Die unbequeme 10.000-Euro-Spende an die SPD
Die SPD in Limburg-Weilburg erhielt nach Recherchen von CORRECTIV.Lokal eine bisher öffentlich unbekannte 10.000-Euro-Spende von einem regionalen Bauunternehmer. Dieser vermarktet seit Jahren die Grundstücke einer SPD-geführten Gemeinde in der Region. Als der Bürgermeister von der heiklen Parteispende erfährt, fordert er ein generelles Verbot von Firmenspenden.
Die hessische Gemeinde Löhnberg bewirbt die Vorteile für Familien in einem neuen Wohngebiet: Reihen- und Doppelhausbebauung sind möglich, verkehrsgünstig an der Bundesstraße und keine Gebühren für den städtischen Kindergarten. In einem benachbarten Wohngebiet sind bereits alle 46 Grundstücke verkauft. Das klingt nach erfolgreichem Marketing in der SPD-geführten Gemeinde. Sie liegt etwa 50 Kilometer nordwestlich von Frankfurt zwischen Limburg und Gießen. Knapp 5.000 Menschen leben in dem kleinen Ort, aus dem das bekannte Selters-Mineralwasser kommt.
Die Grundstücke des neuen Wohngebietes vermarktet das Unternehmen Löhnberger Grundbesitz GmbH. Nach Recherche von CORRECTIV.Lokal erhielt die örtliche SPD eine vergleichsweise hohe Spende von eben der Unternehmensgruppe, die das Bauland vermarktet. Die Spende ging 2018 auf das Konto des örtlichen Kreisverbandes ein. Nun sorgt die Parteispende, die nicht öffentlich bekannt gemacht werden muss, für Diskussionen unter politischen Amtsträgern.
Der SPD-Spender entwickelt das Bauland für die SPD-Gemeinde
Die Löhnberger Grundbesitz GmbH entwickelt und vertreibt bereits seit mehreren Jahren das Bauland der Gemeinde Löhnberg. Dafür erhält die Firma von der Gemeinde einen jährlichen Fixkostenbetrag in Höhe von 48.000 Euro und verdient eine Provision an jedem verkauften Quadratmeter. Pro verkauftem Quadratmeter gab es 3,30 Euro obendrauf. In den vergangenen Jahren traf sich der Gemeinderat immer wieder, um zu entscheiden, ob das Bauland weiterhin von der Unternehmensgruppe vermarktet werden soll. So auch im Jahr 2018.
Nach Angaben im Handelsregister befindet sich die Löhnberger Grundbesitz GmbH im Besitz des Ingenieurbüros Kolmer & Fischer. Diese Firma spendete im Jahr 2018 exakt 10.000 Euro an den SPD-Kreisverband Limburg-Weilburg, dem auch die SPD-geführte Gemeinde Löhnberg angehört.
Im selben Jahr hatte die Gemeinde Löhnberg wieder die Vermarktung verlängert. Das ganze Konstrukt wirft die Frage auf, aus welchem Grund der regionale Bauunternehmer an den SPD-Kreisverband vor Ort spendete.
„Ich kann Ihnen versichern, dass es keinen Zusammenhang zwischen dieser Spende und der Auftragsvergabe einer Gemeinde im Landkreis gab und gibt“, schreibt Renate Kreis, Geschäftsführerin des SPD-Kreisverbandes Limburg-Weilburg. Die Parteispende sei „im Rahmen eines Wahlkampfs“ geflossen und einmalig gewesen. Zudem hätten sie die Spende offengelegt, obwohl sie gesetzlich nicht verpflichtet waren. „Der Unterbezirksvorstand verfügt über keinerlei Informationen darüber, welche Firmen von Gemeinden Aufträge erhalten“. Umgekehrt sei dem Löhnberger Bürgermeister die Spende nicht bekannt gewesen. Die Entscheidung über die Annahme von Spenden treffe der geschäftsführende Unterbezirksvorstand, dem der Bürgermeister nicht angehört.
Bürgermeister spricht sich für Verbot von Firmenspenden aus
Bürgermeister von Löhnberg ist seit 2009 der SPD-Politiker Frank Schmidt. In den 2000er Jahren war er für einige Jahre Bundestagsabgeordneter. Er führt den SPD-Ortsverein Löhnberg und sitzt als kooptiertes Mitglied im Vorstand des Kreisverbands Limburg-Weilburg, der die Parteispende erhielt. CORRECTIV.Lokal hat Schmidt vor der Veröffentlichung mit mehreren Fragen zu der Parteispende konfrontiert. Schmidt antwortete ausführlich per E-Mail und Telefon.
Er gibt an, erst durch die Presseanfrage von der Firmenspende erfahren zu haben. „Ich bin grundsätzlich gegen eine solche Praxis. Und wenn ich das vorher erfahren hätte, wäre das sicherlich nicht positiv für Kolmer und Fischer gewesen“, schreibt Schmidt. Geld dürfe niemals darüber entscheiden, was gemacht werde und wer was bekomme.
Schmidt versucht, zu erklären, warum Kolmer & Fischer die Grundstücksvermarktung zugesprochen bekam. „Als ich vor 12 Jahren Bürgermeister wurde, tickte bei der Grundstücksvermarktung eine finanzielle Zeitbombe, die sicherlich die Gemeinde in den Ruin getrieben hätte“, schreibt Schmidt. Dutzende fertige Grundstücke seien nicht verkauft worden. Im Jahr 2010 bekam Kolmer & Fischer von der Gemeinde den Auftrag, die Vermarktung zu verbessern. Über die Jahre gab es verschiedene Beschlüsse der Gemeindevertretung, die den Vermarktungsauftrag verlängerte und neue Konditionen beschloss.
