Stationen einer Abtreibung

Der Weg zum Schwangerschaftsabbruch

„Plötzlich gehört dir dein Körper nicht mehr“

Triggerwarnung:

Der folgende Text beschäftigt sich mit negativen Erfahrungen bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Schilderungen können belastend sein und negative Reaktionen auslösen.

Jeden Tag brechen durchschnittlich rund 270 Menschen in Deutschland eine Schwangerschaft ab. Über den Weg, den sie bei einem Schwangerschaftsabbruch gehen müssen, wird kaum öffentlich gesprochen.

Nun ändert sich das: 1.505 Betroffene haben CORRECTIV.Lokal von ihrem Abbruch berichtet. In einer Umfrage und persönlichen Gesprächen teilen sie ihre Erlebnisse zu schlechter medizinischer Versorgung, Erniedrigung, bürokratischen Hürden, fehlenden Informationen, langen Wartezeiten und weiten Entfernungen. Ihre Geschichten geben einen bisher nicht dagewesenen Einblick zu den Schwierigkeiten. Und den Missständen, die die Betroffenen bei den einzelnen Schritten erleben.

Die umstrittene Gesetzeslage

Plötzlich gehört dir dein Körper nicht mehr. Man fühlt sich bei allem schuldig. Ich fand es fürchterlich, nach dem Beratungsgespräch auch noch eine Bestätigung abzuholen. Wie ein Schwerverbrecher. Es geht niemanden etwas an. Ich fühlte mich total ausgeliefert und nicht selbstbestimmt. Es ist ein Tabu, darüber zu reden und genauso fühlt man sich auch. Das muss dringend anders werden. Am Ende versteht das nur, wer es erlebt hat. Und das ist Kern des Problems.

— Nordrhein-Westfalen, 2020

Viele Betroffene berichten uns von ähnlichen Erfahrungen. Die bürokratischen Hürden und die Kriminalisierung des Abbruchs belasteten sie stark: Sie fühlten sich wie „Verbrecher“, schreiben mehrere Frauen.

In Deutschland ist es grundsätzlich eine Straftat, eine Schwangerschaft abzubrechen. Dies gilt nicht, wenn das Leben der Schwangeren gefährdet ist. Oder wenn sie die Folge einer Vergewaltigung oder eines Missbrauchs ist. Man spricht in diesen Fällen von einer medizinischen bzw. kriminologischen Indikation des Schwangerschaftsabbruchs.

Man fühlt sich schlecht, stigmatisiert und wie ein Verbrecher. Man traut sich nicht, darüber zu reden. Das Thema wird totgeschwiegen.

— Bayern, 2021

Der Schwangerschaftsabbruch ohne diese beiden Indikationen ist rechtswidrig, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Wenn sich das medizinische Personal und die schwangere Person an bestimmte Regeln halten, werden sie nicht bestraft. 

Diese Bedingungen müssen erfüllt sein: Betroffene müssen sich vor dem Abbruch von einer staatlich anerkannten Stelle beraten lassen. Sie müssen mindestens drei Tage nach der abgeschlossenen Beratung warten, bis der Abbruch durchgeführt wird. Der Abbruch muss innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis stattfinden. Der technische Begriff für diesen Vorgang: Beratungsindikation.

Das Statistische Bundesamt erfasst Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen. Demnach wurden 96.000 von rund 100.000 Abbrüchen im Jahr 2020 nach der Beratungsregel durchgeführt. Und trotzdem bleibt der Eingriff ein Tabu in der Gesellschaft. Betroffene müssen in der Regel alleine aufarbeiten, was sie erlebt haben.

Im Nachhinein finde ich  die Gesetzeslage am belastendsten. Habe nie an meiner Entscheidung gezweifelt, auch wenn sie sehr schwierig war und ich etwas getrauert habe. Dass es allerdings eine Straftat sein soll, diese für mich in dieser Situation einzig richtige Entscheidung zu treffen, kann ich einfach nicht verstehen. Es ist verletzend, es macht mich klein, es macht mich wütend.

