Faktencheck

Irreführende Spekulationen zum „Lockdown“, der angeblich zum Ramadan endet

In Deutschland und Österreich würden angeblich „wie im Vorjahr“ vor dem Ramadan die Corona-Maßnahmen gelockert, heißt es in einem Blog. Das stimmt nicht: Im vergangenen Jahr blieben im Fastenmonat viele Moscheen geschlossen. Die Einschränkungen gelten für alle Menschen gleichermaßen – und wie lange der aktuelle Lockdown noch anhält, ist unklar.

von Sarah Thust

Moschee in Berlin
Wie lange die Corona-Maßnahmenn in diesem Jahr dauern werden, steht noch nicht fest. (Symbolbild: Picture Alliance / Bildagentur-Online/Joko)
Behauptung
Wie im Vorjahr werde der Corona-Lockdown „rechtzeitig vor Ramadan-Beginn“ enden. Die Corona-Maßnahmen würden noch bis Ostern gelten – sie seien ein Vorwand, um christliche Feiertage zu verhindern.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Die Corona-Maßnahmen gelten für Menschen aller Religionen gleichermaßen. Es steht noch nicht fest, wann der sogenannte Lockdown endet. Im vergangenen Jahr endete er jedoch mitten im Ramadan, nicht „vor Ramadan-Beginn“.

„Wie im Vorjahr: Corona-Lockdowns enden rechtzeitig vor Ramadan-Beginn“: Unter dieser Überschrift macht der Blog Unser Mitteleuropa Stimmung gegen Muslime in Deutschland und Österreich. Der Artikel stellt die unbelegte Behauptung auf, es werde „unter dem Deckmantel der Corona-Pandemiebekämpfung“ ein „Feldzug gegen christliche Feiertage und Hochfeste“ geführt. Der Beitrag wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 500 Mal auf Facebook geteilt und verbreitete sich auch auf Telegram im Kanal „Eva Herman Offiziell“.

Das stimmt nicht. Die Corona-Maßnahmen richten sich in Deutschland nicht nach religiösen Gruppen; sie gelten für alle Menschen. 

Wie unsere Recherchen ergaben, endete der „Corona-Lockdown“ im vergangenen Jahr  weder in Deutschland noch in Österreich vor Ramadan-Beginn. Wie lange die Ausgangsbeschränkungen in diesem Jahr gelten werden, steht zudem noch nicht fest und ist Spekulation.

Nein, der „Corona-Lockdown“ endete 2020 nicht vor Ramadan-Beginn

Der Fastenmonat Ramadan für Muslime richtet sich nach dem Islamischen Mondkalender und wandert rückwärts in den Jahreszeiten. Im vergangenen Jahr dauerte er vom 24. April bis zum 23. Mai. In diesem Jahr beginnt er am 13. April. 

Die Überschrift bei Unser Mitteleuropa ist also bereits falsch, denn der „Corona-Lockdown“ 2020 endete nicht „rechtzeitig vor Ramadan-Beginn“. Zu Beginn des Fastenmonats blieben viele Moscheen laut Medienberichten geschlossen. In Deutschland einigten sich Bund und Länder erst am 30. April 2020 darauf, Gottesdienste und Gebetsveranstaltungen bundesweit unter Auflagen wieder zu ermöglichen. 

In Österreich beschloss die Regierung zehn Tage vor Ende des Ramadans, am 13. Mai, Lockerungen für „Einrichtungen zur Religionsausübung“. Ab dem 15. Mai waren Gottesdienste mit Auflagen wieder möglich. Das Tragen einer Maske sowie das Einhalten des Mindestabstands mussten aber eingehalten werden – in Moscheen wie in Synagogen und Kirchen. 

Ob Corona-Maßnahmen bis Ostern (4. April) gelten werden, ist unklar

Wann der „Lockdown“ in diesem Jahr endet, ist bisher nicht abzusehen. Die aktuellen Corona-Maßnahmen gelten in Deutschland noch bis zum 7. März 2021. In Österreich soll die Lage am 1. März erneut bewertet werden. Wie es danach weitergeht, dazu haben sich beide Länder bisher nicht geäußert.

