Der Gönner war ein Heuchler – was passiert jetzt?
Das Hospiz in Bottrop hat viel Geld von Peter S. angenommen, jahrelang. Er galt als Gönner. Mitte August – neun Monate nach Bekanntwerden des Krebsskandals – war er immer noch der 1. Vorsitzende des Fördervereins. Das Hospiz scheint nun zu versuchen, die Vergangenheit mit Peter S. vergessen zu machen.
Peter S. sitzt auf einem Hochsitz vor der „Alten Apotheke“. Jedes Mal, wenn ein Läufer an ihm vorbeikommt, wirft Peter S. einen Euro in die Kasse. Immer wieder, für jeden Teilnehmer des Spendenlaufs. Die Spenden gehen an das Hospiz in Bottrop. Das Hospiz ist auf Spenden angewiesen, die jährliche Veranstaltung „Bottrop, beweg dich“ ist die wichtigste Einnahmequelle. An diesem Tag im Jahr 2014 kommen 93.000 Euro zusammen – ein großer Teil davon kommt von Peter S., dem damaligen Besitzer der „Alten Apotheke“.
Später wird er zur Presse sagen, dass ihn das Engagement für den Spendenlauf „ungemein freue“ – dass die Bottroper Bürger ihre „Kraft, Spontaneität, Ausdauer und ihr Herz dieser Sache widmen.“ Das unterstütze er. Der Hospiz Bottrop Förderverein e.V. wurde 1999 gegründet. Peter S. spielte dort in den vergangenen Jahren eine der führenden Rollen, die Einrichtung für Sterbende finanziell zu unterstützen.
Niemand hat etwas vermutet
S. hat sich den Spendenlauf ausgedacht und dem Hospiz auch darüber hinaus immer wieder Geld gegeben, zum Beispiel eine Einzelspende von 10.000 Euro. Im Januar 2014 wird S. am Amtsgericht Gelsenkirchen als 1. Vorsitzender des Fördervereins eingetragen. Gleichzeitig panschte er im Keller seiner Bottroper Apotheke Krebsmedikamente. Er könnte also dafür gesorgt haben, dass Menschen ins Hospiz kamen, weil ihre Medikamente wirkungslos waren. Sie hatten keine Chance auf Heilung. 2014 hat das noch niemand vermutet. Deshalb befindet sich das Hospiz jetzt in einem Zwiespalt: Einerseits die Dankbarkeit der letzten Jahre. Andererseits die schmutzigen Spenden.
CORRECTIV.Ruhr berichtet zum Fall der „Alten Apotheke“
Es scheint, als wäre die Einrichtung in eine Schockstarre verfallen. Am 16. August dieses Jahres stand im Vereinsregister immer noch Peter S. als Vorsitzender des Fördervereins, auch auf der Internetseite des Hospiz ist sein Name noch immer zu lesen. Erst nach einer Anfrage von CORRECTIV entfernte das Hospiz seinen Namen von ihrem öffentlichen Auftritt. Antje von Gathen hat nun diese Position im Impressum der Internetseite übernommen. Gegenüber der Presse und auch CORRECTIV wollte sich die Hospizleitung dazu noch nicht äußern. Am 28. August ist Peter S. weiterhin als 1. Vorsitzender im Vereinsregister des Fördervereins aufgeführt.
Abhängigkeit von Spenden
In ein Hospiz kommen Menschen, die unheilbar krank sind. Im Hospiz in Bottrop können acht Menschen gleichzeitig betreut werden, der Platz ist für sie kostenlos. Deshalb braucht das Hospiz mittlerweile jedes Jahr 160.000 Euro, um die Kosten zu decken, die größtenteils über Spenden finanziert werden – wie es aus dem Umfeld der Hospizleitung heißt. Dass beim Spendenlauf alleine 93.000 Euro zusammenkamen zeigt, wie wichtig dieser Tag für das Hospiz war. 2015 waren es sogar 100.000 Euro, das beste Ergebnis jemals in der achtjährigen Geschichte.
Es ist ein ruhiger, idyllischer Ort, an dem die Hospizbewohner ihre letzte Zeit verbringen. Die Menschen sollen sich dort wohlfühlen, darum sieht das Gebäude aus wie ein normales Wohnhaus. Umgeben von einer Mauer, Bäumen und Sträuchern, die den Blick von außen verhindern. Die Bewohner haben ihre Ruhe. Der Skandal um die gepanschten Medikamente aus der „Alten Apotheke“ muss das Hospiz erschüttert und die Leitung aus der Ruhe gebracht haben. Schließlich nahm man jahrelang die nötigen Spenden an, ohne sie zu hinterfragen.
Warum auch? Apothekern vertraut man. So wird es auch die Hospizleitung getan haben. Peter S. stellte sich selbst als Wohltäter dar, dem es um die Menschen ging. Heute weiß man, dass die Spenden eher Selbstdarstellung waren. Auf seinem Hochsitz vor der Apotheke hat S. sich als Gönner gezeigt – das nahm ihm nicht nur die Hospizleitung ab, sondern die ganze Stadt.
Veränderungen
Das Hospiz musste nach Bekanntwerden des Krebsskandals reagieren und sich von Peter S. entfernen. Die Hospizleitung hat dafür den Spendenlauf komplett verändert. Er findet nicht mehr unter dem Motto „Bottrop beweg dich“ statt, sondern heißt jetzt „Jeder Meter zählt für das Hospiz Bottrop“. Die Strecke führt jetzt durchs Rathaus-Viertel und nicht mehr entlang der „Alten Apotheke“. Auf dem Flyer ist nicht mehr die Anzeige der Alten Apotheke, stattdessen die Kontaktdaten des Hospizes. Statt dunkelblau ist die Werbung für den Lauf jetzt hellgrün. Es ist ein Neuanfang.
Auch im Internet versucht das Hospiz, die Verbindung zu S. aus dem Gedächtnis zu löschen. Erst wurde Peter S. als Vorsitzender des Fördervereins entfernt, dann ein Post auf der Facebookseite, in dem es hieß: „Wenn Apotheker Peter S. zum Spendenlauf bittet, dann kommen sie alle.“ Dieser war bis zum 23. August 2017 noch ganz oben auf der Facebookseite des Hospizes angepinnt. Auch entfernte man Pressemitteilungen, in denen der Apotheker erwähnt wurde – es soll wohl endlich wieder ruhig werden.
Es ist eine sehr schwierige Situation für alle Beteiligten, sei es für die Betroffenen oder auch für die MitarbeiterInnen aus dem Hospiz. Keiner kann wirklich erklären, wie solch ein Fall zustande kommen konnte. Kein Mensch hätte mit solch einer Tat je rechnen können. Es wurde ein Urvertrauen in Apotheker und Ärzte erschüttert. Dabei trifft das Hospiz, wenn überhaupt, die geringste Schuld, denn es waren Kontrollketten, die versagt haben, nicht die Menschen, die anderen Menschen etwas Gutes tun wollen und dem System vertraut haben. Da das für Außenstehende nicht greifbar ist und nur Betroffene einen genaueren Einblick erlauben können, möchten wir wissen, wie das Hospiz Peter S. kennengelernt und erlebt hat. Ihre Geschichte kann nicht nur uns helfen, die Strukturen zu erkennen, sondern auch jenen Angehörigen, deren Verwandte im Hospiz lebten. Vielen geht es nur um das Verstehen, sodass auch bei ihnen wieder Ruhe einkehrt. Wir würden uns sehr freuen, wenn doch noch ein unvoreingenommenes und kollegiales Gespräch mit Vertretern des Hospizes stattfinden könnte.