— Niedersachsen, 2021

Verbotene Informationen

Es ist ganz furchtbar gewesen, nach dem positiven Test überhaupt an Informationen zu kommen. Es kamen nur christliche Adoptionsseiten und ich habe mich wie eine Mörderin gefühlt.

— Hessen, 2020

In Deutschland ist es nach Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs verboten, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Dabei ist der Begriff „Werbung“ irreführend: Bereits sachliche Information fällt darunter. Ein solcher Verstoß kann mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden.

Rund 240 Befragte berichten gegenüber CORRECTIV.Lokal, wie schwierig sie es fanden, sich zu informieren. Etwa darüber, wo sie einen Abbruch durchführen lassen können oder fundierte Informationen zu den unterschiedlichen Methoden zu erhalten. Viele seien während der Suche auf Internetseiten von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern gestoßen.

Ich bin auf der Suche nach Informationen unter anderem auf den sog. „Babycaust“-Seiten christlicher Fundis gelandet und war damals nicht in der Lage, mich emotional davon zu distanzieren. Die Informationslage halte ich heute für ein riesiges Problem. Es gibt viel zu wenig Infos für Schwangere, die einen in der Entscheidung für einen Abbruch bestärken und gleichzeitig anerkennen, dass das ein emotional schmerzhafter Prozess sein kann.

— Sachsen, 2011

Abtreibungsgegnerinnen und -gegner dürfen irreführende Informationen über Abbrüche im Internet verbreiten. Eine Strafe müssen sie nicht befürchten. Während Ärzte und Ärztinnen, die sachlich informieren, strafrechtlich verfolgt werden. 

Obwohl sich im Jahr 2019 die Gesetzeslage änderte, indem Kliniken, Ärztinnen und Ärzte öffentlich informieren dürfen, ob sie überhaupt Abbrüche durchführen. Informationen über die Methoden oder die Kosten gelten weiterhin als Werbung und bleiben verboten. 

Mehr als 50 Betroffene berichten CORRECTIV.Lokal, wie sie auch noch nach 2019 Probleme hatten, im Internet unabhängige Informationen zu finden.

Man kann sich nicht über Praxen informieren, da diese öffentlich nicht bekannt sein wollen. Als Frau fühlt man sich wie ein Schwerverbrecher. Schrecklich. Und in einer Bettlerrolle.
— Nordrhein-Westfalen, 2020
Das Werbeverbot und die Rechtswidrigkeit des Abbruchs scheint auch ärztliche Gespräche mit Patientinnen zu beeinflussen. Das medizinische Fachpersonal darf im persönlichen Gespräch mit Patientinnen aufklären. Dennoch berichten Betroffene, dass ihre Ärztinnen und Ärzte selbst unsicher gewesen seien.
Es war schwierig, Informationen aus der Frauenärztin herauszubekommen. Sie wollte gar nicht über einen Abbruch sprechen. Sie hat mir zum Schluss nur einen Kontaktzettel und eine Broschüre einer Beratungsstelle in die Hand gedrückt und den Kopf leicht geschüttelt. Das war das Schlimmste. Als ob es nicht schon für die Schwangere die schwierigste Entscheidung überhaupt ist, wird man dann auch noch so behandelt.
— Bayern, 2018

Beratungsgespräch

Kreuzverhör im Beratungsgespräch

Die Mitarbeiter der Beratungsstelle haben oft versucht, auf mich einzureden, damit ich das Kind bekomme, obwohl ich erst 13 war. Die Beratung war sehr schlimm für mich, da ich mir so sicher war, dass ich es nicht wollte. Trotzdem musste ich mich für alles rechtfertigen. Und durch „Erfolgsgeschichten“ und Bilder von glücklichen Müttern wurde versucht, mich dazu zu bewegen, das Kind zu behalten.

