die Puffer-Lösung dient nach Angaben des Test-Herstellers Dialab aus Österreich auch dazu, den pH-Wert der Probe neutral zu halten. Lasse man sie weg, führe das zu falschen Ergebnissen. 

Tests und Abstriche müssen korrekt durchgeführt werden

Auch die Faktenchecker von Demagog, AFP und DPA haben zu dem Video mit dem Polnisch sprechenden Mann bereits Artikel veröffentlicht. Sie kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass das Video nicht belegt, dass der verwendete Antigen-Test wirklich positiv auf Saft reagiert hat. 

Lebensmittel könnten bei einem Rachenabstrich das Ergebnis eines Antigen-Tests tatsächlich theoretisch verfälschen, teilte uns ein Sprecher des österreichischen Sozialministeriums für einen anderen Faktencheck mit. Deshalb werde bei allen Tests, bei denen der Abstrich auf diese Art genommen wird, angegeben, dass man zwei Stunden vorher nichts essen und keine Softdrinks konsumieren solle. 

Es wird nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck aber ohnehin empfohlen, den Abstrich für einen Corona-Test am Nasenrachen (Nasopharynx) zu nehmen (mit einem Stäbchen durch die Nase). Dort ist die Viruslast am höchsten und die Qualität des Abstrichs nach Ansicht von Experten daher besser. In den Angaben des Herstellers Healgen zu dem Schnelltest heißt es auch, er sei nur für Proben gedacht, die per Nasopharynx-Abstrich genommen wurden.

Fallzahlen in Deutschland beruhen nicht auf Antigen-Tests 

„Experimente“ mit Antigen-Tests sollen offenbar ihre Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Corona-Fallzahlen infrage stellen. Die Fallzahlen beruhen aber in Deutschland nicht auf Antigen-Tests. „Die vom RKI veröffentlichten Fälle sind sämtlich PCR-bestätigt“, schreibt uns Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Instituts, per E-Mail. 

Antigen-Tests wurden laut RKI erst im Oktober in die Nationale Teststrategie in Deutschland integriert. Dort steht auch, sie sollten nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden und möglichst nur bei Personen, „bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt“. Bei positiven Ergebnissen solle grundsätzlich eine Bestätigung durch einen PCR-Test erfolgen.

Auszug aus den Informationen des RKI zur Nationalen Teststrategie. (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In Deutschland sind zahlreiche Antigen-Tests verschiedener Hersteller verfügbar. Eine Liste findet sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArmM). Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Mindestkriterien festgelegt für Antigen-Tests, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind. Dazu gehören Kriterien für die Sensitivität und Spezifität – also die Zuverlässigkeit, mit der die Tests Infizierte als infiziert beziehungsweise Gesunde als gesund erkennen. 

Das PEI führt zudem selbst kontinuierlich vergleichende Analysen zur Sensitivität von Antigen-Tests durch. Tests, die dabei durchfallen und nicht dem „Stand der Technik“ entsprechen, werden laut PEI aus der Liste des BfArM entfernt.  

Dass die Schnelltests in der Praxis nicht immer zuverlässig sind, zeigen auch aktuelle Medienberichte. So berichtete das ZDF kürzlich von mehreren Fällen in Deutschland, in denen Mediziner infiziert und ansteckend waren und die Antigen-Schnelltests dennoch mehrfach negativ ausgefallen seien. 

Fazit

Es gibt keine Belege, dass der Schnelltest im Video wirklich auf den Fruchtsaft positiv reagierte. Solche „Experimente“ sind derzeit ein beliebtes Mittel, um die Zuverlässigkeit von Corona-Tests infrage zu stellen. So kursierten in den vergangenen Wochen auch Videos mit Apfelmus oder Rotwein im Netz. 

Solche Testergebnisse haben aber keine Aussagekraft, da die Tests für menschliche Proben ausgelegt sind. Wie uns ein Sprecher des Antigen-Testherstellers Medsan für einen anderen Faktencheck mitteilte, sind die Tests ausdrücklich nur für den professionellen Gebrauch gedacht: „Da das Produkt für Fachanwender konzipiert wurde, wird auch kein Test bei vollem Mund mit Apfelmus durchgeführt. Klingt lustig, ist aber tatsächlich ernst gemeint.“

Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Produktinformationen zum Antigen-Test auf der Webseite von Healgen: Link
  • Faktencheck von Demagog: Link (Polnisch)
  • RKI-Hinweise zur Testung auf SARS-CoV-2: Link
  • Nationale Teststrategie für Deutschland: Link
  • Liste verfügbarer Antigen-Test des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte: Link
  • Mindestkriterien für Antigen-Tests des Paul-Ehrlich-Instituts: Link