AfD-Spendenskandal
Eine anonyme Werbekampagne für die AfD kostete Millionen. Geheime Dokumente könnten neue Verfahren wegen illegaler Parteispenden auslösen.
Als Parteispenden werden Spenden an politische Parteien bezeichnet. In Deutschland sind anonyme Spenden oberhalb von 500 Euro verboten. Hohe anonyme Spenden an Parteien oder Abgeordnete stellen eine Gefahr für die Demokratie dar. CORRECTIV deckt auf, wer im Verborgenen Einfluss auf die Politik nimmt.
Zurzeit beschäftigen uns gleich mehrere Geld-Affären in der Politik, bei denen es im Kern um den Verlust von Vertrauen in die Demokratie geht: Im Frühjahr 2021 hat die Maskenaffäre der CDU offenbart, dass sich Politiker bezahlen lassen, ohne offenzulegen, wer dahinter steht. In der AfD-Spendenaffäre, zu der wir seit 2017 recherchieren, wird eine ganze Partei mit Millionen unterstützt, ohne dass die Öffentlichkeit weiß, von wem das Geld kommt.
Diese Themenseite bringt Licht ins Dunkle der anonymen Finanzierung von Politik auf allen Ebenen. Wir informieren hier seit Monaten über aktuelle Entwicklungen bei Spendenaffären und Reformplänen; wir berichten über unsere investigativen Recherchen zum AfD-Spendenskandal und wir recherchieren zusammen mit lokalen Medienpartnern zur Spendenpraxis auf lokaler Ebene. Was alle diese Skandale verbindet, sind, wie wir zeigen, die laschen Gesetze, die sich zu leicht gegen die Demokratie wenden lassen.
Wer Geld geheim in die Politik schleust, will nicht erkannt werden. Wir als Wählende können wiederum nicht nachvollziehen, wer dadurch Einfluss auf die Politik nehmen will.
Ein Spender setzt auf Angst in der Gesellschaft? Kein Problem, er kann einer Partei über anonyme Wege Plakate schenken, die Angst schüren und dadurch eine Partei größer machen.
Ein Spender will ein Gesetz zu seinen Gunsten beeinflussen? Mit anonym gezahltem Geld kann er sich die Abhängigkeit eines Abgeordneten kaufen. Das gemeinsame Geheimnis verbindet und zwingt beide Seiten zum Schweigen. Durch solche Aktionen wird Demokratie im Interesse der Spender manipuliert und wir als Bürgerinnen und Bürger verlieren Vertrauen in die Politik – das wichtigste Kapital der Demokratie.
Die laufenden Recherchen zur AfD-Spendenaffäre zeigen uns, dass es im Extremfall möglich ist, eine Partei zu kaufen, ohne dass die Öffentlichkeit und selbst die Parteibasis weiß, wer sie aus welchen Motiven finanziert. Wäre sie genauso erfolgreich, wenn sie bei den Wahlen 2016 bis 2018 nicht mit Wahlplakaten und Gratiszeitungen im Wert von mehreren Millionen Euro unterstützt worden wäre? Im September 2021 berichteten wir, wie interne Buchungsunterlagen die AfD in Bedrängnis bringen könnten.
Eine anonyme Werbekampagne für die AfD kostete Millionen. Geheime Dokumente könnten neue Verfahren wegen illegaler Parteispenden auslösen.
Nun stellt sich die Frage, ob die zuständigen Behörden ermitteln werden. Bestätigt sich der Verdacht von möglichen illegalen Parteispenden, könnten die Strafzahlungen millionenschwer werden, die bis jetzt hunderttausende Euro hoch waren.
Seit 2017 recherchieren wir, wie die AfD massive finanzielle Unterstützung aus anonymen Quellen erhält, um die Partei in Wahlkämpfen größer zu machen. „Die Geldgeber wollen anonym bleiben,“ sagte uns damals ein Förderer, der Werbeaktionen zugunsten der AfD organisierte. Immer wieder kommen einzelne Spendenskandale ans Licht, immer wieder sind die AfD-Parteispitzen involviert. Es geht um ein Netzwerk von anonymen Spendern und AfD-Spitzenleuten, das mindestens seit 2015 aktiv ist, und dessen Umrisse zunehmend deutlicher werden. Wir wollen wissen, wer die Schattenleute sind, und warum sie aus dem Dunkeln heraus Politiker oder ganze Parteien mit ihrem Geld beeinflussen. Was versprechen sie sich davon?