— Sachsen, 2016

Wer eine Schwangerschaft nach der Beratungsregel abbricht, muss sich vorher bei einer staatlich anerkannten Stelle beraten lassen. Dort erhalten Betroffene nach dem Gespräch einen „Beratungsschein“. Erst mit diesem Dokument in der Hand ist ein Abbruch straffrei. 

Rund jede fünfte betroffene Person erzählt in unserer Umfrage von Missständen bei der Beratung: Hundert berichten, sie seien im Gespräch gedrängt worden, die Schwangerschaft fortzuführen.

Die Beraterin machte mir Vorwürfe, ich würde mein Leben über das meines ungeborenen Kindes stellen und sagte, wir Frauen seien auf der Welt, um Kinder zu bekommen.
— Nordrhein-Westfalen, 2016
Viele berichten, dass sie die Beratung als übergriffig empfunden haben. Das Fachpersonal beleidigte sie oder machte ihnen Vorwürfe, schreiben ein Dutzend Betroffene. Der Inhalt der Gespräche ist durch einen gesetzlichen Rahmen geregelt. Die Beratung soll „dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen“, heißt es im Schwangerschaftskonfliktgesetz. Von der schwangeren Person wird erwartet, dass sie ihre Gründe für einen möglichen Abbruch mitteilt.
Es war furchtbar. Ich musste mich eine Stunde rechtfertigen, warum ich kein Kind haben möchte. Erst als ich vor Weinen nicht mehr reden konnte, habe ich die Bescheinigung bekommen.
— Thüringen, 2017
Die Beraterin oder der Berater entscheidet, ob der Beratungsschein nach einem Gespräch ausgestellt wird oder weitere Gespräche nötig sind.

Ich musste drei Pflichtgespräche führen, zwei allein mit der Beratung, eins mit meinem Freund zusammen. Es war furchtbar. Ich war zu dieser Zeit schwer drogenabhängig. Der Mann war nicht der Richtige und mir war von Anfang an klar, dass ich dieses Kind nicht wollte. Die Beraterin hat massiv versucht mich zu beeinflussen, dass ich das Kind bekomme. Sie meinte, es würde positive Veränderungen in meinem Leben hervorrufen. Mir war aber völlig klar, dass ich mich in meinem Zustand keinem Kind zumuten konnte und wollte. Ich mich so lange dagegen gewehrt, bis sie nachgab. Mein Freund wollte das Kind. Jeder hatte eine Meinung dazu und wusste es besser. Ich habe mich für einen Abbruch entschieden, und es niemals bereut.

— Nordrhein-Westfalen, 2011

Die umständliche Kostenübernahme

Ich musste persönlich zum Schalter meiner Krankenkasse und dort offenlegen, warum ich eine Übernahme brauche. Ich habe mehrfach nach einem Einzelraum gefragt, da es sich um sehr persönliche Aussagen handelte. Dies wurde nicht berücksichtigt. Ich habe am Schalter neben anderen Kund:innen darum betteln müssen, dass es übernommen wird.
— Nordrhein-Westfalen, 2021

Ein Schwangerschaftsabbruch kann bis zu 600 Euro kosten. Wer eine Schwangerschaft nach der Beratungsregel abbricht, muss den Eingriff selbst bezahlen. Außer das Einkommen ist sehr gering oder die Schwangere bezieht Sozialleistungen. In diesen Fällen übernehmen die Bundesländer die Kosten. 

Jedoch passiert das nur, wenn eine Schwangere einen Antrag bei der Krankenkasse gestellt hat und diesen vor dem Abbruch rechtzeitig genehmigt bekommt. Das baut Druck auf, eine Schwangerschaft kann nur in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis straffrei abgebrochen werden.

