Auslandsbestechung

Was ist Auslandsbestechung – und wie ermittelt die Justiz?

CORRECTIV veröffentlicht Unterlagen der deutschen Justiz. Die Akten zeigen, dass Auslandsbestechung im deutschen Export verbreiteter ist als bisher bekannt. Auslandsbestechung ist auch für die Justiz ein schwer zu ermittelndes Verbrechen. Sechs Fragen und Antworten.

von Avi Bolotinsky

wesley-tingey-snNHKZ-mGfE-unsplash
Die deutsche Wirtschaft setzt im Ausland noch immer auf Korruption. Wie ermittelt die Justiz in Sachen Auslandsbestechung? (Foto: Wesley Tingey / unsplash.com)

1. Was ist Auslandsbestechung?

Wer bei seinen Geschäften Schmiergeld zahlt, erwartet dafür unlautere Vorteile. Im Fall von Auslandsbestechung schmieren deutsche Firmen Beamte oder Politiker in anderen Ländern. Damit verletzen sie nicht nur den Wettbewerb zwischen Firmen, sondern auch die Gesellschaft vor Ort. Wenn öffentliche Aufträge gegen Schmiergeld vergeben werden, untergräbt dies echte unternehmerische Leistung. Zugleich erhalten die Verbraucher teurere oder schlechtere Waren, zum Beispiel bei der Ausstattung von Laboren, Software für die Verwaltung oder im Bereich Infrastruktur. In vielen Fällen schadet die Vertuschung von Auslandsbestechung außerdem der Rechtsstaatlichkeit und führt zu Vertrauensverlusten in öffentliche Institutionen.

Bis 1999 waren Bestechlichkeit und Bestechung nur bei Geschäften im Inland strafbar. Danach wurde das strafrechtliche Verbot auf im Ausland gezahlte Bestechungsgelder ausgeweitet. Dies geschah unter anderem auf Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Deutsche Staatsbürger machten sich jetzt strafbar, wenn sie ausländische Amtsträger bestechen. Unter Amtsträgern versteht man Politiker, Richter, Soldaten aber auch sonstige Träger öffentlicher Aufgaben. Es gilt also auch als Auslandsbestechung, wenn man einen in Deutschland stationierten, ausländischen Militärangehörigen oder Diplomaten schmiert.

2. Warum ermittelt die Justiz nicht gegen Firmen?

Deutschland hat kein Unternehmensstrafrecht. Deswegen kann die Justiz bei Auslandsbestechung nur gegen Führungskräfte oder Mitarbeiter von Firmen ermitteln. Kritiker eines Unternehmensstrafrechts sagen, dass sich der Schuldbegriff nur auf natürliche Personen bezieht, und ein Unternehmen daher kein Beschuldigter im Sinne des deutschen Strafrechts sein kann. Teile der deutschen Politik wollen ein Unternehmensstrafrecht einführen. Unter anderem die starke Lobby der Wirtschaft hat dies aber bisher verhindert.

Das Ergebnis ist, dass die rechtliche Aufarbeitung von Auslandsbestechung – und auch anderer Delikte im Bereich Wirtschaftskriminalität – oft hinter verschlossenen Türen bleibt. Denn mangels einem Unternehmensstrafrecht belegt die Justiz Firmen mit Bußgeldern nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Das geschieht ohne öffentliche Verhandlung. Auch Medien haben keinen Auskunftsanspruch. Bußgelder sind auf zehn Millionen Euro begrenzt und können sogar von der Steuer abgesetzt werden. Staatsanwaltschaften können mit juristischen Krücken wie der sogenannten Nebenbeteiligung von Konzernen und der Abschöpfung illegal erlangter Gewinne auch höhere Summen von Firmen verlangen. Doch auch dies geschieht auf intransparente Weise.

3. Was löst Ermittlungen wegen Auslandsbestechung aus?

Viele Verfahren beginnen mit einer Anfrage von ausländischen Staatsanwaltschaften, sogenannten Rechtshilfegesuchen. So war es zum Beispiel in Israel: Die Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts bei einem staatlichen Bauunternehmen führten zu Ermittlungen gegen einen deutschen Staatsbürger in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesamt für Justiz reicht Rechtshilfegesuche aus dem Ausland an das Bundesland weiter, in dem der Verdächtige seinen Wohnsitz hat.

Die wichtigste Rolle bei der Aufdeckung von Auslandsbestechung spielt in Deutschland immer noch das Finanzamt. Denn Auslandsbestechung darf nicht als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Wenn zum Beispiel ein Konzern einem ausländischen Berater hohe Provisionen zahlt und nur mangelhafte Leistungsnachweise vorlegen kann, fällt dies bei der Prüfung des Finanzamt auf. Wenn Verdacht auf Auslandsbestechung besteht, meldet das Finanzamt den Fall bei der Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der OECD waren bisher die deutschen Finanzämter eine entscheidende Quelle für Ermittlungen wegen Bestechung im Ausland.

