Faktencheck

Falschmeldung zur Ausgangssperre: Am Flughafen BER saßen keine 650 Menschen über Nacht fest

Am Wochenende kursierte eine Falschmeldung über den Flughafen Berlin-Brandenburg. In der Nacht von Samstag zu Sonntag hätten 650 Menschen bis 5 Uhr morgens den Flughafen aufgrund der Corona-Ausgangssperre nicht verlassen können. Das stimmt nicht.

von Sarah Thust

BER: Flughafen Berlin-Brandenburg
Ein Archivfoto zeigt den Flughafen Berlin-Brandenburg. Am Wochenende wurde behauptet, dort hätten 650 Menschen bis 5 Uhr morgens festgesessen. Diese Behauptung ist falsch. (Archivfoto vom 12. März 2021: Picture Alliance / dpa / Patrick Pleul)
Behauptung
Am Berliner Flughafen BER hätten in der Nacht von Samstag zu Sonntag 650 Menschen bis 5 Uhr morgens aufgrund der Ausgangssperre festgesessen, während „Hundertschaften von Bundespolizei“ vor dem Terminal und am Bahnhof gewartet und die Leute kontrolliert hätten.
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Frei erfunden. Es handelt sich um eine Falschmeldung.

Am Samstagabend, 24. April, um 22.48 Uhr veröffentlichte der Telegram-Kanal „MMnews offiziell“ eine kurze Meldung: „Am BER (Flughafen Berlin) sitzen 650 Menschen bis 5:00 fest. Sie dürfen aufgrund der Ausgangssperre das Terminal nicht verlassen. Vor dem Terminal und am Bahnhof warten Hundertschaften von Bundespolizei die jeden anzeigen und mit einem Bußgeld versehen der rausgeht.“ Das war der Beitrag darüber, den wir in Sozialen Netzwerken finden konnten. 

Der Text verbreitete sich rasant in den Sozialen Netzwerken: Er wurde in mehreren Telegram-Kanälen, auf Twitter und Facebook verbreitet. Am Tag darauf griff auch die Internetseite Journalistenwatch die Meldung auf – ohne Beweise für ihre Echtheit.

Es handelt sich um eine Falschmeldung. Die Bundespolizei Berlin dementiert, und auch die Pressestelle des Flughafens widerspricht. Die Tageszeitung Welt schickte Samstagnacht sogar einen Fotografen zum BER, der dort weder „Hundertschaften“ von Polizisten, noch wartende Passagiere vorfand.

Dieser Text verbreitete sich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in allen Sozialen Netzwerken
Dieser Text verbreitete sich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in allen Sozialen Netzwerken (Quelle: Telegram / Screenshot vom 26. April: CORRECTIV.Faktencheck)

Bundespolizei Berlin spricht von „Fake News“

Am Sonntagvormittag twitterte die Bundespolizei: „Es kursieren #fakenews zur Durchsetzung der Ausgangssperre am #BER. An den Vorwürfen, dass hunderte Menschen dort während der Ausgangssperre festgehalten werden und Hundertschaften der #BPOL diese mit Anzeigen und Bußgeldern belegen, ist NICHTS dran!“

Auf Nachfrage, wie viele Mitarbeiter an dem Abend am Flughafen im Einsatz waren, schrieb uns eine Sprecherin der Bundespolizeidirektion Berlin: „In dem von Ihnen benannten Zeitraum waren im Rahmen der Nachtschicht im gesamten Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeiinspektion Flughafen Berlin-Brandenburg ca. 60 Beamtinnen und Beamte eingesetzt.“

E-Mail einer Sprecherin der Bundespolizei Berlin
E-Mail einer Sprecherin der Bundespolizei Berlin (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Flughafen Berlin-Brandenburg: „An den Behauptungen war nichts dran“

Wir haben außerdem bei Sabine Deckwerth, Pressesprecherin vom Flughafen Berlin-Brandenburg nachgefragt. Sie schreibt: „Es handelte sich um eine reine Fake News. An den Behauptungen war nichts dran.“ 

Darüber, dass An- und Abreisen für touristische Zwecke zwischen 22 und 5 Uhr wegen der Ausgangssperre nicht gestattet seien, informierte der Flughafen BER am Samstagnachmittag auf Twitter

Auf die Nachfrage, ob in dem Zeitraum zwischen 22 Uhr und 22.48 Uhr, als der Beitrag auf Telegram auftauchte, überhaupt 650 Passagiere am Flughafen gelandet oder umgestiegen seien, antwortete sie: „Die Zahl 650 ist definitiv falsch. Am Samstagabend sind ab 21.59 Uhr sechs Maschinen mit 607 Passagieren gelandet […].“ 

Ob die Passagiere dienstlich oder privat unterwegs gewesen waren, konnte sie nicht sagen. Für Dienstreisende gilt die Ausgangssperre laut Infektionsschutzgesetz nicht, teilte uns die Flughafen-Sprecherin mit. 

Laut der Welt sagte ein Sprecher der Bundespolizei, dass es auch für touristische Reisen einen Ermessensspielraum gebe: „Der gelte etwa dann, wenn der Flug schon vor längerer Zeit gebucht worden sei oder ein Flug Verspätung habe. Die Fahrt vom Flughafen nach Hause sei dann Teil der Reise und werde nicht geahndet.“

Fotos aus derselben Nacht zeigen einen leeren Flughafen

CORRECTIV.Faktencheck liegen zudem Original-Fotos von dem Fotografen Morris Pudwell aus dieser Nacht vor, die der Welt-Journalist Alexander Dinger am Sonntag auf Twitter teilte. Dinger schickte uns die Original-Dateien am Sonntagabend per E-Mail. Sie zeigen ein leeres Flughafengelände – keine Polizisten oder Passagiere. 

Aus den Metadaten der Bilder, die in der Regel automatisch von der Kamera erstellt werden, geht laut dem Tool Exif Data hervor, dass diese am Samstag zwischen 23.36 und 23.40 Uhr aufgenommen wurden. 

Ein Tweet des Journalisten Alexander Dinger zeigt zwei Bilder, die der Fotograf Morris Pudwell am selben Abend am Flughafen gemacht hat
Ein Tweet des Journalisten Alexander Dinger zeigt zwei Bilder, die der Fotograf Morris Pudwell am selben Abend am Flughafen gemacht hat (Quelle: Twitter / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Redigatur: Alice Echtermann, Tania Röttger