Brisant war zuletzt unsere Recherche über geheime Treffen der AfD-Parteispitze mit einem Milliardär ab 2015 in der Schweiz:
Anonyme Spenden: Die AfD-Spitze hat sich laut Ex-Parteichefin Petry mehrfach mit dem Milliardär Henning Conle getroffen
Zu dieser Veröffentlichung gibt es eine Vorgeschichte, wie geheime Spenden an die AfD ab 2017 erstmals ans Licht kamen und auch Strafzahlungen zur Folge hatten. Aufgedeckt durch journalistische Recherchen, die wir hier dokumentieren.
Während der Recherchen zu den AfD-Spendenskandalen stellten wir fest, dass sich die Beteiligten nach außen oft erstaunlich selbstsicher geben. Nicht ohne Grund. Denn sie sind überzeugt, dass sie rechtliche Grauzonen ausnutzen. Das Parteiengesetz lädt tatsächlich zu Missbrauch ein. Im Fall der AfD-Spenden lässt es sich sogar gegen die Demokratie wenden.
Wir haben daher begonnen, strukturiert über fragwürdige Spenden-Methoden und dubiose Geldgeschäfte in der Politik zu recherchieren, um die Schwachstellen des Parteiengesetzes offenzulegen.
Im Januar wollten wir zum Beispiel von den Abgeordneten des Bundestages wissen, was sie an persönlichen Spenden erhalten und ob sie die Regeln für ausreichend halten. Allein die Verteilung der Antworten nach Parteien war vielsagend. Kleiner Hinweis: Nur wenige Wochen später kam die Maskenaffäre ans Licht. Voraussichtlich noch im Mai werden Geldspenden für Abgeordnete verboten.
Rückmeldungsquote der Bundestagsabgeordneten nach Parteien bei der CORRECTIV-Umfrage
363 Abgeordnete antworten, Hunderte schweigen. Einige halten offensichtlich wenig von Transparenz. Andere nennen erstmals Namen von Spendern, die laut Gesetz nicht veröffentlicht werden müssten. Hier können Sie selbst nach den Antworten der Abgeordneten suchen:
CORRECTIV hat alle 735 Bundestagsabgeordnete dieser Legislaturperiode befragt. 292 Abgeordnete antworten, Hunderte schweigen.
Im Juli haben wir eine neue Datenbank veröffentlicht, in der erstmals die Parteispenden an die Kommunalpolitik einsehbar sind. Denn dorthin geht das meiste Geld, nicht an den Bund. Rund 850 Kreisverbände gaben auf Anfrage von CORRECTIV.Lokal an, wie viel Geld sie erhalten haben. Der SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte fällt mit besonders hohen Spenden auf. Union und AfD schweigen größtenteils.
In diesem Teil der Recherche-Serie hat CORRECTIV.Lokal mit Lokalmedien aus ganz Deutschland zusammengearbeitet. In den letzten Monaten stellten sie hunderte Anfrage an Kreisverbände, teilten Recherche-Ergebnisse miteinander und werteten Daten aus. Die Berichte erschienen in der Stuttgarter Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Neue Presse Coburg, dem WDR, SR, NDR und weiteren Medien.
Die meisten Parteispenden gehen in die Kommunalpolitik: Rund 850 Kreisverbände geben erstmals an, wie viel Geld sie erhalten haben.
Skandale fallen auf, wenn es – wie bei der Wahlkampfhilfe für die AfD – um Millionen geht. Was aber kaum Beachtung findet, ist die Tatsache, dass Kommunalpolitiker Geld annehmen dürfen, ohne es jemals öffentlich angeben zu müssen. Was hier im Dunkeln liegt, lässt sich nur erahnen. In den letzten Monaten kamen erneut Skandale ans Licht oder wurden vor Gericht verhandelt: in Regensburg oder Oppenheim ging es um lokale Korruption durch Parteispenden. Es sind immer Einzelfälle, aber die Regeln machen anonyme Spenden auf lokaler Ebene auch einfach. Allein, dass so wenig Transparenz vom Gesetz verlangt wird, ist erstaunlich. Wir leuchten daher in unserem Netzwerk CORRECTIV.Lokal gemeinsam mit regionalen Medien aus, ob es im Lokalen dadurch besonders leicht ist, mit Geld auf Politik Einfluss zu nehmen.