Im Gespräch wird Schmidt später noch deutlicher: „Ich finde, Firmenspenden sollten grundsätzlich verboten werden. Das muss aber bundeseinheitlich geregelt werden.“
Schmidt ist nicht der einzige in der Politik, der sich für ein Verbot von Firmenspenden ausspricht. Die Linke nimmt generell nur Spenden von Privatpersonen an. In einer Befragung von CORRECTIV sprachen sich auch Bundestagsabgeordnete aus anderen Parteien für eine solche Regelung aus. CDU und CSU profitierten in der Vergangenheit besonders von Firmenspenden, aber auch die SPD bekam Millionen Euro.
Warum die Parteispende bisher geheim blieb
In Deutschland ist die Finanzierung von Parteien und Abgeordneten unterhalb bestimmter Grenzen intransparent. Parteispenden müssen erst ab einer Summe von mehr als 10.000 Euro bekannt gemacht werden und das mit einer teils jahrelangen Verzögerung. Die Spende an die Limburger SPD lag genau einen Cent unterhalb dieser Grenze.
Experten fordern schon lange niedrigere Veröffentlichungsschwellen. Auch gibt es bisher keine Zuordnungen, in welchen regionalen Verbänden Spenden eingehen. Damit ist es kaum möglich nachzuvollziehen, ob es eine Nähe zwischen einem Unternehmen, das spendet, und kommunalen Entscheidungsträgern gibt.
CORRECTIV.Lokal hat daher mit Medienpartnern in ganz Deutschland Spenden in der Kommunalpolitik abgefragt. Mehr als 850 Kreisverbände der Parteien haben Auskunft gegeben. Auf dieser Seite sind sämtliche Parteispenden durchsuchbar. Der SPD-Kreisverband Limburg-Weilburg teilte die Spendensummen der vergangenen fünf Jahre mit. Und gab Auskunft, ob Personen oder Konzerne die Partei mindestens im fünfstelligen Bereich unterstützten. Einzig Kolmer & Fischer spendete in dieser Höhe. Es war die höchste Einzelspende an den Kreisverband Limburg-Weilburg in den vergangenen Jahren. Sie sorgte dafür, dass die gesamten Spendeneinnahmen des Kreisverbands Limburg-Weilburg 2018 mit 26.226 Euro etwa fünfmal so hoch waren wie in den Jahren zuvor.
Die CDU erhielt in Limburg-Weilburg die höchsten Parteispenden
Anders als die SPD verweigerte die AfD jegliche Auskunft über ihr Spendenaufkommen. Die FDP teilte nur mit, dass sie keine Parteispende von mehr als 10.000 Euro erhalten habe. Die Grünen und die Linken erhielten nach eigenen Angaben in Limburg-Weilburg in den vergangenen Jahren nie mehr als einige tausend Euro.
Auch die CDU machte Angaben: Parteispenden an den Kreisverband schwankten in den vergangenen Jahren stark, von 6.700 Euro 2020 bis 72.600 Euro zwei Jahre zuvor. 2018 fanden in Hessen Landrats- und Landtagswahlen statt. Die CDU verweigerte genauere Angaben zu den konkreten Spendern in diesem Jahr, teilte nur mit, dass 16.100 Euro von Unternehmen gespendet wurden und 56.500 Euro durch Privatpersonen.
Vater und Sohn pflegen regionales Netzwerk als Bauunternehmer
Und der generöse Spender an die Limburger SPD? Warum spendete die Firma 2018 die 10.000 Euro knapp unter der Veröffentlichungsgrenze und gab es weitere Spenden an andere Parteien? Die Firma und ihre Geschäftsleitung ließen diese und weitere Fragen von CORRECTIV.Lokal unbeantwortet.
Der Firmengründer Jörg Fischer baute das Ingenieurbüro Kolmer & Fischer auf. Das Unternehmen kümmerte sich neben Immobilien im Auftrag der Kommunen in der Region auch um Straßenbau und Kanalarbeiten. Sein Sohn Dominik Fischer konzentriert sich mit der Fischer & Schmandt Unternehmensgruppe auf Immobilien. Die Gießener Allgemeine Zeitung nannte es eines der bedeutendsten Bauunternehmen der Region.
Gegenüber derselben Zeitung wies Jörg Fischer 2019 eine zu große Nähe zur Lokalpolitik zurück. „Weil wir wissen, dass das zu Problemen führen kann. Wir sind Dienstleister für die Kommunen.“
In Linden, rund eine halbe Stunde mit dem Auto von Löhnberg entfernt, regte sich allerdings Unmut über Jörg Fischer. Ein Abgeordneter der FDP erstattete Anzeige gegen den dortigen CDU-Bürgermeister, weil die Stadt immer wieder Aufträge an die Unternehmensgruppe erteilt habe und dabei gegen Vergaberichtlinien verstoßen habe. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte daraufhin 2019 unter anderem das Rathaus.
Jörg und Dominik Fischer leiteten als Geschäftsführer und Vorsitzender bis vergangenes Jahr auch den Fußballverein FC Gießen. Wie es aussieht, pflegte die Familie ihr regionales Netzwerk nicht nur mithilfe ihrer Tätigkeit bei dem Regionalligisten, sondern mitunter auch mit einer politischen Spende.
Mitarbeit: Heike Lachnit, Mitglied im Netzwerk von CORRECTIV.Lokal. Sie berichtet auf hl-journal.de als Lokalreporterin aus dem Landkreis Limburg-Weilburg.
Wer unterstützt Wahlkämpfe? Welche Rolle spielen Parteispenden? Werden Geldflüsse transparenter? Unser Newsletter liefert Antworten.