Hintergrund

Der Geschichtenerzähler: Beim „Gatestone Institute“ entstehen Falschmeldungen, die bis nach Deutschland wandern

Der US-amerikanische Think-Tank „Gatestone Institute“ verfolgt eine islamfeindliche Agenda und schafft eine Basis für europaweite Desinformation. Sie wird auch von deutschen Webseiten verbreitet.

von Till Eckert , Cristina Helberg , Tania Röttger

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Beim Think-Tank „Gatestone Institute” in New York City entstehen einige der islamfeindlichen Geschichten, die auch deutsche Webseiten weitertragen. (Screenshot: Google Street View / Bildbearbeitung: CORRECTIV / Ivo Mayr)

Dieser Text ist Teil einer Reihe darüber, wie islamfeindliche Organisationen aus den USA Diskurse in Deutschland beeinflussen.  Hier sind weitere Texte zum Thema:

Das „Gatestone Institute“ schreibt über sich selbst, es sei ein „internationaler, parteiunabhängiger und gemeinnütziger Expertenrat und Think-Tank“, der die Öffentlichkeit über Angelegenheiten unterrichten wolle, „über die die Mainstream-Medien nicht berichten.“ Inhaltlich lässt sich dieser Vorsatz in der Praxis meist mit einem Satz zusammenfassen: Es wird Angst vor dem Islam geschürt.

2016 schrieb die Frankfurter Rundschau: „Inhaltlich positioniert sich das Institut klar: Für bedingungslose Solidarität mit Israel, gegen Kompromisse mit dem Iran. Und gegen eine ‘Islamisierung’ des Westens. Die Hauptbedrohung für die persönlichen Freiheiten, soviel wird aus den Veröffentlichungen deutlich, ist aus Gatestone-Sicht der politische Islam.“

Die Webseite veröffentlicht Artikel in 16 Sprachen. Immer wieder sind darunter auch Falschmeldungen. Viele rechte Seiten in Europa zitieren Gatestone-Veröffentlichungen als vermeintlich seriöse Quelle oder übernehmen Originaltexte und Übersetzungen eins zu eins auf ihren Webseiten. Das Institut liefert so die Basis für europaweite Desinformation.

Im deutschsprachigen Raum berufen sich einige der einflussreichsten rechten Webseiten wie Journalistenwatch, Philosophia Perennis, Politically Incorrect, Epoch Times und Unzensuriert regelmäßig auf Gatestone Artikel. 2017 verbreitete das Gatestone Institut beispielsweise die Falschmeldung, die Stadt Hamburg habe damit begonnen, Wohnungen für Flüchtlinge zu beschlagnahmen. Journalistenwatch übernahm die Meldung. Wir haben damals einen Faktencheck dazu veröffentlicht.

Verbindungen zu niederländischen Rechtspopulisten und deutschen Bloggern

Auch in anderen europäischen Ländern dient das Gatestone Institut in irreführenden oder falschen Meldungen als vermeintliche Quelle. 2016 berichtete die Frankfurter Rundschau: „Inhaltlich befindet sich das Institut damit voll auf einer Linie mit Europas Rechtspopulisten, zu denen es offenkundig gute Kontakte unterhält. 2012 trat auf Einladung des Instituts der Vorsitzende der islamophoben niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders, in New York auf. Dort behauptete er unter anderem, dass der Islam ‘in erster Linie eine gefährliche Ideologie’ sei, die ‘das Gesetz der Scharia der ganzen Welt auferlegen’ wolle.“

Unsere Faktencheck-Kollegen von Nieuwscheckers aus den Niederlanden bestätigen, dass das Gatestone Institute auch dort eine Rolle spielt. Einer Recherche der niederländischen Zeitung de Volkskrant von 2017 zufolge, arbeitete ein Mitarbeiter von Geert Wilders auch für das Gatestone Institute: Paul Beliën. Tatsächlich finden sich auf der Website des Institutes zahlreiche Artikel von Beliën. Auch zu Deutschland gebe es Verbindungen, so de Volkskrant. Beliën habe gute Kontakte zu „Stefan Herre vom beliebten Weblog Politically Incorrect, mit dem er 2009 einen Anti-Islam-Kongress in Köln besuchte“.

„Gatestone Institute“ und „Middle East Forum“: Eine gemeinsame Agenda

Beliën sei eine „Schlüsselfigur in einem globalen Netzwerk von rechtsradikalen Think-Tanks, Weblogs und Politikern“ und „Chefredakteur des Internetforums Islamist Watch von Daniel Pipes – allesamt Anhänger der Theorie, dass Europa früher oder später von der arabischen Welt verschlungen wird“, schrieb de Volkskrant 2017. Pipes ist Gründer des „Middle East Forums“, eines US-amerikanischen Think-Thanks, der auch Projekte von Gatestone finanziert. Wie Pipes die aktuelle und zukünftige Situation in Europa einschätzt, erzählt er in einem Video, das das „Gatestone Institut“ im Juli 2016 auf Youtube veröffentlichte. Das Video hat 10.000 Klicks und ist Teil einer Serie, die vom Middle East Forum finanziert wurde.