Ich fand es scheußlich. Ich musste für den Antrag zur Kostenübernahme extra in den 20 Kilometer entfernten Ort fahren und mit einem Heiopei von der Krankenkasse besprechen, dass ich nicht noch ein Kind will (9 Monate altes Baby auf meinem Schoß inklusive). Komplett entwürdigend, was geht den das an?
— Nordrhein-Westfalen, 2016

Eine Praxis finden

Spießrutenlauf

Es war ein Spießrutenlauf. Immer wenn jemand sagte, dass es keine Termine gäbe, fühlte ich mich ein bisschen kleiner. Ich war wirklich knapp an der Grenze, dass es nicht mehr möglich gewesen wäre. Ich hätte es gerne medikamentös durchgeführt, aber es war zu spät. Es fühlte sich grenzüberschreitend an, dass andere an mir rumstochern und einschneiden sollten.
— Nordrhein-Westfalen, 2017

Verschiedene Auswertungen zeigen, dass die Zahl der Praxen und Kliniken sinken, die Abbrüche durchführen. Betroffene können einen Abbruch oft nicht im örtlichen Krankenhaus oder in ihrer gewohnten gynäkologischen Praxis durchführen lassen. Selbst in größeren Städten kann es schwierig sein, eine Klinik oder Praxis für einen Abbruch zu finden. 

Das Statistische Bundesamt beziffert für das Jahr 2003 noch rund 2.050 solcher Praxen und Kliniken. Mitte 2021 waren es nur noch 1.100.

CORRECTIV.Lokal, die Transparenzinitiative FragDenStaat und verschiedene Lokalmedien haben deutschlandweit alle öffentlichen Krankenhäuser mit gynäkologischer Station gefragt, ob sie Abbrüche durchführen. Das Ergebnis: Nur knapp 60 Prozent gibt an, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Wenn allerdings kein medizinischer oder kriminologischer Grund vorliegt sind es noch weniger: Nur zwei von fünf der angefragten Krankenhäuser führen auch Abbrüche nach der Beratungsindikation durch.

Die schlechte Informationslage erschwert die Suche zusätzlich. Als besonders unangenehm empfanden Schwangere, verschiedene Praxen abzutelefonieren. In jedem Gespräch mussten sie wiederholen, dass sie sich für eine Abtreibung entschieden haben und teilweise mit abwertenden Reaktionen umgehen.

Einen Arzt zu finden, war sehr schwer. Erstens war Urlaubszeit und von den drei Ärzten waren zwei im Urlaub. Der andere, der Zeit hatte, war so unfreundlich am Telefon, dass man gedacht hat, man macht einen Termin im Schlachthof aus. Die anderen Ärzte in der Region haben es in der siebten Schwangerschaftswoche nicht mehr mit Tabletten gemacht. Also musste ich fast 200 Kilometer in ein anderes Bundesland fahren, um einen Arzt zu finden, der den Eingriff macht.

— Bayern, 2021

Fahrt zum Abbruch

Fahrt zum Abbruch – Keine Hilfe vor Ort

Das größte Unbehagen war für mich die Entfernung und das lange Warten. Ich musste damals einmal für ein Vorgespräch nach München fahren und schließlich für den Abbruch. Für das Ganze musste ich natürlich Urlaubstage nehmen, da ich in einer Festanstellung war. Der Termin war morgens, daher musste ich am Vorabend anreisen und in einem Hostel übernachten. Das Ganze war sehr unangenehm, da ich auf mich allein gestellt war. Im Nachhinein hätte ich gerne meine beste Freundin als Unterstützung dabei gehabt, das war aber durch die weite Entfernung nicht möglich.
— Bayern, 2015, mehr als 100 Kilometer Weg

Wenn die Versorgungslage in ihrer Region schlecht ist, müssen Betroffene teilweise lange Wege in Kauf nehmen. 13 Prozent der Teilnehmenden an unserer Umfrage mussten für ihren Schwangerschaftsabbruch mehr als 50 Kilometer zur Praxis oder Klinik fahren. Die Mehrheit gibt an, nicht weiter als zehn Kilometer unterwegs gewesen zu sein.