Hinweisgeber aus Unternehmen – auch bekannt als Whistleblower – lösen laut OECD im internationalen Vergleich hingegen selten Ermittlungen wegen Auslandsbestechung aus. Das liegt unter anderem daran, dass der Schutz für Hinweisgeber in Deutschland gesetzlich nur schwach verankert ist. Dies kritisiert sowohl die OECD als auch viele Anti-Korruptions-Organisationen. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass die Justiz Meldungen von Insidern erhält und damit aus erster Hand – weil Auslandsbestechung so aufwändig verschleiert ist, wäre dies jedoch wichtig.

Hinweisgeber wenden sich daher eher an Medien. Doch auch hier sagt die OECD, dass in Deutschland Presseberichte vergleichsweise selten juristische Ermittlungen wegen Auslandsbestechung anstoßen.

Hinzu kommen noch Selbstanzeigen von Unternehmen. So war es zum Beispiel im Fall des Schweizer Anlagenbauers ABB. Das Unternehmen stieß selber auf Unregelmäßigkeiten bei einem Projekt in Südafrika und stellte daraufhin Anzeige, unter anderem in der Schweiz und den USA. Anschließend begannen die Behörden, mit Rechtshilfegesuchen zusammenzuarbeiten. Wegen des geringen Strafverfolgungsdrucks bei Auslandsbestechung sind diese Selbstanzeigen in Deutschland jedoch eher selten.

4. Wie laufen die Ermittlungen ab?

Staatsanwaltschaften nutzen bei Ermittlungen wegen Auslandsbestechung grundsätzlich dieselben Werkzeuge wie auch bei anderen Formen der Wirtschaftskriminalität. Sie veranlassen Durchsuchungen, fordern Bankunterlagen an und befragen Zeugen. Eine wichtige Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Finanzämtern, bei denen Firmen ihre Betriebsausgaben melden.

Eine Besonderheit ist die Zusammenarbeit mit Ermittlern in anderen Staaten. Mit Rechtshilfegesuchen kann die Justiz Staatsanwaltschaften anderer Länder bitten, Durchsuchungen vorzunehmen oder Zeugen zu befragen. Die Gesuche müssen jedoch sowohl in Deutschland wie im Ausland mehrere Behörden durchlaufen und anschließend denselben Weg noch einmal – nur rückwärts. Das kann ein Jahr oder länger in Anspruch nehmen. Die Dokumente müssen aufwändig übersetzt und teils beglaubigt werden. Nur dann können sie in einem Gerichtsverfahren verwendet werden.

In der EU ist die Zusammenarbeit einfacher. Einrichtungen wie Europol sollen die Kooperation zwischen Ermittlungsbehörden verschiedener Länder erleichtern. Seit 2021 gibt es sogar eine europäische Staatsanwaltschaft.

5. Was sind die Schwierigkeiten?

Ermittlungen wegen Auslandsbestechung sind kompliziert und haben oft wenig Erfolgsaussichten. Das liegt nicht nur an der aufwändigen Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Auslandsbestechung verjährt nach fünf Jahren. Es dauert aber oft lange, bis ein Hinweis die Justiz überhaupt erreicht, und sich ein Verdacht ergibt. Es ist zudem in vielen Fällen quasi unmöglich zu beweisen, dass Bestechungsgelder letztlich auch einen Amtsträger erreichten. Wenn andere Staaten dazu noch Informationsblockaden errichten und nicht kooperieren, lässt sich der nötige Nachweis nicht führen.

6. Wie oft kommt es zu Verurteilungen?

Die OECD kritisiert, dass einige Bundesländer bis heute das Verbot von Auslandsbestechung kaum umsetzen. Staatsanwaltschaften stellen wegen der geringen Erfolgsaussichten viele Verfahren gegen Geldauflagen ein. So kommt es zu keiner Gerichtsverhandlung und die Fälle werden nicht öffentlich bekannt.

Es kommt aber oft vor, dass sich während der Ermittlung wegen Auslandsbestechung genug Beweise finden, um die Beschuldigten wegen verwandter Straftaten anzuklagen. Das sind vor allem Untreue, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung. Das ist auch der Grund, warum die OECD Deutschland trotz der geringen Verurteilungsquoten wegen Auslandsbestechung als im internationalen Vergleich immer noch führend bei der Umsetzung der Anti-Korruptions-Konvention lobt. Die OECD nennt das „pragmatische Anwendung alternativer Straftatbestände.“