Ein Fall in Großbritannien verdeutlicht, wie das Gatestone Institut und das Middle East Forum auf unterschiedliche Art dieselbe Agenda verfolgen. Stephen Christopher Yaxley-Lennon, ein prominenter antimuslimischer Aktivist, bekannt unter dem Alias „Tommy Robinson“, war dort verurteilt worden, weil er ein Gerichtsverfahren gegen Muslime illegalerweise gefilmt und auf Facebook live gestreamt hatte. Das Gatestone Institut verteidigte ihn in einem Artikel mit dem Titel „Schnelle Ungerechtigkeit“, während das MEF nach Angaben des Guardian bestätigt habe, etwa 60.000 US-Dollar für Robinsons Anwaltskosten und Demonstrationen ausgegeben hat, die Anfang des Jahres in London stattfanden.

Gatestone-Artikel finden Verbreitung in Belgien, Frankreich und Kroatien – und Deutschland

Auch in Belgien gibt es mit Alain Destexhe einen Politiker, der für Gatestone Texte verfasste, während er Teil der regierenden Partei Mouvement Réformateur war. Außerdem beobachten unseren Faktencheck-Kollegen von LeadStories, dass verschiedene rechtspopulistische Seiten wie Doorbraak and Sceptr Gatestone als Quelle nutzen.

Unsere französischen Kollegen von 20minutes haben im März 2018 einen Faktencheck zu einem aus dem Kontext gerissenen Erdogan-Zitat veröffentlicht. Der Bericht französischer Blogs beruhte auf einem übersetzten Blogeintrags des Gatestone Institutes.

In Kroatien werden Gatestone-Inhalte unseren Faktencheck-Kollegen von Faktograf.hr zufolge seit Jahren von der kroatischen Rechten und katholischen Portalen genutzt. Zum Beispiel griff eine rechtspopulistische Seite 2017 einen Artikel des Gatestone Institute auf, demzufolge in London 500 Kirchen geschlossen hätten, während 423 neue Moscheen eröffnet worden seien. Auch eine der führenden Tageszeitungen Kroatiens, Večernji list, berichtete. In Deutschland übernahmen Epoch Times und Unzensuriert die Meldung. Die US-Faktenchecker von Snopes bewerteten die Geschichte 2018 als irreführend, weil die Datengrundlage unsauber recherchiert sei.

Trump, Gatestone, Breitbart und Cambridge Analytica

Um zu verstehen, welche Agenda das Gatestone Institute verfolgt und welchen Einfluss es genießt, sind drei zentrale Personen wichtig: Nina Rosenwald, John Bolton und Rebekah Mercer.

Nina Rosenwald gründete das Gatestone Institut, das vorübergehend auch unter den Namen Hudson New York und Stonegate Institute firmierte, im Jahr 2008. Die Erbin einer Kaufhauskette finanziere Gatestone „größtenteils“, berichtete The Intercept  im März 2018. Während ihre Familie sich während des Zweiten Weltkrieges für jüdische Flüchtlinge eingesetzt habe, finanziere sie „eine Reihe von Maßnahmen zur Verunglimpfung von Muslimen“.

Nina Rosenwald steht hinter der Familien Stiftung „The Abstraction Fund“. Über diese Stiftung finanzierte Rosenwald das Gatestone Institut von 2014 bis 2016 mit mindestens 2.015.000 Dollar. (2014 mit 1.015.000 Dollar, 2015 mit 550.000 Dollar und 2016 mit 450.000 Dollar). Auch das Middle East Forum bekam von „The Abstraction Fund“ zwischen 2014 und 2016 mindestens 792.000 Dollar (2014 331.000 Dollar und 2015  260.000 Dollar 2016 mit 201.000 Dollar). Das geht aus öffentlichen Steuerdokumenten hervor.

Die niederländische Zeitung de Volkskrant berichtete 2017 außerdem, Nina Rosenwald habe zwei US-Lesereisen für den Rechtspopulisten Wilders finanziert.  

Vom Vorsitz des Gatestone Institute zum Sicherheitsberater Trumps

John R. Bolton, der heute Donald Trumps Sicherheitsberater ist, war ab 2013 bis zu seiner Ernennung 2018 Vorsitzender des Gatestone Institute. Seine Lobbygruppe „John Bolton Super PAC“ war laut Recherchen der New York Times einer der ersten Kunden von Cambridge Analytica, das es speziell beauftragt habe, psychologische Profile von Wählern mit Daten aus zig Millionen von Facebook-Profilen zu entwickeln.

Wer heute die Webseite des Gatestone Institute besucht, findet dort keine Informationen zu den Vorstandsmitgliedern. Lediglich die Präsidentin Nina Rosenwald und die Vizepräsidentin Naomi H. Perlman werden namentlich angegeben. Der Blog „LobeLog“ berichtet, dass das Institut die Liste der Vorstandsmitglieder offline nahm, nachdem die Redaktion eine Anfrage zu der dort gelisteten Rebekah Mercer stellte. Eine am 9. April 2017 archivierte Version der Seite zeigt ihren Namen noch.

Rebekah Mercer ist eine Tochter von Robert Mercer. Der Milliardär ist in rechtspopulistischen Kreisen gut bekannt. Er finanzierte Steve Bannons Medium Breitbart. Über die „Mercer Family Foundation“ unterstützte die Familie das Gatestone Institute zwischen 2014 und 2017 mit mindestens 450.000 Dollar. (2014 mit 50.000 Dollar, 2015 mit 100.000 Dollar, 2016 mit 100.00 Dollar  2017 mit 200.000 Dollar)

Das mit diesem Geld ausgestattete Gatestone Institute veröffentlicht Geschichten, die Angst vor dem Islam schüren. Lokale Verbreiter wie Journalistenwatch bringen diese Angst erfolgreich nach Deutschland.

Lesen Sie hier weiter über den Geldgeber: das Middle East Forum.