Ich musste 40 Kilometer entfernt zu einem Arzt, der alles andere als sensibel damit umging. Er meinte kurz vor dem Eingriff: „Sind Sie sich sicher? Es ist doch aus Liebe entstanden, überlegen Sie sich das gut.“ Ich hätte heulen können vor Wut und wollte es einfach nur schnell hinter mich bringen. Danach habe ich Unmengen von Blut verloren. Ich habe den Sitz komplett vollgeblutet.
— Baden-Württemberg, 2012

Besonders in Bayern ist der Weg oft lang. Nur 9 von 83 öffentlichen Krankenhäusern in Bayern bieten Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsindikation an, wie eine Auswertung von CORRECTIV.Lokal, FragDenStaat und Lokalmedien zeigt. Die Folgen: Bei unserer Befragung gibt fast jede Dritte an, in Bayern mehr als 50 Kilometer gefahren zu sein.

Ich musste mit dem Zug fahren, weswegen die sowieso schon lange Fahrt noch länger dauerte. Man ist auch deutlich unflexibler. Besonders nach dem Eingriff war es sehr unangenehm, mit dem Zug zu fahren, durch das viele Blut und die Narkose.

— Bayern, 2020

Nicht nur die Anreise, auch die Fahrt nach Hause kann problematisch sein. Betroffene bluten, haben Schmerzen, leiden unter Kreislaufproblemen und müssen sich übergeben. Einige gaben an, dass sie auf die Unterstützung von Freunden oder der Familie angewiesen waren und den weiten Weg zur Praxis nicht alleine hätten zurücklegen können.

Es war sehr schwierig, im Landkreis Emsland gibt es wohl keine Gynäkologen, die Abbrüche vornehmen. Telefonische Anfragen in den Praxen waren alle erfolglos, unangenehm und zum Teil inklusive Beleidigungen. Nach unzähligen Telefonaten hat mir jemand ins Telefon geflüstert, von Papenburg bis Osnabrück ist es nahezu unmöglich. Ich solle es in Emden (Ostfriesland) probieren. Am Ende ging es auch dort nur im Krankenhaus. Ich hatte Glück und konnte bei einer Verwandten übernachten. Ohne diese Möglichkeit weiß ich nicht, wie es hätte gehen sollen bei einer längeren Anfahrt.

— Niedersachsen, 2009

Der Abbruch

Der Abbruch – Fließbandabfertigung und feindselige Behandlung

Der Arzt ist als „Metzger“ bekannt. Der Abbruch war schmerzhaft, laut und der Dämmerschlaf fast ohne Wirkung. Der Arzt hat beim Vorgespräch Witze über tote Babys gemacht und dass eine Patientin Bestatterin sei, falls ich nicht überlebe. Ich musste aber zu dieser Praxis, weil alle anderen im Umkreis keine Termine mehr hatten für sechs Wochen.

— Baden-Württemberg, 2019

Es gibt zwei Möglichkeiten eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden: mit Medikamenten allein oder durch eine Operation. Ein medikamentöser Abbruch darf in Deutschland nur bis zur neunten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Er dauert mehrere Tage, während ein operativer Eingriff ungefähr eine Viertelstunde dauert. Der operative Eingriff wird häufig unter Vollnarkose durchgeführt.

Nicht alle Praxen und Kliniken bieten unterschiedliche Methoden an. Ungewollt Schwangere haben dadurch nicht immer die Wahl, wie sie den Abbruch durchführen.

Grundsätzlich ist ein Schwangerschaftsabbruch bei guter medizinischer Versorgung, umfassender Aufklärung und geschultem Personal ein unproblematischer Eingriff. Dennoch berichten mehr als 350 Befragte berichten von einer schlechten medizinischen Versorgung. 