Unser Mitteleuropa behauptet: „Sowohl in Deutsch­land, als auch in Öster­reich werden die Corona-Lock­downs nämlich bis Ostern (4. und 5. April) andauern (vermut­lich auch noch während der Oster­fest­tage) und kurz vor dem Beginn des Ramadan, der heuer am 12. April beginnt, enden. Das kündigte nicht nur schon Sach­sens CDU-Minis­ter­prä­si­dent Michael Kret­schmer an (‘Oster­ur­laub kann es dieses Jahr leider nicht geben’), sondern auch Öster­reichs Bundes­kanzler Sebas­tian Kurz.“

Doch weder in Deutschland noch in Österreich ist es beschlossene Sache, dass der „Lockdown“ bis Ostern andauern wird. Medienberichten zufolge bezogen sich Kretschmer und Kurz auf Einschränkungen für Tourismus und Kultur, die ihrer Meinung nach bis Ostern andauern werden. 

  • Kretschmer sagte Bild am Sonntag (13. Februar, Paywall): „Ich bin dafür, Wahrheiten auszusprechen. Osterurlaub in Deutschland kann es dieses Jahr leider nicht geben.“ Auch Gaststätten, Hotels und Theater sollten bis nach Ostern geschlossen bleiben. Andere Medien wie das ZDF griffen diese Aussagen auf. Sie bedeuten jedoch keinen Beschluss für ganz Deutschland. 
  • Kurz sagte laut Vienna Online (15. Februar), er gehe von weiteren Öffnungsschritten „rund um Ostern“ aus. Für Gastronomie- und Hotelbetriebe sowie Theater, Konzert- und Opernhäuser und Kinos sollte es bis Ostern aber bei der Schließung bleiben.

Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sind schon jetzt unter bestimmten Voraussetzungen möglich

Laut einem Beschluss von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie vom 19. Januar sind derzeit in Deutschland „Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen“ unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Voraussetzung: „Der Mindestabstand von 1,5 Metern wird gewahrt, es gilt die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske auch am Platz, der Gemeindegesang ist untersagt, Zusammenkünfte mit mehr als zehn Teilnehmenden sind beim zuständigen Ordnungsamt spätestens zwei Werktage zuvor anzuzeigen, sofern keine generellen Absprachen mit den entsprechenden Behörden getroffen wurden.“

In Österreich ist die Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten laut der Katholischen Presseagentur Österreich seit dem 7. Februar wieder erlaubt. Der Besuch von Kirchen zur persönlichen Andacht sei die ganze Zeit über möglich – unter Beachtung der FFP2-Maskenpflicht und des Mindestabstands von zwei Metern zu anderen Personen. „Veranstaltungen zur Religionsausübung“ bilden laut einem Regierungsbeschluss vorerst bis Ende Februar eine Ausnahme von dem generellen Veranstaltungsverbot. 

Fazit

Es stimmt nicht, dass der „Corona-Lockdown“ im vergangenen Jahr „rechtzeitig vor Ramadan-Beginn“ endete. Zudem gelten die Corona-Beschränkungen gleichermaßen für Kirchen, Synagogen und Moscheen. Bis wann die Einschränkungen noch gelten, ist Spekulation. Für Gottesdienste werden jedoch auch aktuell schon Ausnahmen gemacht – mit strengen Auflagen.

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus / Auswirkung auf die Kirchen in Deutschland (Stand 23. Februar 2021): Link 
  • Mitteilung der Bundesregierung Deutschland – „Gottesdienste sollen wieder möglich sein“ (30. April 2020): Link
  • Beschluss von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie in Deutschland (19. Januar 2021): Link
  • Aktuelle Maßnahmen der Bundesregierung Österreichs (22. Februar 2021): Link
  • Änderung der Covid-19-Lockerungsverordnung im Bundesgesetzblatt für Österreich (13. Mai 2020): Link
  • Mitteilung der Katholischen Presseagentur Österreich zu Lockerungen ab 7. Februar 2021: Link