Um mal ein Verhältnis herzustellen, was pro Jahr offiziell gespendet wird und welche Parteien besonders von Unternehmen profitieren, hier ein paar Zahlen: 2019 spendeten Privatpersonen gut 56 Millionen Euro, mehr als 16 Millionen Euro kamen von Unternehmen und Verbänden. Dieses Geld wurde wie folgt an die Parteien verteilt:
In unserer Demokratie sind Spenden an Parteien grundsätzlich akzeptiert, sogar erwünscht. Demokratie lebt davon, dass Interessen durch Parteien vertreten werden, dazu gehört auch die finanzielle Förderung durch private Spender. Aber Demokratie braucht auch das Vertrauen der Bevölkerung. Daher ist Transparenz bei Spenden ein so wichtiger Grundsatz. Es muss öffentlich bekannt sein, wer Politik unterstützt. Umgekehrt sollten Politiker nicht erpressbar sein, weil sie im Verborgenen Geld annehmen. In der Vergangenheit gab es genügend Skandale, die den Parteien insgesamt geschadet haben.
Neben geheimen Spenden wird mittlerweile auch über Höchstgrenzen diskutiert, um auch den sichtbaren Einfluss zu reduzieren. In einigen Ländern sind hohe Spenden oder Spenden von Unternehmen schon jetzt verboten. Italien, Spanien und Frankreich etwa erlauben Spenden bis maximal 100.000 Euro. Ein verwandtes Thema sind Nebeneinkünfte in der Politik. Auch da geht es um Einfluss, der in dem Moment gefährlich wird, wenn nicht transparent ist, von wem Nebeneinkünfte gezahlt werden. Im Sommer 2021 hat der Bundestag Regeln dazu verschärft. Auch in den unteren Ebenen tut sich was: Rheinland-Pfalz legt erstmals die Nebeneinkünfte in der Lokalpolitik offen. Wir haben uns die Listen angeschaut.
Ein wunder Punkt ist die Kontrolle der Spenden durch den Staat. Die Bundestagsverwaltung kann Strafzahlungen bei Verstößen verhängen, aber sie darf nicht ermitteln. Oft beziehen sich Erkenntnisse der Verwaltung auf die Recherchen von Medien. Umgekehrt gibt sie kaum Einblick in ihre Daten, denn dazu ist sie nicht verpflichtet.
Es ist vergleichsweise einfach, im Dunkeln zu bleiben. Daher kommt den investigativen Recherchen und Hinweisen eine besondere Rolle zu. Ein Gericht hat in einem Urteil eines Prozesses, den CORRECTIV gegen die AfD gewonnen hat, jüngst klar festgehalten, dass die Aufdeckung von Skandalen durch die Medien eine wichtige Funktion für die Demokratie habe:
»Gerade bei politischen Parteien ist Transparenz für das Vertrauen der Wählerinnen uand Wähler von höchster Bedeutung. (…) Insoweit besteht —auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen — an der Berichterstattung über politische Parteien, auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts der klagenden Partei, ein erhöhtes und berechtigtes Interesse.«
Im Fall der ersten AfD-Skandale waren es verschiedene Recherchen von uns, vom Spiegel, dem Rechercheverbund von SZ und WDR oder der Zeit. Ins Rollen kam die erste Spendenaffäre 2017 durch eine Tonbandaufnahme, die es in sich hatte. Im Interview berichtete uns der AfD-Politiker Guido Reil, wie eine Schweizer Agentur seinen Wahlkampf im Stillen unterstützt hat. Nur wenig später fanden wir zusammen mit Frontal21 heraus, dass Jörg Meuthen auf die gleiche Weise Wahlkampfhilfe von rund 90.000 Euro erhielt, ohne dass er oder die Geldgeber diese Spenden offenlegten. Am Ende führten die Recherchen zu Strafzahlungen von gut 400.000 Euro, die im Fall Meuthen per Gericht sogar bestätigt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat Ende Juni aufgrund dieser Recherchen die Aufhebung der Immunität von Meuthen als EU-Abgeordneter beantragt.
Als eine illegale Spende an den Wahlkreis von Alice Weidel auftauchte, wurde deutlich, dass die Spendenaktionen Teil eines Netzwerkes sind, die sogar falsche Spenderlisten vorschoben.
Daneben agiert seit Jahren ein Unterstützerverein für die AfD, der millionenschwere Wahlkampagnen führt, die zur Wahl der AfD aufrufen. Das gilt nicht als Parteispende, weil die AfD offiziell nichts mit dem Verein zu tun hat. So können die Spender unerkannt bleiben. Aber auch hier verdichten sich Hinweise, dass die Verbindungen zwischen Partei und Verein enger gewesen sein könnten.
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