Meine Haus-Gynäkologin führt keine Abbrüche durch. Deshalb musste ich zu einem anderen Arzt in die nächste größere Stadt. Es war eine Fließbandabfertigung. Der durchführende Arzt hat mich gezwungen, das Ultraschallbild anzuschauen. Er war sehr grob zu mir und ich habe sehr viel Blut verloren. Trotz starker Schmerzen habe ich erst nach mehrmaligen Bitten Schmerzmittel bekommen. Eine Woche nach dem Abbruch hatte ich eine Nachuntersuchung bei meiner Haus-Gynäkologin. Ich hatte wohl sehr schlimme Schnitte im Unterleib. Als meine Gynäkologin das gesehen hat, hat sie angefangen zu weinen und sich entschuldigt, dass sie mich zu dem Arzt geschickt hat.
— Baden-Württemberg, 2019

Mehr als 30 Befragte erzählten von Massenabfertigung und dem Gefühl, wie eine Ware behandelt zu werden. Dutzende berichten von fehlender Privatsphäre während des Abbruchs, beispielsweise dem Aufwachen mit zehn Anderen in einem Raum.

Von Anfang an feindselige Behandlung in der Praxis einschließlich Bruch der Schweigepflicht. Wohlgemerkt hatte die Verhütung versagt, das wussten sie dort auch, trotzdem wurde ich behandelt, als sei ich „zu doof zum Verhüten“ und ein Straftäter. Abbruch selber: untenrum freimachen, auf dem Stuhl festgeschnallt 20 Minuten warten lassen. Arzt legt Zugang und spritzt Narkose kommentarlos. Nach dem Eingriff schlimme Schmerzen, mehrfach erbrochen, keine Unterstützung. Im Hinterhof hätte es nicht schlimmer sein können.
— Baden-Württemberg, 2017

Es gibt weitere Betroffene, die übergriffiges Verhalten durch Fachpersonal erlebten. Etwa jede Vierte schildert, dass medizinisches Personal sich unprofessionell Verhalten habe. Rund 50 Betroffene seien gedemütigt und beleidigt worden.

Die Anästhesistin ist sehr rabiat mit mir umgegangen, dadurch hatte ich Angst im OP-Saal. Ich lag mit gespreizten Beinen zur Tür und auf meine Bitte hin, die Tür zu schließen, warf sie mir aus der Ferne ein Handtuch zwischen die Beine, damit ich mich bedecken kann.
— Niedersachsen, 2014
Ich war absolut panisch, der einzige Kommentar meiner Gynäkologin dazu war: ,Rein ging doch auch einfach, stellen Sie sich nicht so an.’
— Nordrhein-Westfalen, 2020

Rund 30 Betroffenen wurde bei körperlichen Beschwerden nach dem Abbruch nicht geholfen ​​ sie wurden „angeschnauzt“ und so schnell wie möglich entlassen. Einige Betroffene erzählen, dass ihnen Schmerzmittel verweigert worden seien.

Die örtliche Betäubung zeigte keine Wirkung. Bis ich vor Schmerzen ohnmächtig wurde, wurde das nicht bemerkt oder ignoriert. Ich war erst 21 und habe mich geschämt, etwas zu sagen, nachdem der Arzt mich noch getadelt hatte, dass die Schwangerschaft bereits so fortgeschritten war. Während meiner Ohnmacht wurde der Abbruch zu Ende gebracht. Danach bekam ich noch ein leichtes Schmerzmittel und wurde direkt entlassen, obwohl meine Begleitung noch nicht da war. Ich hab mich allein auf den Weg gemacht und bin am Bahnhof vor Schmerzen und Stress zusammengebrochen. Ich brauchte mehrere Stunden, um meinen Heimweg fortsetzen zu können.

— Baden-Württemberg, 2009

Ich wurde namentlich bis kurz vor der Narkose mehrmals verwechselt, bin in einer Blutlache wieder aufgewacht und nach 20 Minuten wach sein, sollte ich gehen. Die Toilette war auf einem anderen Gang, ich habe mir das Blut mit der Bettdecke abgewischt.
— Bayern, 2014

Nachversorgung

Nachversorgung – Alleingelassen

Es gab keine Nachversorgung. Meinen Gynäkologen musste ich nach der Entscheidung für den Abbruch verlassen, er wollte mich dann nicht mehr behandeln. Einen Neuen zu suchen hab ich mich Jahre nicht getraut. Die Organisation, das Durchlaufen der einzelnen Schritte – von der Feststellung der Schwangerschaft bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus – und dabei all diese Demütigung, Beleidigung – das alles hat mich ziemlich fertig gemacht.
— Niedersachsen, 2009
Zwei Wochen nach dem Abbruch sollte nach einer allgemeinen medizinischen Empfehlung in einem Nachsorgetermin kontrolliert werden, ob der Eingriff erfolgreich war und keine Komplikationen auftreten. In der CORRECTIV-Umfrage über den CrowdNewsroom berichten 15 Prozent der Betroffenen, dass sie keine oder eine schlechte Nachsorge erhalten hätten. Komplikationen wurden dadurch häufig erst spät erkannt.

In dem Krankenhaus, in dem ich meinen Abbruch hatte, habe ich keinen Termin für eine Nachuntersuchung bekommen. Ich habe mich dann wochenlang durch Praxen telefoniert – ohne Erfolg. Ich hatte mehrere Wochen schlimme Schmerzen. Erst durch die Hilfe meiner Krankenkasse habe ich einen Termin in einer anderen Stadt bekommen. Der Gynäkologe dort sagte, dass er mir viel Leid hätte ersparen können, wenn ich früher eine Nachuntersuchung gehabt hätte. Mein ganzer Uterus war entzündet.

— Mecklenburg-Vorpommern, 2019

Dramatische Folgen

Verlorenes Vertrauen – Die Folgen

Mein damaliger Gynäkologe hat mir schlimme Vorwürfe gemacht und gesagt, dass Abtreibungen Mord seien. Am Ende bin ich für meinen Abbruch in die Niederlande gefahren. Ich habe mich nach dem Schwangerschaftsabbruch jahrelang nicht zu einem Frauenarzt getraut. Auch als ich in ein anderes Bundesland gezogen bin. Obwohl ich wusste, dass ich meine Gesundheit riskiere, weil ich nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehe. Ich habe mich immer wieder überwunden und Termine beim Frauenarzt gemacht, aber dann doch kurz vorher abgesagt, weil ich so Angst hatte.
— Baden-Württemberg, 2015

Einige Betroffene berichten uns davon, wie sie die Behandlung während des Abbruchs traumatisiert habe. Und dass sie Gynäkologinnen und Gynäkologen kaum oder gar nicht mehr vertrauen würden. Sie gehen bei Beschwerden nicht mehr in die Praxis und nehmen keine Vorsorgetermine mehr wahr. Weil die Angst zu groß ist, noch einmal so abwertend behandelt zu werden.

Meinen Abbruch habe ich nie bereut. Aber die Erfahrungen in der Praxis, in der der Abbruch durchgeführt wurde, haben mich traumatisiert. Ich konnte danach mein eigenes Blut nicht mehr sehen. Liegende Positionen bei ärztlichen Untersuchungen haben mir Angst gemacht. Die gynäkologische Praxis ist für mich zu einem richtigen Angstraum geworden. Deshalb habe ich eine Therapie gemacht.
— Baden-Württemberg, 2019
Insgesamt haben 1.505 Menschen CORRECTIV.Lokal von ihrem Abbruch berichtet. Ihre Geschichten geben einen bisher nicht dagewesenen Einblick. Auf unserer Themenseite fassen wir alle Recherchen zusammen. Auch von zahlreichen Lokalmedien aus ganz Deutschland, mit denen wir gemeinsam recherchiert haben und die zeitgleich berichten. Teilen Sie diese Geschichten mit einem Klick auf den folgenden Link, wenn Sie helfen wollen, die Recherchen bekannt zu machen.
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Autorinnen und Autoren: Max Donheiser, Emilia Garbsch, Miriam Lenz, Pia Siber, Sophia Stahl
Redaktionelle Mitarbeit
: Hatice Kahraman, Jonathan Sachse
Faktencheck: Katarina Huth
Illustration: Mohamed Anwar
Design: Belén Ríos Falcón
Animation: Mustafa Nada